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Lohr
Weinwirt Matthias Mehling steigt um: Dreirad statt Auto
Ein Gastronom ohne Auto? Einkaufen für die Küche und den Müll zum Entsorger bringen? Geht das?Weinwirt Matthias Mehling aus Lohr probiert es aus und stellt fest: Es geht!
Weinwirt Matthias Mehling mit seinem Lastenfahrrad und Anhänger.
Foto: Roland Pleier | Weinwirt Matthias Mehling mit seinem Lastenfahrrad und Anhänger.
Roland Pleier
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:11 Uhr

Matthias Mehling hat jetzt umgesetzt, was ihn seit Jahren schon beschäftigt: Der Lohrer Gastronom ist jetzt nur noch mit dem Fahrrad oder mit dem Zug unterwegs. Für Transportfahrten hat sich der 50-Jährige ein dreirädriges Pedelec und einen Anhänger angeschafft. Nach einer dreimonatigen Testphase hat er festgestellt: Es geht! Sein Auto hat er vor einer Woche verkauft.

Das Weinhaus, in dem sich Matthias Mehling Verantwortung und Arbeit mit seinem Bruder Michael Mehling teilt, kennt jeder Lohrer: Es liegt mitten in der Stadt, direkt neben dem Alten Rathaus am Marktplatz. Sein Auto parkte Mehling bislang in einer Garage hinter dem Anwesen. Dort steht stattdessen – neben seinen beiden Mountainbikes – ein Lastenrad nebst Anhänger.

Was der Bord-Computer verriet

Einen ersten Anstoß für seine Entscheidung erhielt er schon bei seinem vorletzten Auto. "Herr Mehling, Sie kämen günstiger weg, wenn Sie sich ein Taxi nähmen",  machte ihn sein Service-Berater nach einem Blick auf den Kilometerzähler aufmerksam. Das stimmte Mehling nachdenklich. Tatsächlich nutzte er sein Auto fast nur für familiär und geschäftlich bedingten Fahrten nach Sendelbach und ins Industriegebiet. Im Schnitt war er dabei mit Tempo 27 unterwegs, verriet ihm sein Bord-Computer.  Nach knapp acht Jahren hatte sein Touran gerade mal 37.000 Kilometer auf dem Tacho – Urlaubsfahrten inklusive.

Mehling machte sich schlau, guckte sich ein Zugfahrzeug der holländischen Firma Bakfiets aus. Doch das würde nicht genügen, um all die Abfälle, die in einem Weinhaus anfallen, zum Entsorgungsunternehmen zu fahren. Da Bakfiets nur kleine Hänger anbietet,  sah sich Mehling nach Alternativen um.

Weinwirt Matthias Mehling beim Beladen: auf dem Hänger haben acht Kisten mit Leergut Platz. In der Ladekiste am Fahrrad bringt er bequem Kartonagen und Weißblech unter.
Foto: Roland Pleier | Weinwirt Matthias Mehling beim Beladen: auf dem Hänger haben acht Kisten mit Leergut Platz. In der Ladekiste am Fahrrad bringt er bequem Kartonagen und Weißblech unter.

Der Hänger ist grad mal ein Jahr auf dem Markt

Fündig wurde der 50-Jährige bei einem fünfköpfiges Startup-Unternehmen aus Freiburg, der Carla Cargo Engeneering GmbH. Gerade mal ein Jahr ist es her, dass diese Firma gegründet wurde und mit der Serienproduktion begann. Jetzt war der Punkt für Mehling erreicht: "Die Zeit ist reif", sagte er sich, investierte rund 5000 Euro und parkt in der Garage jetzt nicht mehr sein Auto, sondern sein Lastenrad nebst Hänger.

Mit der Box ist es über zwei Meter lang. Bis zu 100 Kilogramm kann man vorne einladen, auf den Gepäckträger nochmal 50 Kilo. Der Motor bringt eine Nennleistung von 250 Watt. Den Akku nimmt Mehling ab und lädt ihn in der Wohnung. Nach längstens vier Stunden ist er wieder voll geladen. In den Anhänger stapelt Mehling acht hohe Euroboxen mit Leergut, deckt sie mit einer Plane ab, die er mit Zurrgurten befestigt.

Insgesamt 300 Kilogramm Transportkapazität

Der Hänger ist mit Deichsel nochmals gut zwei Meter lang und für 150 Kilo zugelassen. Die Auflaufbremse sorgt einerseits für Sicherheit für den Fahrer, ist andrerseits aber auch das einzige Problem, das Mehling ausgemacht hat: Sie wird auch aktiviert, wenn er rückwärts rangieren wollte. Mehling muss also zusehen, dass er immer einen genügend großen Wendekreis hat, ansonsten wird's umständlich. "Ein bisschen – mittel – voll" übersetzt er die drei Unterstützungsstufen "low – medium – high", die er für den Elektromotor anwählen kann.

Mehr Platz als in den beiden Ladeboxen hatte sein Touran auch nicht, sagt Mehling. Vorbei sind die Zeiten, in denen der Geruch von bereits entsorgten gelben Säcken noch im Auto waberte. Große Besorgungsfahrten muss er eh nicht unternehmen: Das meiste, was in der Weinstube benötigt wird, wird geliefert. Was nicht geliefert wird, bestellt Mehling am Montag per Fax beim Lebensmittelhändler in Sendelbach und holt es tags darauf in großen Gemüsekisten ab. "Bisher hab ich meist alles vorne rein gekriegt", so Matthias Mehling.  

Für ihn sei diese Lösung gut, sagt er. "Ich hab zwar viel Volumen zu transportieren, aber das nicht weit." Glasflaschen, Kartonagen, Weißblech - "es läppert sich". Auch privat ist er überwiegend in nahe gelegenen Stadtteilen unterwegs – dafür nimmt er sein Mountainbike. "Ich hab' wirklich nur verdammt kurze Wege ..."

Matthias Mehling: "Das ist mein Beitrag zum Klimaschutz"

Ob es sich auch wirtschaftlich lohnt, war zweitrangig für seine Entscheidung, hat er gar nicht durchgerechnet. "Das ist mein Beitrag zum Klimaschutz", sagte er sich und entschied: "Ich probier's einfach mal aus." Wobei er nicht ausschließen will, dass er sich zumindest für den Winter wieder ein Auto zulegt. "Wenn es zeitig genug 'rauskommt", käme dafür ein Microlino in Frage – ein Elektro-Kleinstwagen, der an eine BMW Isetta erinnert, produziert von einem Schweizer Startup-Unternehmen. 

 
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  • flyarcus@gmx.de
    ....naja.....das bisschen hätte er auch mit einem Handkarren wegbringen können, dann bräuchte er keine umweltschädlichen Akkus und der Strom aus der Steckdose muss ja auch erst mal produziert und transportiert werden.....für mich reine Heuchelei!
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  • xyz123
    Ach ja, Nörgler gibt es immer wieder. Bitte Herr Mehling lassen Sie sich nicht entmutigen. Ich find`s gut !
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  • jebusara@web.de
    Pedelec.... so ganz ohne Hilfe gehts wohl doch nicht. Und wie werden die Akkus hergestellt und wo entsorgt?
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  • steffen.cyran@freenet.de
    Oh ja, ein ganz toller Hecht: Zitat: "Das meiste, was in der Weinstube benötigt wird, wird geliefert".

    Genau. Mit dem 7,5-Tonnen-LKW
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  • Arcus
    Super. Der Gastwirt zeigte wie’s geht.
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