Seit sechs Jahrzehnten blickt Klaus Röder in den Sternenhimmel. Seine Leidenschaft, die Tiefen des Weltalls zu entdecken, entwickelte der Pflochsbacher bereits im Alter von sieben Jahren: Auf der Wiese liegend beobachtete er Sternschnuppen am Himmel.
Die Augen leuchten bei Klaus Röder auch noch mit 72 Jahren, wenn er von seinen selbstgebauten Teleskopen erzählt, mit denen er als Kind den Saturn erblickte. Neben seinen bis zu sechs Friseurgeschäften, die er in Lohr betrieb, und seiner Tätigkeit als Fachlehrer für Friseurberufe, hat sich der Hobby-Astronom immer Zeit für seine große Leidenschaft genommen. Selbst für einen Laien kann der Friseurmeister Begriffe wie Quantengravitation, euklidische Geometrie und das anthropische Prinzip verständlich erklären. Seine Begeisterung ist ansteckend.
32 Teleskope im ausgebauten Dachgeschoss
Gerne berichtet der Friseurmeister über das größte sich damals im Privatbesitz befindliche Teleskop in Deutschland mit seinen zwölf Metern Brennweite. Dieses steht noch immer in seiner eigenen Sternwarte am Romberg in Sendelbach. Bis 2009 hat Röder dort Führungen für Schulen abgehalten, sogar astronomische Gesellschaften mit Fachpublikum waren zu Besuch. "Mittlerweile ist alles mit Bäumen eingewachsen", berichtet Röder. Fällen möchte er diese jedoch nicht. "Dafür bin ich zu naturverbunden", sagt er schmunzelnd.
Durch einen gesundheitlichen Schicksalsschlag hat der Himmelskundler seine Öffentlichkeitsarbeit vor mehr als zehn Jahren eingestellt. Privat Interessierte sind nach wie vor in seiner Pflochsbacher Sternwarte "Luana" willkommen, sagt der Teilzeit-Rentner, der noch immer als Fachlehrer unterrichtet.
Neben den 32 ausgerichteten Teleskopen stehen dort im ausgebauten Dachgeschoss auch etliche selbstgebaute Fernrohre aus den vergangenen 60 Jahren, die sein exklusives Hobby unterstreichen. Mit den hunderten selbst fotografierten Aufnahmen an den Wänden wird der Aufstieg zu einem Besuch in einem historischen Astronomie-Museum.
In klaren Nächten, von denen es im Jahr etwa 60 bis 70 gibt, sitzt Klaus Röder bis zu zehn Stunden vor seinen Binokularen und blickt in das Weltall. "Ein Blick in das Universum ist für mich eine Zeitreise in die Vergangenheit. Ich sehe eine Galaxie, wie sie ausgesehen hat, als auf der Erde Saurier lebten." Röder nimmt in seinen Ausführungen jeden seiner Zuhörer mit auf die Reise, in der ein Lichtstrahl die Erde vor 65 Millionen Jahren verlassen hat. "Das ist doch unglaublich", zeigt er sich auch nach tausenden Stunden der Beobachtung noch immer fasziniert vor der Unendlichkeit: "Wenn ich in das Universum schaue, dann nehmen alle eigenen Probleme ab."
Seit dem Ausbruch der Coronapandemie sei der Himmel klar, wie er ihn noch nie erlebt habe. Der eingestellte Flugverkehr führt zu noch tieferen Einblicken in das All. Röder möchte keine Stunde in dieser Zeit verpassen. Vor allem Galaxien interessieren ihn. "Diese sind Millionen von Lichtjahren entfernt und jetzt sehe ich einige zum ersten Mal."
Entfenrte Galaxien sind nur auf Fotos zu erkennen
Bereits tagsüber gibt Röder Koordinaten in seine elektrisch betriebenen Teleskope ein, die sich danach ausrichten. Wichtig dabei ist auch die von einem Computer errechnete Erddrehung, nach der sich die Fernrohre mitbewegen. Die Dokumentation zählt genauso zur Aufgabe eines jeden Astronomen. Hochwertige Video- und Fotokameras begleiten jeden Blick in den Himmel. Immer wieder gelingen Röder dabei einzigartige Aufnahmen. Diese veröffentlicht er auf seiner Facebookseite "Sternwarte Luana". Auch in Fachmagazinen wurden viele Fotos abgedruckt. Durch eine Belichtungszeit von bis zu zwanzig Minuten kann Röder teilweise nur über die ausgewerteten Fotos – die mehrfach übereinander belichtet werden - entfernte Galaxien erkennen.
Gibt es ein Leben auf anderen Planeten? Röder muss nicht einmal überlegen: "Der Schöpfer wäre ein Stümper, wenn es nur uns gäbe." Der Hobby-Astronom rechnet vor: "Nur unsere Milchstraße hat 400 Milliarden Sonnenmassen, die Nachbarmilchstraße Andromeda wiederum hat weitere Milliarden von Milchstraßen – das ist unendlich." Um fremdes Leben jedoch zu entdecken, müsste man Jahrtausende suchen – auch für weiter entwickeltes Leben. "Das Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit ist für Masse nicht möglich", erklärt Röder die Unwahrscheinlichkeit, dass außerirdisches Leben jemals auf der Erde war.
Röder möchte sein Wissen weitergeben
Womit sich Klaus Röder wieder bei seinem Lieblingsthema, der Unendlichkeit befindet, in der er sich so gerne bei seinen Beobachtungen verliert. "Das ist die schönste Meditation", sagt Röder, der sich auch für Transzendenz interessiert. Dass der Lohrer früher Extremläufe absolvierte, Friseurschulen mit aufbaute, eine Sternwarte in Sizilien sein Eigen nennt und sogar ein Buch schrieb, würden weitere Artikel unterhaltsam füllen.
Röders unendlichen Erfahrungsschatz, genauso wie seine umfangreiche Technik, würde er gerne für die Zukunft in guten Händen wissen. Am meisten würde sich der rüstige Rentner wünschen, wenn dies von städtischer oder schulischer Seite aus genutzt werden könnte. "Da würde ich meine restliche Energie dafür verwenden, um mein Wissen weiterzugeben", sagt Röder.
Für heute Abend sind alle Teleskope ausgerichtet. Der Polaranzug, der gegen die Kälte schützt, liegt bereit. Die ganze Nacht über wird Klaus Röder nahezu regungslos in das All blicken und dabei tausende von Fotos schießen, die ein Computerprogramm für ihn auswertet. Seine Frau Antonia wird ihm vor dem Schlafengehen einen heißen Tee servieren. Am Morgen wird Röder dann seine Frau wecken – die noch immer einen Friseursalon in Lohr betreibt – um im Anschluss seinen geliebten Käsekuchen zu essen.