
Rund 40 Liter pro Sekunde oder 3,5 Millionen Liter pro Tag – das ist die Abwassermenge, die zu normalen Zeiten in die Lohrer Kläranlage strömt. Bei größeren Niederschlägen kann es auch das Drei- oder Vierfache sein. Wie das Abwasser in der in den Mainwiesen zwischen Sendelbach und Pflochsbach gelegenen Anlage gereinigt wird, ließ sich der Werkausschuss des Stadtrats am Montag bei einem Ortstermin erklären. Dabei wurde deutlich: Die vor rund 60 Jahren gebaute und vor 25 Jahren erweiterte Kläranlage erfüllt ihre Aufgabe. Damit das auch in Zukunft gilt, werden in den kommenden Jahren aber möglicherweise größere Investitionen fällig.
Frau in Männerdomäne
Eine Besonderheit der Lohrer Kläranlage ist ihre Leitung: Belisia Seitz ist eine der wenigen Abwassermeisterinnen in den Kläranlagen der Region. Bislang, so erklärte Johannes Goßmann, Leiter der für die Lohrer Kläranlage verantwortlichen Stadtwerke, sei die Abwasserreinigung noch weitgehend Männerdomäne. Doch in Lohr hält seit vergangenem Jahr die erst 22-jährige Seitz die Fäden in einem siebenköpfigen Team zusammen.
Am Montag nahm sie die Ratsmitglieder mit auf "auf den Weg des Abwassers". Nach dem Einlauf, durch den die braune Brühe aus dem 140 Kilometer langen Lohrer Kanalnetze in die Kläranlage strömt, war die erste Station die Anlage zum Heraussieben von Grobstoffen: Tampons, Essensreste, Kondome, Hygienetücher – all diese Dinge, die im Abwasser eigentlich nichts verloren haben, fischt der Rechen heraus. Das Material landet später in der Verbrennung.
Das Abwasser indes, so zeigte Seitz bei ihrer Führung, nimmt seinen Weg durch eine ganze Kaskade aus verschiedenen Becken und Trennstufen. Entlang dieser Kette verrichten verschiedene Mikroorganismen ihr reinigendes Werk. Nitrate und Phosphat werden dem Wasser entzogen, neben dem Sand aber auch Fette.
Aus Gas wird Strom
Letztere landen zusammen mit dem später anfallenden Klärschlamm im Faulturm. Dort entsteht bei einer Temperatur von 37 Grad Gas. Mit diesem produziert ein Blockheizkraftwerk Strom, der direkt in der Kläranlage verbraucht wird.
Aus der am Zulauf der Kläranlage braunen Brühe wird am Ende augenscheinlich klares Wasser, das unter regelmäßiger Analyse schließlich in den Main fließt. Das, was so rein aussehe, könne man jedoch "nicht bedenkenlos trinken", verdeutlichte Bürgermeister Mario Paul, dass die Kläranlage das Abwasser eben doch nicht restlos klärt. So könne das am Ende in den Main fließende Wasser gerade in einer Stadt wie Lohr mit zwei großen Krankenhäusern beispielsweise Rückstände von Medikamenten enthalten.
Um auch solche aus dem Wasser zu holen, sei als neue gesetzliche Vorgabe eine zusätzliche Reinigungsstufe im Gespräch, erklärte Stadtwerkechef Goßmann. Er gehe davon aus, dass "das recht bald kommt".
Noch früher fällig werden könnte ein zusätzlicher Hochwasserschutz. Der wird laut Matthias Sattler, dem technischen Leiter der Stadtwerke, aufgrund neuer Werte für ein hundertjährliches Hochwasser nötig. Der jetzige Damm rund um die Kläranlage sei nicht hoch genug. Man lasse aktuell untersuchen, in welchem Ausmaß er erhöht werden müsste, so Sattler. Doch mit dem Damm alleine werde es nicht getan sein. Man müsse auch sicherstellen, dass im Falle eines Hochwassers kein Grundwasser in die Kläranlage drücke.
Wie im Laufe des Rundgangs deutlich wurde, zeichnen sich noch weitere größere Investitionen ab. So rechnet man bei den Stadtwerken für 2026/27 mit rund 600.000 Euro für eine Betonsanierung an den Becken. Auch eine neue Anlage zum Ausfällen des Phosphats sei in Planung.
Im Hinterkopf hat man bei den Stadtwerken überdies den Bau einer Lagerhalle auf dem Kläranlagengelände. Derzeit, so erklärte Goßmann, sei verschiedenstes Material in über die Anlage verstreute Garagen, Unterstände und sonstige Räume verteilt. "Optimal ist was anderes", so der Stadtwerkechef.
Zwar noch funktionstüchtig, aber auch schon etwas angegriffen ist das ehemalige Klärwärter-Wohnhaus, in dem sich auch Umkleiden und Sanitärräume befinden. Das Dach undicht, der Keller feucht, die Leitungen rund 60 Jahre alt. Ob man angesichts dessen irgendwann in eine Sanierung einsteigen oder sich eine neue Lösung ausdenken sollte, ist laut Goßmann derzeit noch offen.