Die geplante Erweiterung der Gewerbeflächen im Lohrer Süden entwickelt sich zur unendlichen Geschichte. Seit 2007 ist die Stadt bemüht, im Umfeld des OBI-Baumarktes das in Lohr knappe Flächenangebot zu erweitern. Doch seither bereiten die im Untergrund schlummernden Altlasten einiges Kopfzerbrechen.
In den vergangenen zwei Jahren hat die Stadt auf Veranlassung des Wasserwirtschaftsamtes durch ein Fachbüro die Grundwasserströme rund um das Areal „Im Sandfeld“ untersuchen lassen. Ziel war es, herauszufinden, ob von den Altlasten eine Gefahr für die nur wenige hundert Meter entfernten Trinkwasserbrunnen ausgeht.
Nun liegt das Ergebnis der Untersuchung vor. Es gibt weitgehend Entwarnung. Doch die Stadt ist kaum weiter als zuvor. Denn nun muss sie ein weiteres Gutachten abwarten.
„Das ist Wahnsinn“, schüttelte eine reichlich konsternierte Brigitte Riedmann (Freie Wähler) den Kopf, nachdem sie am Montagabend in der Sitzung des Umweltausschusses des Stadtrates von der neuen Entwicklung erfahren hatte. Es scheine so, als „bewegt sich dort die nächsten vier bis fünf Jahre nichts“, sagte Riedmann mit Blick auf die ersehnten Gewerbeflächen.
Dabei hatte die Sitzung zunächst gute Nachrichten gebracht. Überbracht hatte sie Thomas Greubel vom Fachbüro Umwelttechnik Mainfranken: „Im Moment stellt sich für uns keine Gefährdung der Brunnen dar.“
Keine Gefahr
Zu diesem Schluss kam das Fachbüro nach ausführlichen Pumpversuchen und Wasseranalysen. Diese haben laut Greubel gezeigt, dass der auf einer Fläche von knapp 50 000 Quadratmetern im Untergrund schlummernde Abfall durchaus Auswirkungen auf das Grundwasser hat.
Der unterirdische Müllberg aus Bauschutt und Industrieabfall sei teilweise mehr als neun Meter hoch und liege zum großen Teil im Grundwasser, so der Gutachter. Die Folge: Schädliche Stoffe werden ausgewaschen, vor allem aus teerhaltigen Bestandteilen des Abfalls.
Für einige der verschiedenen Bohrstellen ergaben Wasseranalysen daher zum Beispiel erhöhte Arsen- oder Barium-Werte. Am problematischsten war jedoch die Konzentration an polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK).
Hier seien die Werte bei einzelnen Proben so hoch gewesen, dass eine Sanierung der Altlastenablagerung erforderlich geworden wäre, jagte der Gutachter den Räten einen gehörigen Schrecken ein, um diesen sogleich wieder wegzupusten: Das Grundwasser strömt in dem Bereich vom Wombacher Waldrand Richtung Main, also nicht in die Richtung, in der die Trinkwasserbrunnen liegen. Deswegen, so Greubel, könne man Entwarnung geben.
Selbst bei starken Pumpversuchen an den Brunnen seien die Grundwasserströme nicht so umgeleitet worden, dass Schadstoffe aus den Altlasten in Richtung Brunnen geflossen seien. Lediglich im Oktober 2011 habe es einen Ausreißer bei den Messwerten gegeben. Damals habe sich die Fließrichtung des Grundwassers plötzlich um 90 Grad gedreht und in Richtung der Brunnen geführt. Dies habe sich in erhöhten Barium-Werten an der den Brunnen zugewandten Messstelle geäußert. Als mögliche Erklärung führte Greubel an, dass damals die Grundwasserstände aufgrund längerer Trockenheit extrem niedrig gewesen seien.
Die Freude der Räte über das aus Sicht der Stadt positive Gutachten Greubels verflog schlagartig, als sie erfuhren, dass bereits ein weiteres Gutachten in Arbeit ist. Dieses haben die Lohrer Stadtwerke und die Fernwasserversorgung Mittelmain in Auftrag gegeben. Hintergrund hierfür ist die nötig gewordene Neuausweisung eines Wasserschutzgebietes um die Brunnen zwischen Wombach und Rodenbach.
Wasserwirtschaftsamt wartet
Das Wasserwirtschaftsamt werde wohl auch noch dieses Gutachten abwarten, bevor es eine Entscheidung treffe, erklärte Greubel. Es sei unmöglich, zu sagen, wie es nun zeitlich weitergehen könnte, sagte der städtische Umweltbeauftragte Manfred Wirth. Umso mehr gelte dies, wo doch nach der Untersuchung der unterirdischen Wasserströme auch noch untersucht werden müsse, wie sich die Altlasten im Untergrund auf den Menschen auswirken könnten. Und schließlich gebe es auch noch ein Verfahren zur Hochwasserfreilegung.
„Es liegt nicht an der Stadt“, sagte schließlich Bürgermeister Ernst Prüße, der von einer „absolut unbefriedigenden Situation“ sprach. Die Stadt könne nur das abarbeiten, was ihr von Behördenseite auferlegt werde.