Er war kein Lohrer, aber er kam immer wieder gern nach Lohr zurück. Er stellte hier in den 70er Jahren die Weichen für die erfolgreiche Entwicklung der Lohrer Glashütte. Und ohne ihn gäbe es nicht die Gustav-Woehrnitz-Stiftung, die in den letzten drei Jahrzehnten weit über 2,5 Millionen Euro für wohltätige Zwecke ausgeschüttet hat: Fritz Kalb, der letzte Woche im Westerwald im Alter von 89 Jahren starb.
Kalb hatte 1951 am Lohrer Gymnasium Abitur gemacht, für die Fußballjugend des TSV 1846 Lohr erst gestürmt und später verteidigt. Nach seinen wirtschaftswissenschaftlichen Studien in Würzburg, München und Nürnberg-Erlangen arbeitete der junge Diplom-Volkswirt elf Jahre bei der Lufthansa, zunächst in der Revision und dann als Leiter der Europadirektion. Anfang 1967 kehrte er nach Lohr zurück, wo sein Vater August von 1948 bis 1953 als Direktor in den Spessarter Hohlglaswerken arbeitete, ehe er im Alter von 60 Jahren viel zu früh starb. Als 35-Jähriger wurde Sohn Fritz bereits Mitte März 1967 gleichberechtigter Geschäftsführer zusammen mit Gustav Woehrnitz und Carl Schwind.
Mit Tatkraft, Ideenreichtum und Einfühlungsvermögen musste der junge Manager mit der Geschäftsleitung rasch erhebliche Struktur- und Anpassungsprobleme der Lohrer Glashütte lösen. Gute Kontakte zu den Kunden halfen ihm dabei ebenso wie die vom früheren Betriebsratsvorsitzenden Eugen Heinz gelobte Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmervertretung.
Auch Vertrieb übernommen
Kalb war verantwortlich für die gesamte Verwaltung und übernahm später auch den Vertrieb. So überstand die Glashütte an der Rodenbacher Straße auch Krisenzeiten der Branche gut, weil Kalb Situationen und Entwicklungen schnell erfasste und den Betrieb den Notwendigkeiten des Marktes anpassen konnte. Dazu gehörten auch die Umstellung auf neue Maschinen und Rationalisierungen. In Kalbs Geschäftsführerzeit investierte das Unternehmen rund 50 Millionen Mark und es konnte den Umsatz fast vervierfachen, bevor er das Ruder an seinen Nachfolger Hermann Hadtstein übergab.
Fritz Kalb, der seit Mitte der 60er-Jahre auch der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Würzburg-Schweinfurt angehörte, suchte Anfang der 80er-Jahre eine neue berufliche Herausforderung und wechselte zum 1. Januar 1983 als Vorstand zur Keramchemie in die Nähe von Koblenz und blieb dort bis zur Pensionierung. Dort trauern um ihn seine Frau Beate und drei Kinder, drei Enkel und drei Urenkel. Zur letzten Ruhe geleitet wird er im engsten Familienkreis auf dem Lohrer Friedhof.
Fritz Kalb hat für die Spessarter Hohlglaswerke und die Spessart Glas GmbH, die heute Gerresheimer Lohr GmbH heißt und ganz zur Gerresheimer AG gehört, und für Lohr viel getan. Unter anderem auch zusammen mit seinem Geschäftsführerkollegen Erich Reckziegel.
Die Stadt verdankt Kalb, dem früheren Wirtschaftsprüfer Heinz Breitfeld und Roland Kippes, der 1984 die Pflegschaft des Lohrer Ehrenbürgersohns übernommen hatte, das Zustandekommen der Gustav-Woehrnitz-Stiftung. Sie erinnert an den Gründer der Lohrer Glashütte und ist heute mit fast fünf Millionen Euro dotiert. Viele Jahre musste darum prozessiert werden. Gründer und Miteigentümer Gustav Woehrnitz hatte zwar die Stiftungsabsicht erklärt, aber nicht schriftlich festgelegt.
Nicht locker gelassen
Kurz vor der Unterschrift unter die Stiftungssatzung war Woehrnitz an den Folgen eines Oberschenkelhalsbruchs gestorben. Kalb hatte schon in den 70er-Jahren wegen der Stiftung Gespräche mit Gustav Woehrnitz geführt. Und er ließ nicht locker, bis die Stiftung 1989 ihre ersten Ausschüttungen vornehmen konnte. Der gute Name, den auch die Lohrer Mittelschule trägt, sollte über die mehrfachen Namenswechsel der Glashütte hinweg weitergetragen werden.
Die positive Entwicklung der Stiftung, die unter anderem das Goldene Herz und kirchliche Einrichtungen, die Lebenshilfe und Jugendarbeit von Vereinen unterstützt, ist vor allem ihrem Vorsitzenden Kalb zu verdanken. "Ohne Fritz Kalb gäbe es keine Stiftung, und es hätte nie eine gegeben", sagte einmal Eugen Heinz.
Fritz Kalb führte sie seit ihrer Gründung mit seinem Wissen und seinen Fähigkeiten bis zur Altersgrenze von 75 Jahren. Dann übernahm Bürgermeister Siegfried Selinger die Sprecherrolle im dreiköpfigen Stiftungsvorstand. Der Lohrer Altbürgermeister machte vor drei Jahren seinerseits aus Altersgründen Platz für Grundschulrektor Wolfgang Schmitt.
Vor etwa 20 Jahren war die Satzung dahingehend geändert worden, dass die Stiftung auch im Landkreis Main-Spessart tätig werden könne, vorzugsweise gingen aber die Gelder in den Bereich der Stadt Lohr und den Altkreis Lohr. Viele Einrichtungen und Vereine profitierten seit über 30 Jahren immens von der Unterstützung durch die Woehrnitz-Stiftung.