
Erstmals seit vielen Jahren verfügt die Stadt Lohr wieder über eine große, freie Gewerbefläche. Im Interview sagt Bürgermeister Mario Paul, was mit dem von Bosch Rexroth zurückgekauften, 1,8 Hektar großen Areal im Industriegebiet passieren soll und wie die Stadt weitere Gewerbeflächen schaffen will.
Frage: Herr Paul, wie kam es dazu, dass die Stadt das Areal von Rexroth zurückkaufen konnte?
Mario Paul: Das Unternehmen hat festgestellt, dass aktuell und in absehbarer Zeit kein Bedarf an der Fläche besteht. Wir haben dann in der Folge von unserem schon länger existierenden Rückkaufsrecht Gebrauch gemacht. Das Unternehmen hatte stets großes Verständnis für die Lage der Stadt und wollte dieser die Entwicklungsmöglichkeiten geben, die wir so dringend benötigen.
Hätte die Stadt das Rückkaufsrecht nicht früher ziehen müssen?
Paul: Rexroth ist der mit Abstand größte Arbeitgeber vor Ort und soll es auch bleiben. So, wie Rexroth Verständnis für die Stadt hat, hat die Stadt Verständnis für Rexroth. Das Unternehmen war in einer Umstrukturierung und hat zunächst Klarheit gebraucht. Für uns war es aber wichtig, dass wir nun nach einer doch beträchtlichen Zeit zu einer Entscheidung kommen. Das hat man bei Rexroth verstanden.
Woher nimmt die Stadt das Geld für den Rückkauf der Fläche?
Paul: Aus dem Haushalt.
Dort sind 2018 für den Ankauf von Grundstücken 400000 Euro vorgesehen. Das wird kaum ausreichen.
Paul: Der Kaufpreis wird durch Umschichtungen im Gesamthaushalt gedeckt. Es wird deswegen jedenfalls keinen Nachtragshaushalt geben. Wir mussten uns den Kauf daher auch nicht vom Landratsamt genehmigen lassen.
Seit Jahren sagt die Stadt, dass Bewerber für Gewerbeflächen Schlange stünden. Wie viele Interessenten gibt es konkret?
Paul: Die genaue Zahl weiß ich nicht. Aber alleine mich haben seit der Nachricht, dass wir die Fläche zurückgekauft haben, drei expansionswillige Lohrer Unternehmen direkt angesprochen. Sicher gibt es noch weitere Anfragen.
Wie will die Stadt die Flächen nun vermarkten?
Paul: Wir werden zunächst alle Bewerbungen aufnehmen, auch aktiv Unternehmen ansprechen, von denen wir wissen oder vermuten, dass sie Bedarf haben. Wir wollen die Fläche auch überregional anbieten und überlegen daher, eine Ausschreibung zu machen. Es ist die erste freie Gewerbefläche dieser Größe seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Wir müssen sie optimal im Sinne der Stadtentwicklung nutzen und dürfen da keine Fehler machen.
Wie soll konkret entschieden werden, wer den Zuschlag erhält?
Paul: Der Stadtrat hat erst vor wenigen Wochen Vergaberichtlinien beschlossen. Dabei sind etliche Kriterien gewichtet, beispielsweise Arbeitsplatzanzahl oder Flächenverbrauch. Grundsätzlich streben wir eine Diversifizierung an, wollen Wirtschaftsbereiche ansiedeln, die es in Lohr derzeit noch nicht oder kaum gibt. Medizintechnik wäre eine sehr interessante Sparte. Natürlich spielen auch Wachstumspotenziale eine Rolle. Es handelt es sich um ein Industriegebiet, es sind also Immissionen zulässig. Deswegen sollte dort möglichst produzierendes Gewerbe hin.
Zu den Vergabekriterien gab es die Kritik, dass dadurch ortsansässige Unternehmen kaum eine Chance haben dürften, den Zuschlag zu erhalten.
Paul: Grundsätzlich stehen ortsansässige Unternehmen bei uns in der ersten Reihe. Wir wollen deren Flächenbedarfe befriedigen und Bestandspflege treiben. Aber es ist nicht auszuschließen, dass man bei einer sachlichen Bewertung zu der Entscheidung kommt, dass die Ansiedlung eines von auswärts kommenden Unternehmens für die Stadt insgesamt sinnvoller ist. In solch einem Fall hätte man anhand der Vergabekriterien aber gute Gründe, weswegen man so entschieden hat. Die letzte Entscheidung trifft in jedem Fall der Stadtrat.
Soll die Fläche in einem Stück vermarktet oder für mehrere Betriebe aufgeteilt werden?
Paul: Die wenigsten Erschließungsflächen würde man natürlich benötigen, wenn man es an ein Unternehmen vergeben würde. Es hängt von den Bewerbern ab.
Wann soll sich der erste Betrieb ansiedeln können?
Paul: Im Zweifelsfall geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Wir werden zügig daran arbeiten, wollen aber auch eine gute Ansiedlung hinkriegen, die die Wirtschaftsstruktur der Stadt langfristig stärkt. Eine zeitliche Prognose möchte ich daher jetzt noch nicht abgeben.
Ist denkbar, dass sich auch Rexroth zumindest wieder für einen Teil der Fläche bewirbt?
Paul: Das war bislang in unseren Gesprächen kein Thema.
Die nun vorhandene Fläche dürfte nicht ausreichen, um alle Interessenten zu befriedigen. Wie sieht es mit weiteren Gewerbegebieten aus?
Paul: Es sollen und müssen in den nächsten Jahren weitere Gewerbeflächen folgen. Im Sandfeld im Lohrer Süden verzögern nach wie vor die Altlasten die Bebauung. Aber wir sind dort auf der Zielgeraden. Aktuell wird der Schlussbericht für die Ausweisung eines Wasserschutzgebietes erstellt. Der muss mit den Behörden abschließend bewertet werden. Unsere Erwartung ist, dass eine Bebauung möglich ist, eventuell mit Auflagen. Eine zeitliche Prognose wage ich aber nicht. Aber das Sandfeld ist ganz klar das nächste Ziel.
Wird die Stadt auch die bereits diskutierten Gewerbeflächen an der B26 zwischen Sackenbach und Lindig oder von Steinbach in Richtung Hofstetten weiter verfolgen?
Paul: Wir dürfen nicht nachlassen in der Flächenentwicklung, weil es weiter Bedarf geben wird. Wenn wir keine Flächen anzubieten haben, könnten Unternehmen sich von Lohr dorthin verlagern, wo es Flächen gibt. Das müssen wir unbedingt vermeiden. Es geht um die dauerhafte Leistungsfähigkeit der Stadt. Die Gewerbesteuer ist eine große Einnahmequelle. Wenn wir beispielsweise auch bei freiwilligen Leistungen der Stadt keine Abstriche machen wollen, müssen wir unsere wirtschaftliche Basis weiter stärken. Deswegen müssen wir alle denkbaren Flächen weiter untersuchen. Dass wir dabei verantwortungsvoll vorgehen, haben wir ja nicht zuletzt beim Baugebiet Südlich der Steinfelder Straße gezeigt.
Ein Areal, das schnell nutzbar wäre, ist die ehemalige Gärtnerei Hutzel. Die Stadt hat einen Kauf der rund 10000 Quadratmeter mit Verweis auf knappe finanzielle Mittel abgelehnt.
Paul: Es ist richtig, dass die Stadt für den Ankauf weiterer Flächen aktuell kein Geld zur Verfügung hat. Am Ende ist es natürlich immer eine Frage des Preises, gerade, wenn eine Kreditaufnahme nötig wäre. In solchen Fällen würde die Rechtsaufsicht sicher prüfen, ob der Preis angemessen ist.
Bereits beschlossen hat der Stadtrat, dass sich die Stadt um den Kauf des Geländes des jetzigen Kreiskrankenhauses bemühen soll. Die CSU fordert bereits einen Ideenwettbewerb. Welche Idee haben Sie dazu?
Paul: Das hat noch nicht die höchste Priorität, weil es mindestens noch fünf Jahre dauert, bis das neue Krankenhaus gebaut ist. Aber natürlich handelt es sich um eine 1a-Fläche, die eventuell zusammen mit dem Postareal entwickelt werden muss. Ich denke, dass eine Mischung aus hochwertigem Gewerbe und Wohnen eine gute Lösung wäre. Da wird mir nicht bange, dass uns die Ideen fehlen.