„Einen Skilift in der Rhön? Das schaffst Du nie!“ Für die beiden Lohrer Herbert Seitz und Alfred Stumpf war es unvorstellbar, was ihr Freund Otto Willert aus Neuendorf sich da 1958 vorgenommen hatte. Gemeinsam waren sie zum Skiurlaub in Lech am Arlberg. Während Stumpf und Seitz ganztags mit Skifahren beschäftigt waren, blieb Willert am Nachmittag gerne mit einer Tasse Kaffee auf der Hotel-Terrasse zurück. Und hatte dabei den Schlepplift am Schlegelkopf direkt im Blickfeld. „Ich sah die Bügel, die einen nach dem anderen den Berg hinaufzogen. Und dachte mir dabei: eine Mark, zwei Mark, drei Mark…“, erzählt der heute 93-Jährige.
Idee kam am Arlberg
Voller Motivation verkündete er den Freunden seinen Plan: „So einen Skilift baue ich zu Hause nach!“ Doch er wurde nur belächelt – und das spornte ihn an. Ehrgeizig recherchierte der elektronikbegeisterte Willert und legte auf der Heimreise nach Neuendorf (Lkr. Main-Spessart) einen Zwischenstopp in Bregenz ein. Der hier ansässige Arthur Doppelmayr, seit 1955 im Familienbetrieb mit der Weiterentwicklung und Vermarktung seilgezogener Lifte beschäftigt, wurde kontaktiert.
Grundstückskauf am Kreuzberg
Die gemeinsamen Planungen für den ersten Schlepplift Nordbayerns liefen an – und damit die neue Ära des Wintersports in der Rhön. Mit viel Geschick und Koordination gelang es Willert, die passenden Grundstücke am Kreuzberg zu erwerben und den Bau umzusetzen. Am 4. Dezember 1958 startete der Betrieb des „Blicklifts“ am Rhöner Kreuzberg – unter der Leitung von Schreibfedernfabrikant Otto Willert.
Der Blicklift, mit einer Länge von 540 Metern und 180 Höhenmetern, benötigte für eine Bergauffahrt zweieinhalb Minuten. Der Winter 1958/1959 zeigte sich als schneearm, so dass der Lift in der ersten Saison nur an 44 Tagen in Betrieb war. Dennoch fand er reges Interesse, die Gäste nahmen weite Anreisen in Kauf. Um den Lift zu erreichen hatten die Wintersportler jedoch zuerst einen längeren Fußmarsch von Haselbach aus zu bewältigen.
Die Familie kam am Wochenende nach
Auch Otto Willerts Frau Erika und die drei Kinder machten sich jedes Wochenende auf den Weg in die Rhön, die Liftstation wurde extra mit einer Wohnung für die Familie ausgestattet. „Mein Vater fuhr bereits mittwochs los und heizte schon die Wohnung vor“, erinnert sich Tochter Birgit gerne zurück, „wir kamen dann samstags nach der Schule dazu – und hatten dort immer pures Vergnügen“. Die Kinder lernten eigenständig das Skifahren und trotz so mancher Schneewehen und oftmals Eiseskälte war sich die Familie einig: „Im Winter gab es für uns nur die Rhön.“
1963 folgte der Rothanglift
Dem Blicklift folgte ein zweiter Lift im Jahre 1963: der Rothanglift. Seine Talstation in der Nähe der Zufahrtsstraße zum Kreuzberg erhielt einen Parkplatz, dies erleichterte die direkte Anfahrt der Skifahrer. Der dritte und mit 1400 Metern längste Skilift, der Dreitannenlift, konnte ein Jahr später eingeweiht werden. Damit wuchs dieses Gebiet zum größten Skiareal in der Rhön. Die erste Schneewalze kam erst 1968 zum Einsatz, bis dahin wurden die Pisten mit Muskelkraft präpariert – mit den Skiern. Durch Rennen und Gaumeisterschaften stieg der Bekanntheitsgrad des Skigebiets weiter an: Mit dem Start am Blicklift ging es „waghalsig mit riesigen Geschwindigkeiten“ hinab ins Tal bis zum Dreitannenlift.
Noch immer im Familienbesitz
Reparaturen für die Lifte übernahm Willert oft zuhause, in der Schreibfedernfabrik in Neuendorf. In den Sommermonaten wurden hier auch die Holzbügel neu stabilisiert, um für die nächste Saison gerüstet zu sein: „Wenn der Schnee kam, ist alles wieder gelaufen.“ Modernisiert, mit besseren Parkmöglichkeiten und Sanitäreinrichtungen ausgestattet, gelten die drei Skilifte nach 60 Jahren noch immer als Winterattraktion der Rhön – mittlerweile zwar verpachtet, aber in dritter Generation im Besitz der Familie Willert.