Mittelsinn Über die Geschichte der Forstwirtschaft in Mittelsinn referierte am Donnerstagabend in der alten Schule vor einem rund 30-köpfigen Publikum Forstanwärter Vinzent Geiger. Ein Schwerpunkt war dabei die Eichenwirtschaft.
Nach einem abgeschlossenen Studium in Forstingenieurwesen absolviert Geiger, der aus Grafenau im Bayerischen Wald stammt, seit vergangenem Oktober eine Forstanwärter-Ausbildung an der Forstschule in Lohr. Er ist dem von Michael Schlegel geleiteten Revier Aura zugeordnet, das zum Staatsforstbetrieb Hammelburg gehört. Sein Vortrag basiert auf einer Projektarbeit, die er im Rahmen seiner Ausbildung erstellen muss.
Laut Geiger gehörte der "Cent Forst Aura" ab 1624 vier Herren der Familien von Thüngen und von Hutten. Diese erließen ihm zufolge eine 27 Artikel umfassende Waldordnung. Bei Verstößen drohten hohe Strafen. "Es soll keiner einen grünen Baum umschlagen", lautete eine der Anordnungen. Auch Vieh durfte in gehegten Wäldern nicht gehütet werden.
Die damals vorherrschende Waldnutzungsart war laut Geiger die Mittelwaldbewirtschaftung. Darunter versteht man einen Wald, der aus zwei Baumschichten besteht: dem Oberholz (Hochwald), das alt werden darf, und dem Unterholz (Niederwald), das etwa alle 20 bis 30 Jahre flächig als Brennholz geerntet wird. Durch Stockausschlag wächst es immer wieder nach.
Mit der Napoleonischen Neuordnung im Jahre 1806 sei der Forst Aura an das Königreich Bayern übergegangen, erläuterte Geiger. 1885 sei dann das Forstamt Mittelsinn gegründet worden, das bis zur Forstreform im Jahre 2005 bestanden habe. Seitdem sei das Revier Aura innerhalb des Forstbetriebs Hammelburg der Bayerischen Staatsforsten zuständig.
Auch noch im 19. Jahrhundert handelte es sich bei einem Großteil des heutigen Forstes Aura um Mittelwald, hat Geiger anhand schriftlicher Belege herausgefunden. Aus Rentabilitätsgründen habe man damals jedoch das Ziel verfolgt, diesen in Hochwald und die Laubholzbestände in Nadelholzbestände umzuwandeln.
Dem standen laut Geiger allerdings verschiedene Rechte der einheimischen Bevölkerung im Weg, beispielsweise Holzrechte, Weiderechte und Streurechte (Nutzung von Blättern und Nadeln als Einstreu für den Stall).
Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts sei dann die Ablösung der Fortsrechte konsequent verfolgt worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe im heutigen Forst Aura, der während des "Dritten Reiches" auf staatliche Anordnung hin übernutzt worden sei, keine Mittelwaldbewirtschaftung mehr stattgefunden.
Ab 1818 arbeiteten die Förster im Forst Aura laut Geiger gezielt daran, Laubhochwald zu bekommen. Zu diesem Zweck habe man Waldflächen gerodet, aber einzelne Eichen stehenlassen. Um diese herum habe man dann großflächig Eicheln gesät. Es sei davon auszugehen, dass die insgesamt 90 Hektar umfassenden wertvollen Alteichen-Bestände in den Abteilungen Streiteiche, Langthal und Einberg aus dieser Zeit stammten.
Eine lohnende Einnahmequelle im Forst Aura war Geiger zufolge im 19. Jahrhundert auch die Produktion von Eichenrinde, die zum Gerben von Leder benötigt wurde. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts habe die Nachfrage jedoch rapide abgenommen.
1896 sei empfohlen worden, aufkommende Buchen unter den Eichen stehenzulassen, weil dadurch die Stämme der Eichen beschattet würden und Astbildung verhindert werde.
Heute behandele man Wälder ähnlich, sagte Geiger. Zwar sei aktuell noch der Erhalt von Wertholz oberstes Produktionsziel, doch vor dem Hintergrund des Klimawandels müsse man zwecks Risikostreuung mehr auf Mischbaumarten setzen.
Wie der Applaus zeigte, kam Geigers Vortrag gut an. Bürgermeister Dirk Schiefer regte an, ihn im kommenden Jahr im Rahmen der 750-Jahr-Feier der Gemeinde zu wiederholen.