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LOHR
Wie die Preußen die Stadt einnahmen
Karl Anderlohr
 |  aktualisiert: 20.08.2016 03:30 Uhr

Am 14. Juli 1866 hatten die Preußen in heftigen Gefechten gegen österreichische Truppen, die dazu mit der Bahn angereist waren, Aschaffenburg erobert. Dabei wäre ihnen fast Ex-König Ludwig I. in die Hände gefallen, der sich mit seiner Tochter, der in Aschaffenburg geborenen Prinzessin Alexandra, im Schloss Johannesburg aufhielt.

Der Monarch im Ruhestand erkundigte sich am Morgen um 10 Uhr nach dem Stand der Dinge. Als er in unmittelbarer Nähe das Feuer der Gefechte hörte, brachte er sich in die bayerische Pfalz in Sicherheit. Zuvor sorgte der als sparsam bekannte Ludwig I. noch dafür, dass das königliche Tafelsilber dem Zugriff der Preußen entzogen wurde.

Der Bundestag, die Verwaltung des Deutschen Bundes setzte sich aus der Freien Stadt Frankfurt nach Augsburg ab, da zu befürchten war, dass auch dort die Preußen bald einmarschieren würden. In Lohr waren die preußischen Truppen abgezogen. Es tauchten aber immer wieder Patrouillen der Preußen auf – vor allem wohl, um dafür zu sorgen, dass die Bahnlinie intakt blieb, die um für den preußischen Nachschub wichtig war.

„An einige jüngere Bürger, worunter sich Magistratsrat Staub und auch Verfasser dieses befanden, ließ der Magistrat eine Einladung zur freiwilliger Übernahme verschiedener Dienstleistungen ergehen, da das ständige magistratische Dienstpersonal in dieser außergewöhnlichen Zeit bei weitem nicht ausreichte; diesem Ansinnen wurde seitens der Geladenen bereitwilligst entsprochen“, schreibt der Lohrer Chronist Philipp Lebeis.

Vom Durchmarsch des preußischen Armeekorps waren etwa 100 bis 120 leicht verwundete und kranke preußische Soldaten in Lohr zurückgeblieben. Untergebracht wurden sie teilweise im Blockhaus undteilweise in einem Haus in der Lohrer Ottenhofgasse (später diente das Haus als Metzgerei und Gasthaus Kindesberger).

Das Blockhaus stand an der heutigen Grafen-von-Rieneck-Straße an der Stelle, wo sich heute der Parkplatz zwischen Kriegerdenkmal und Polizeiinspektion befindet, und war 1848 als Kaserne für die bayerischen Truppen errichtet worden, die die rebellischen Lohrer in Schach halten sollten.

In den folgenden Jahrzehnten diente das Blockhaus als Schulgebäude für die Präparandenschule, die Forstschule und nach dem Zweiten Weltkrieg als „Bau 2“ des städtischen Krankenhauses. Das BLockhaus wurde erst um 1960 nach der Fertigstellung des Kreiskrankenhauses abgebrochen.

Beide Gebäude standen unter dem Schutz der Genfer Convention. „Allein mehrere thatendürstige preußische Unteroffiziere, welche sich als Rekonvaleszenten dort befanden, suchten beständig mit den öfter die hiesige Gegend durchstreifenden preußischen Patrouillen in Verkehr zu treten, um denselben über die nachrückende 4. bayerische Division Mitteilung zu machen“, berichtet Lebeis.

Eines Abends trafen nun abermals die Unteroffiziere am Eingang der Vorstadt mit einer preußischen Patrouille zusammen und konferierten längere Zeit mit derselben.

Rund zwölf bis 15 junge Burschen, denen dies missfiel, umringten nach Abmarsch der Runde die Unteroffiziere, denen sie zuriefen: „Ihr l…pigen Preußen, wenn ihr krank seid, bleibt im Spital; ihr braucht nicht in der Stadt 'rumzuspionieren!“ Rasch traten aber mehrere ältere, angesehene Bürger auf die Gruppe zu, trennten die Streitenden und verbrachten die Soldaten in ihre Lazarette.

Lebeis berichtete von dem Vorfall: „Welcher Nachtheil wäre wohl der Stadt erwachsen, wenn konstatiert hätte werden können, daß kranke preußische Soldaten von Civilisten mißhandelt worden seien!“ Um weitere derartige Vorfälle zu verhindern, wurde ein Sicherheitskomitee gegründet.

„Ihr l…pigen Preußen; ihr braucht nicht in der Stadt 'rumzuspionieren!“
Philipp Lebeis Chronist aus Lohr

„Schon am anderen Abend durchstreiften denn auch bei einbrechender Dämmerung abwechselnd drei bis vier dem Sicherheitskomité angehörende Bürger die Straßen der Stadt; sie besaßen einen amtlichen Ausweis, auf Grund dessen sie bei Ungehörigkeiten einschreiten konnten.“ Unter anderem wurde auch die Polizeistunde auf 11 Uhr festgesetzt, so erinnert sich Lebeis weiter.

Der Chronist fährt wie folgt fort: „Die Dankbarkeit gebietet aber auch, zweier Männer zu gedenken, welche sich in jener für das Gemeinwesen so gefahrdrohenden Zeit ihrem mühevollen Berufe unter gänzlicher Hintansetzung des eigenen Ich voll und ganz hingaben. Es waren dies Kgl. Bezirksamtmann Regierungsrat Nickels (†) und rechtsk. Bürgermeister Schiele (†). Beide Herren verblieben vom Donnerstag, den 12. bis zum Montag, den 16. Juli Tag und Nacht auf dem Rathause.

Auf dem Fußboden des magistratischen Sitzungssaales ließen sie sich Lager bereiten, um dann und wann nur etwas ruhen zu können; denn das Kommen und Gehen der Offiziere und Ordonnanzen, welche die mannigfaltigsten, oft unerfüllbarsten Forderungen an die Gemeinde, und zwar meist in einem äußerst barschen Tone stellten, nahm in den ersten drei Tagen und Nächten kein Ende.“

 
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