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Stetten
Wie der Mauerbau 1961 das Leben einer Ostberlinerin veränderte
Ein sakraler Ort für eine profane Lesung war die Pfarrkirche von Stetten, wo der Autor Titus Müller aus seinem neuesten Buch 'Die fremde Spionin' las.
Foto: Günter Roth | Ein sakraler Ort für eine profane Lesung war die Pfarrkirche von Stetten, wo der Autor Titus Müller aus seinem neuesten Buch "Die fremde Spionin" las.
Günter Roth
 |  aktualisiert: 06.08.2021 02:16 Uhr

Es war eine besondere Lesung mit einem besonderen Roman in einem besonderen Umfeld für knapp 30 Frauen und drei Männer: Um die Corona-Abstände einhalten zu können, las der Autor Titus Müller aus seinem neuesten Buch "Die fremde Spionin" in der Stettener Pfarrkirche. Organisatorin war die Pfarrbücherei Stetten unter der Leitung von Karola Amthor.

Seine Hauptperson Ria ist zwar erfunden, aber ihr Schicksal hat sich in der jahrzehntelangen Geschichte der DDR zumindest in den Grundzügen mehrfach so zugetragen: Als sie zehn Jahre alt ist, werden ihre Eltern von der Staatssicherheit abgeholt. Das Mädchen wird von ihrer kleinen Schwester getrennt und in einer Adoptivfamilie untergebracht. Seither führte Ria in Ostberlin ein scheinbar angepasstes Leben. Erst als der BND sie als Informantin rekrutiert, sieht sie ihre Chance gekommen. Sie will wissen, was aus ihrer Familie, insbesondere der Schwester geworden ist und sie will Genugtuung oder sogar Rache für das erlittene Unrecht.

Konfrontation zweier erbitterter Todfeinde

Müller verknüpft die jüngste deutsche Geschichte mit persönlichen Erlebnissen in einer Mischung aus Realität, Fiktion und akribischer Recherche. Im Mittelpunkt seines Romans "Die fremde Spionin" stehen rund um den Bau der Berliner Mauer im August 1961 eben diese junge Frau und der Auftragsmörder Fjodor Sorokin. Beide sind natürlich erbitterte Todfeinde, aber irgendwie leiden sie auch beide an der Situation und dem eiskalten, herzlosen Regime.

Titus Müller schreibt in einer ganz eigenen Form: schnörkellos, sachlich – fast ein wenig distanziert, trotzdem voller innerer Anteilnahme; vor allem aber detailverliebt mit einer perfekten Recherche. "Ich musste eigentlich sehr wenig dazu erfinden, vielmehr fügte ich reale Vorkommen mit veränderten persönlichen Umständen zueinander", sagte er bei seiner Lesung. Obwohl es seinen Personen schon etwas an emotionaler Tiefe fehlt, gibt es keine Schwarz-Weiß-Malerei. "Ria ist kein Bond-Girl", betont Müller und weigert sich auch das Handeln seiner Protagonisten über die Maßen hinaus nach dem Motto "Wir sind die Guten – ihr die Schlechten" zu bewerten.

Leser mit einem Faible für Technik und Geheimdienste kommen bei dem Autor voll auf ihre Kosten. Mit Lust erklärt er technische Details wie die damals bei Spionen beliebte Minikamera von Minox, die als Sensation hinsichtlich ihrer geringen Größe und Bildqualität galt. Auch beliebte Tricks bei Tarnung und Verkleidung von Geheimagenten, wie die Koffer mit Perücken und falschen Bärten kamen zur Sprache. Beleuchtet wurden auch Methoden der Rekrutierung und Führung von Mitarbeitern sowie deren Risiko bei der etwaigen Enttarnung.

Eindrucksvoll schildert Müller die Situation der Menschen im Ostberlin des Jahres 1961, die noch am Tag zuvor im Westsektor einkaufen und arbeiten durften und am 13. August von Stacheldraht und Schießbefehl am Kontakt mit ihren dortigen Freunden und Verwandten gehindert wurden. Natürlich darf auch bei der "Fremden Spionin" eine Liebesgeschichte nicht fehlen, die aber offensichtlich ebenfalls zurückhaltend ausgestaltet wird.

Ob Ria ihre Schwester wiederfindet und wie sich das Leben des Auftragskillers Sorokin entwickelt, müssen die Leser jedoch selbst herausfinden. Die 30 Besucherinnen waren jedenfalls richtig neugierig.

 
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