Das weite Themenfeld der Gesundheitsversorgung auf dem Land beackerten am Montagabend in einer fast dreistündigen Gesprächsrunde acht Teilnehmer auf dem Podium und rund 70 Zuhörer im Marktheidenfelder Pfarrheim. Eingeladen vom Landtagsabgeordneten und Hafenlohrer Bürgermeister Thorsten Schwab, der auch moderierte, ging es um allgemeine Fragen wie den fehlenden Ärztenachwuchs, aber auch um Konkretes wie die Nachnutzung des Marktheidenfelder Krankenhauses. Unter anderem diese zwei Erkenntnisse konnten die Zuhörer mit nach Hause nehmen: Die Stadt Marktheidenfeld ist zu vielem bereit, um ein Ärztehaus zu realisieren, und der Weg der Zentralisierung des Klinikums Main-Spessart am Standort Lohr wird konsequent weiter beschritten.
Auf dem Papier überversorgt, aber viele ältere Ärzte wollen aufhören
„Wenn ich in die Zukunft schaue, mache ich mir große Sorgen. Viele ältere Ärzte im Bereich Marktheidenfeld suchen händeringend einen Nachfolger“, brachte Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder das Hausärzte-Dilemma zur Sprache. Dilemma deshalb, weil der Bereich Marktheidenfeld gegenwärtig als überversorgt gilt, wie Dr. Christian Pfeiffer von der KVB bestätigte. Dies liegt an der von der Bundespolitik festgesetzten Hausarzt-Quote, die die Ärztezahl pro Einwohner zählt, nicht aber berücksichtigt, wie viele Patienten der einzelne Arzt hat. Pfeiffer: „Solange sich niemand traut, seine Praxis ohne Nachfolger zu schließen, sinkt die Quote nicht.“
Wäre es da nicht besser, diese Quote abzuschaffen, fragte Thorsten Schwab. „Im ländlichen Raum wäre das kein Problem“, meinte Pfeiffer. Eine Lösung verspricht dies allerdings noch nicht, denn die allgemeine Crux ist: Es sind nicht genug Ärzte da. Bundesweit kommt jährlich nur etwa die Hälfte der Zahl der ausscheidenden Mediziner nach. So sei etwa in Lohr die Quote niedriger, dass sich Ärzte niederlassen könnten – doch, so Pfeiffer: „Wir finden niemanden, der nach Lohr gehen will.“
Dienstbelastung ist ein wesentliches Kriterium für junge Ärzte
Dass im Bereich der Allgemeinmediziner neue Wege beschritten werden müssen, das machte auch Dr. Johannes Kromczynski deutlich. „Man muss mit den jungen Kollegen Modelle entwickeln, anders werden wir keinen Nachwuchs finden“, sagte er und meinte damit: bessere Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf. Die Dienstbelastung sei ein wesentliches Kriterium, weshalb auch die Kassenärztliche Vereinigung auf zentrale Bereitschaftspraxen setzt, die wie in Lohr an Krankenhäusern mit Notfallambulanzen angesiedelt sind. Auch die Hürden für Medizin-Interessenten seien zu hoch, ergänzte Hannes Schaefer aus Kreuzwertheim. Bei 1,0 liegt der Numerus Clausus für einen Medizin-Studienplatz in Würzburg derzeit. Wer den nicht hat muss oft lange warten. 13 Semester waren es in seinem Fall. Überhaupt gebe es zu wenige Studienplätze für Ärzte.
Auf die Bemühungen der Politik, Einfluss auf den Ärztemangel zu nehmen, wies Gesundheitspolitiker MdL Sandro Kirchner hin. Er erwähnte finanzielle Förderungen, Stipendien, die Diskussion über eine Landarztquote. Auch im Bereich Pflege gebe es entsprechende Anstrengungen der Politik, so Kirchner in der weiteren Diskussion.
Nachnutzungskonzept für Marktheidenfeld noch vor der Sommerpause beschließen
Bürgermeisterin Schmidt-Neder zeigte sich zuversichtlich, dass der Kreistag noch vor der Sommerpause ein Nachnutzungskonzept für das Krankenhaus in Marktheidenfeld beschließen werde. Sie wünscht sich dort auch ein Ärztehaus und das Angebot für ambulantes Operieren. Aber sie sagte auch: „Wenn Ärzte zu uns kommen und sagen: Bürgermeisterin, bau was im Stadtzentrum, auch dann sind unsere Türen offen.“ Dass die Lage des Krankenhauses draußen am Baumhof für den ambulanten Bereich ein Problem ist, das bestätigte Kromczynski – da bräuchte man schon einen Shuttleservice, meinte er.
Aus seinen Ausführungen und jenen des Klinikreferenten Gregor Bett ging, auch wenn es nicht konkret benannt wurde, hervor, dass sich der Zellinger Arzt wohl Gedanken über Marktheidenfeld macht. Kromczynski ist einer der Mitgestalter der „Gesundheitszentrum Karlstadt GmbH“, die am ehemaligen Krankenhaus ein ambulantes Gesundheitszentrum realisieren will. Dort seien die Voraussetzungen jedoch andere: Die Lage sei besser und die Bereitschaft der Ärzte, sich einzubringen, sei da. Wie das im Raum Marktheidenfeld aussehe, das könne er aktuell nicht sagen.
Klinikreferent Bett versicherte ein weiteres Mal, dass am Krankenhaus Marktheidenfeld bis zum Umzug ins Lohrer Klinikum – also frühestens 2023 – 60 Akut- und 45 Rehabetten bleiben. Die Alten- und Krankenpflegeschule, so Bett auf eine Frage, werde darüber hinaus Bestand haben. Da gebe es die Zusicherung der Gesundheitsministerin. Für die Zukunft des Krankenhauses in Marktheidenfeld gebe es einen Stufenplan, von denen eine die ambulante Versorgung sei.
Standort Marktheidenfeld hatte seine Schwächen
Zum Standort Marktheidenfeld sagte Chirurgie-Chefarzt Dr. Andreas Fleischmann: „Qualität aus ärztlicher Sicht ist eine andere, als die, die Sie vielleicht als Patient sehen.“ Man habe hier viele Konsiliarärzte einsetzen müssen. „Die Ergebnisse waren nicht immer gut.“ Auch habe Marktheidenfeld in manchen Bereichen den Anforderungen der Berufsgenossenschaft nicht genügt. Zudem konnten Patienten in der Notaufnahme „nicht so versorgt werden, wie es sein sollte“. In Lohr setze man auf Spezialisierung und Qualität. Fleischmann: „Wir sind hier medizinisch auf einem super Weg und werden auch gut angenommen.“
Die Auslastung liegt laut Klinikreferent Bett derzeit bei rund 70 Prozent. Engpässe habe es während der Grippewelle im Frühjahr gegeben. Während der fast zwei Millionen Euro teuren Ertüchtigung beim Brandschutz hätten zeitweise Stationsbereiche schließen müssen. Das sei nun überstanden. Dass es zu Spitzenzeiten in der Notaufnahme Wartezeiten gebe, räumte Bett ein. Doch auch hier sei man auf dem richtigen Weg. Gegenwärtig werde mit der KVB eine Studie erstellt, zu welchen Zeiten die Patienten kommen, um Anforderungen personell besser begegnen zu können.
Zum Ausgangspunkt der Diskussion zurück führte der Appell von Kreuzwertheims Bürgermeister Klaus Thoma: „Wir brauchen eine wohnortnahe hausärztliche Versorgung mit Praxen in der Fläche.“ Die Antwort von Dr. Kromczynski ernüchterte: „Das ist die Theorie. Die Praxis sieht so aus, dass wir keine Mediziner haben – das ist traurig, aber wahr.“
Gesprächsrunde zur ärztlichen Versorgung
Fach- und sachkundige Gesprächsteilnehmer hatten sich am Montagabend im Marktheidenfelder Pfarrheim St. Laurentius eingefunden, um über die ärztliche Versorgung in der Region zu diskutieren. Nicht nur am Podium, sondern auch im Saal saßen viele, die im Themenfeld Gesundheit seit langem daheim sind: Ärzte, Apotheker, Beschäftigte von medizinischen Einrichtungen und Kommunalpolitiker, darunter auch die Bürgermeister der Kommunalen Allianz im Marktheidenfelder Raum.
Das Podium, an dem der CSU-Landtagsabgeordnete und Hafenlohrer Bürgermeister Thorsten Schwab konzentriert moderierte war besetzt mit Dr. Christian Pfeiffer (Giebelstadt), Regionalbeauftragter der Kassenärztlichen Vereinigung Unterfranken, der Vorsitzenden der ILE Marktheidenfeld, Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder, dem Landtagsabgeordneten und Gesundheitsausschuss-Mitglied Sandro Kirchner (Premich), dem niedergelassenen Arzt Dr. Johannes Kromczynski (Zellingen), dem Chefarzt der Unfallchirurgie des Klinikums Main-Spessart, Dr. Andreas Fleischmann, Klinikreferent Dr. Gregor Bett und dem angehenden Mediziner Hannes Schaefer (Kreuzwertheim), der ab Juli in der Orthopädie des König-Ludwig-Hauses in Würzburg tätig sein wird. Auf das Podium eingeladen war auch die Marktheidenfelder Initiative „Pro MAR“, doch nahm diese nicht teil. JOS