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Thüngen
Weltmarktführer Herbert Birnbaum: 75 Jahre Gärkörbchen aus Thüngen
Gärkörbchen aus Thüngen für den Weltmarkt. Der Marktführer aus dem kleinen Ort in Unterfranken beliefert derzeit Kunden aus 62 Ländern weltweit.
Foto: Wolfgang Heß | Gärkörbchen aus Thüngen für den Weltmarkt. Der Marktführer aus dem kleinen Ort in Unterfranken beliefert derzeit Kunden aus 62 Ländern weltweit.
Wolfgang Heß
 |  aktualisiert: 28.07.2024 02:42 Uhr

15 Mitarbeiter produzieren derzeit Gärkörbchen für Brote, die weltweit etwa 2400 Kunden in 62 Ländern schätzen. Chefin Maria Birnbaum-Kaiser stellt zufrieden fest: "Wir sind der Weltmarktführer". Eigentlich begann alles schon im Jahre 1847. Herrmann Birnbaum fertigte Brotformen aus Stroh und Binsen in Wermsdorf bei Leipzig. Neffe Ernst Birnbaum verwendete Anfang 1900 Holz für den Boden und schnitzte Logos in das Holz. Standorte in Leipzig und später Antwerpen und im heutigen Polen kamen dazu. Doch mit dem Krieg änderte sich alles für die Familie. 1948 kam Herbert Birnbaum nach Thüngen und musste von vorne beginnen. Mit dem "Kopfgeld", einem geliehenen Fahrrad, Erfahrung und mit viel Willen. Er mietete Räume am Bahnhof in Thüngen und produzierte Gärkörbchen.

1954 zog Birnbaum an den heutigen Standort in die Augasse um. Zunächst wurde in ehemaligen Flüchtlingsbaracken gearbeitet, bevor Massivbauten dazu kamen. Die Produktionsmethoden wurden mit Hilfe der örtlichen Firma Lösch verbessert. Seit etwa 1908 werden die Brotformen überwiegend aus Peddigrohr hergestellt. Dieser Rohstoff ist äußerst haltbar, kann gut gereinigt werden und besitzt alle gärtechnisch notwendigen Eigenschaften. Etwa eins bis sechs Meter lang und zwischen 8 und 10 Millimeter stark ist das Peddigrohr, wenn es in Thüngen eintrifft. Es wird vorwiegend aus Malaysia, Indonesien und von den Philippinen per Schiff importiert. Es stammt von der Rattanpalme, einer lianenartigen Dschungelrebe, die Luftwurzeln im tropischen Regenwald bildet. Der Boden der Körbchen ist überwiegend aus Erlenholz, in welchen mit Hilfe von CNC-Maschinen beliebige Gravuren gefräst werden können. Diese Gravuren bilden sich auf dem Brot ab. Die Erlenbretter importiert Birnbaum aus Polen, sie lagern dann noch etwa zwei Jahre im Betrieb.

1964 kam die Bäckereitechnik ins Spiel

Rattan wächst schnell und kann ohne Zusatzstoffe verarbeitet werden. Das ist für den Kontakt mit Lebensmitteln wichtig. Es wird über mehrere Stunden gewässert. Dann wird es auf den Holz- oder Peddigboden von einem Mitarbeiter in Handarbeit geformt und festgetackert. 1964 kam die Bäckereitechnik ins Spiel. Herbert Birnbaum entwickelte einen Brot- und Gebäcksprüher, so wie er heute an nahezu jedem Backofen hängt. Reinigungsmaschinen und Spezialbürsten kamen dazu. Als Alternative zum Rattankörbchen wurden für Märkte, in welche kein Holz oder Rattan verwendet werden darf, von Wolfgang Birnbaum in Zusammenarbeit mit dem Thüngener Unternehmen Fluri-Plast zusätzlich Gärkörbchen aus Kunststoff entwickelt. Die Formen aus Polypropylen machen heute einen Anteil von etwa 40 Prozent am Umsatz aus.

Nach dem frühen Tod von Wolfgang Birnbaum übernahm dessen Frau Maria im Januar 2012 die Geschäftsführung. Es folgte eine tiefgreifende und ständige Erneuerung des Unternehmens. Gemeinsam mit ihrem zweiten Mann Ralf Kaiser wurden das Areal, die Gebäude und Maschinen erneuert und Abläufe verbessert. Birnbaum ist seit 2011 eine eingetragene Marke, online sehr präsent, nach ISO 9001 zertifiziert und erfüllt die Vorgaben zum EMAS Umweltmanagement.

Verdienste um die mainfränkische Wirtschaft

Etwa 700 verschiedene Typen und Größen an DGUV-Test "hygienegeprüften Gärformen" bietet Birnbaum an, davon ist etwa die Hälfte für Gravuren geeignet. Brote von 250 Gramm bis 8 kg finden darin Platz. Rund, lang, oval, eckig, Baguette, Teller, Raute, Dreieck, Herz, Zwilling, Drilling – sehr viele Formen sind möglich. Etwa 1.000 Stück werden pro Woche produziert. Nach einer Anlernzeit von etwa sechs Monaten fertigt ein Mitarbeiter im Schnitt 50 Körbchen pro Tag. Die besonderen Verdienste der Birnbaum GmbH um die mainfränkische Wirtschaft würdigte Udo Albert, Bereichsleiter Weiterbildung, zum Jubiläum mit der Ehrenurkunde der IHK Würzburg-Schweinfurt. Thüngens Bürgermeister Lorenz Strifsky ist stolz darauf, eine erfolgreiche Firma im Ort zu haben, die Arbeitsplätze bietet und mit Steuern die Gemeindekasse stärkt.

Nah am Produkt und der Fertigung: Maria Birnbaum-Kaiser kennt sich mit den Maschinen in der Produktion aus. Hier wird das Peddingrohr auf den Erlenboden geschossen. (Archivbild Wolfgang Heß)
Foto: Wolfgang Heß | Nah am Produkt und der Fertigung: Maria Birnbaum-Kaiser kennt sich mit den Maschinen in der Produktion aus. Hier wird das Peddingrohr auf den Erlenboden geschossen. (Archivbild Wolfgang Heß)
Nah am Produkt und der Fertigung: Maria Birnbaum-Kaiser kennt sich mit den Maschinen in der Produktion aus. Hier wird das Peddingrohr auf den Erlenboden geschossen.  (Archivbild Wolfgang Heß)
Foto: Wolfgang Heß | Nah am Produkt und der Fertigung: Maria Birnbaum-Kaiser kennt sich mit den Maschinen in der Produktion aus. Hier wird das Peddingrohr auf den Erlenboden geschossen. (Archivbild Wolfgang Heß)
Der Boden der Gärkörbchen besteht zumeist aus Erlenholz. Mit Hilfe von einem CAD-Programm werden vielfältige Motive entwickelt, in den Erlen-Boden gefräst und sind so nach dem Backen auf dem Brot sichtbar.
Foto: Wolfgang Heß | Der Boden der Gärkörbchen besteht zumeist aus Erlenholz. Mit Hilfe von einem CAD-Programm werden vielfältige Motive entwickelt, in den Erlen-Boden gefräst und sind so nach dem Backen auf dem Brot sichtbar.
Zwischen Rattan und Körbchen: Hier in der Produktion wird das Rattan auf den Boden geschossen.
Foto: Wolfgang Heß | Zwischen Rattan und Körbchen: Hier in der Produktion wird das Rattan auf den Boden geschossen.
Zwischen Rattan und Körbchen: Hier in der Produktion wird das Rattan auf den Holzboden geschossen. Das alternative grüne Gärkörbchen aus Kunststoff lässt Birnbaum bei Fluri-Plast in Thüngen produzieren.
Foto: Wolfgang Heß | Zwischen Rattan und Körbchen: Hier in der Produktion wird das Rattan auf den Holzboden geschossen. Das alternative grüne Gärkörbchen aus Kunststoff lässt Birnbaum bei Fluri-Plast in Thüngen produzieren.
Ralf Kaiser (Birnbaum GmbH), Bürgermeister Lorenz Strifsky und Maria Birnbaum-Kaiser freuen sich über die Ehrenurkunde der IHK, die Udo Albert (Bereichsleiter Weiterbildung) überreichte.
Foto: Wolfgang Heß | Ralf Kaiser (Birnbaum GmbH), Bürgermeister Lorenz Strifsky und Maria Birnbaum-Kaiser freuen sich über die Ehrenurkunde der IHK, die Udo Albert (Bereichsleiter Weiterbildung) überreichte.
In Kooperation mit dem Thüngener Unternehmen Fluri-Plast hat Birnbaum Gärkörbchen aus Kunststoff entwickelt. Sie werden in Märkte geliefert, in denen Kunststoff anstelle von Holz und Rattan gefordert ist.
Foto: Wolfgang Heß | In Kooperation mit dem Thüngener Unternehmen Fluri-Plast hat Birnbaum Gärkörbchen aus Kunststoff entwickelt. Sie werden in Märkte geliefert, in denen Kunststoff anstelle von Holz und Rattan gefordert ist.
Damit das Rattan verwendet werden kann, muss es zunächst gewässert werden.
Foto: Wolfgang Heß | Damit das Rattan verwendet werden kann, muss es zunächst gewässert werden.
Der Rohstoff für Gärkörbchen: Rattan aus dem tropischen Regenwald. Etwa sechs Meter lang und zwischen 7,7 und 9,5 Millimeter stark ist das Peddigrohr, wenn es in Thüngen eintrifft. 
Foto: Wolfgang Heß | Der Rohstoff für Gärkörbchen: Rattan aus dem tropischen Regenwald. Etwa sechs Meter lang und zwischen 7,7 und 9,5 Millimeter stark ist das Peddigrohr, wenn es in Thüngen eintrifft. 
 
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  • Anke Weis
    Toll, was wir für Unternehmen in der Region haben!
    Obwohl ich lange Zeit selber Brot gebacken habe und einige Gärkörbchen besitze, kannte ich das Unternehmen nicht.
    Gerne mehr solcher Portraits :)

    Weiterhin viel Erfolg!
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