
Ohne den Lohrer Bahnhof hätten die meisten bayerischen Könige wohl niemals Notiz genommen vom kleinen Städtchen am Rande des Spessarts, das seit 1814 zu ihrem Reich gehörte. Welche Kontakte es neben Durchfahrten und Kurzaufenthalten sonst noch gab, hat Gerd Walter am Donnerstag in einer Gemeinschaftsveranstaltung von Volkshochschule und Geschichts- und Museumsverein vor rund 20 Zuhörern im alten Rathaus beleuchtet.
Anlass für die Recherchen des aus Sackenbach stammenden Lokalhistorikers war nach eigenen Worten ein doppeltes Jubiläum 2021: der 100. Todestag von König Ludwig III. und der 200. Geburtstag von Prinzregent Luitpold. Die Corona-Pandemie sorgte für die Verzögerung des Vortrags bis jetzt.
Der erste bayerische König Max I. Joseph (seit 1799 Kurfürst und Herzog von Bayern, König von 1806 bis 1825, ursprünglich von Napoleons Gnaden) war nie in Lohr. Sein kunstsinniger Sohn Ludwig I. (reg. 1825 bis 1848) hielt sich im Sommer gerne in Aschaffenburg auf, wo er unter anderem das Pompejanum bauen ließ.
Mit Triumphbogen empfangen
Auf dem Weg an den Untermain kam er mit der Kutsche durch Lohr, weil es die Eisenbahnlinie noch nicht gab. Am 26. September 1826 besuchte er Lohr und wurde am Stadteingang mit einem Triumphbogen empfangen. Er besichtigte das Steinsche Eisenwerk (heute Rexroth) und veranlasste die Produktion von 40.000 Blechtafeln für das Dach des Kurhauses in Bad Brückenau, wo er immerhin 26 Mal war.
Nach der Abdankung eröffnete er am 24. März 1855 den Reigen der Kurzaufenthalte am Bahnhof, der erst im Jahr zuvor in Betrieb gegangen war. Diese liefen immer nach einem ähnlichen Muster ab. Die örtlichen Honoratioren, Beamte, Schulkinder und Bürger marschierten auf und huldigten untertänigst den Monarchen, auch den abgedankten. Jubelarien in der örtlichen Presse folgten.
Auch Ludwigs Sohn Max II. (reg. 1848 bis 1864) und sein Enkel, "Märchenkönig" Ludwig II. (reg. 1864 bis 1886), kamen mit dem Zug. Max II. blieb der einzige bayerische König, der in Lohr übernachtete: am 30. Juni 1860 im Hotel Gundlach (heute Zur Krone). Otto (formal König von 1886 bis 1916) war geisteskrank und wurde auf Schloss Fürstenried unter Verschluss gehalten, weswegen er nicht nach Lohr kam und die Prinzregentenzeit in Bayern begann.
Prinzregent Luitpold (reg. 1886 bis 1912) war über 50 Mal zur Jagd im Spessart und fuhr üblicherweise mit dem Zug über Lohr nach Marktheidenfeld und von dort mit der Kutsche nach Rohrbrunn in sein Jagdschloss. Sein Sohn Ludwig III. (1912 bis 1913 Prinzregent, dann bis 1918 König) war der letzte Wittelsbacher Monarch in Lohr: am 12. Mai 1917, ganze acht Minuten am Bahnhof.
Namen zurückgelassen
In Lohr zurückgelassen haben einige Wittelsbacher ihre Namen. So ist die Ludwigstraße nach Ludwig I. benannt, weil zu seiner Zeit die Stadt ihre mittelalterlichen Grenzen sprengte, Teile der Stadtmauer und alte Stadttore abgerissen wurden. Die Gärtnerstraße hat ihren Namen von Ludwigs Architekten Friedrich von Gärtner, von dem die Pläne für das heutige Polizeigebäude stammten.
Prinzregent Luitpold hat dem 1901 eröffneten Luitpoldheim den Namen gegeben. Die frühere Lungenheilanstalt ist heute das Hotel Franziskushöhe. Im Juli 1914 wurde das Maria-Theresien-Heim in Sackenbach eröffnet, heute Konzernzentrale von Bosch Rexroth. Maria Therese war die Ehefrau von Ludwig III.
Einige gebürtige Lohrer hatten nähere Kontakte zu den Wittelsbacher Monarchen. Architekt und Bauingenieur Franz Jakob Kreuter (1813 bis 1889) baute für Max II. die Villa auf der Roseninsel im Starnberger See und leitete die Wiederherstellung des Residenztheaters in München.
Lorenz Scherg (1864 bis 1938) war Forstmeister von Ludwig III. in dessen westungarischen Waldbesitz, den seine Frau Maria Therese, eine Habsburgerin, mit in die Ehe gebracht hatte. Referent Walter räumte mit der Legende auf, der abgedankte Ludwig III. wäre bei der Rehbockjagd am 18. Oktober 1921 in Schergs Armen gestorben.
Im Schloss gestorben
Richtig ist laut Walter vielmehr, dass Ludwig III. am Ende einer von Scherg organisierten, aber erfolglos gebliebenen Jagd auf einen besonders prächtigen Rehbock mit heftigen Schmerzen zusammenbrach, womöglich infolge einer akuten Magenblutung. 18 Tage später starb er auf seinem Schloss Nádasdy in Sárvár.