Angst vor der Schere? – Die Main-Post hat Krawattenträger nach ihren Strategien für den Weiberfasching befragt.
Wolfgang Gmelch, Chef der Polizeiinspektion in Marktheidenfeld, bleibt dieses Jahr verschont. Da er am Tag des Altweiberfaschings im Urlaub ist, findet seine Sekretärin keine Gelegenheit, ihn von seinem Schlips zu trennen. Dieser Brauch wird vorwiegend beim Inspektionsleiter vollzogen und die übrig gebliebenen Krawattenstummel, hängen stolz gerahmt an der Wand.
Da Gmelch immer eine Dienstkrawatte tragen muss, ist er eine beliebte Zielscheibe. Doch der Faschingsfan nimmt es mit Humor. Er erlebe zwar auch Männer, die wütend auf den Schlipsklau reagieren, doch laut Gmelch müsse man ja an diesem Tag keine Krawatte tragen, wenn man den Ärger unbedingt vermeiden will.
Walter Väthjunker, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Marktheidenfeld, verliert öfter Krawatten an Weiberfasching, doch um den Verlust gering zu halten, trägt er stets seine älteste. Verärgert reagiert der Geschäftsmann, der auf Festlichkeiten gerne zu Anzug und Krawatte greift, jedoch nie, denn für ihn stellt der Stummel, der nach dem Abschneiden übrig bleibt, ein typisches Faschingssymbol dar.
An seine erste Begegnung mit der gefürchteten Krawattenschere erinnert sich Väthjunker noch genau, denn ihm war der Brauch vorher nicht bekannt. Im ersten Moment erschrak er zwar, doch das anschließende Gläschen Sekt stimmte ihn milde. An diesem Donnerstag wird frau bei ihm allerdings keine Krawatte finden, da der WG-Vorsitzende unter der Woche keinen Schlips mehr trägt. Als Geschäftsmann sieht er das Abschneiden als „Katalysator für den Krawattenverkauf“, denn die Schlipse müssten ja ersetzt werden.
Markus Baumann, Prokurist und Bereichsleiter für Firmenkunden der Raiffeisenbank Main-Spessart, kennt die Faschingssitte nur zu gut. Doch in der Bank bereitet man sich als Mann geschickt auf den Überfall der Damen vor. Dort arbeiten mehr Frauen als Männer; Widerstand ist nahezu zwecklos. Deshalb suchen die männlichen Kollegen die ältesten Binder aus oder deponieren sogar ein paar zum Wechseln in der Bank. Ein Mitarbeiter, erzählt Baumann, erscheint jährlich im Rollkragenpulli. Wahrscheinlich hat er schon mal eine teure Krawatte verloren.
Richard Oswald, Versicherungsfachmann bei der Allianz Agentur Stegerwald in Marktheidenfeld, kann sich glücklich schätzen: Ihm ist noch keine Dame auf den Schlips getreten. Um den Attacken vorzubeugen, zieht das Lorbsermitglied am Donnerstag erst gar keinen an. Doch Oswald akzeptiert: Wer sich am Altweiberfasching in einer Fasnachtsregion mit einem Binder auf die Straße traut, darf sich nicht über den späteren Stummel wundern.
Dr. Frank Eckert, Notar in Marktheidenfeld, muss gleich zweimal aufpassen. Denn sowohl die Sekretärinnen im Notariat als auch die Rathausstürmer beim jährlichen Neubrunner Amtstag haben es auf seinen Schlips abgesehen. Einmal hat er seine Krawatte schon geopfert. Seine Gegenstrategie: Rollkragenpulli oder Fliege tragen.
Dr. Thomas Grund, Eckerts Notar-Kollege, erscheint morgen definitiv ohne Schlips. Dabei lassen die Damen im Büro durchaus mit sich reden. Bei teuren Krawatten oder denen der Kunden lassen sie die Schere stecken. Als Entschädigung gibt es für sie Gummibärchen oder Leberkäse.
Julius Schmitt, Anzeigenverkaufsleiter der Main-Post in Marktheidenfeld, wurde früher im Außendienst von einer Juniorchefin mit der Schere begrüßt. Seitdem hütet er sich, an diesem Tag mit Schlips zu erscheinen. In der Main-Post hat bisher noch niemand zur Schere gegriffen, dort tragen die Männer an Weiberfasching keine Krawatten.
Schmitt, der Mitglied im Retzstadter Elferrat ist, besitzt zwar über 150 Krawatten, doch opfern möchte er davon keine gern. Schließlich werden selbst die alten irgendwann wieder modern.
Stichwort: Weiberfasching
Die Männer müssen an diesem Donnerstag besonders auf ihre Krawatten aufpassen, denn es ist wieder Altweiberfasching. An diesem Tag ist es seit über 60 Jahren üblich, den Schlips der Männer abzuschneiden. Doch woher kommt dieser bei den Frauen so beliebte Brauch?
Im Kölner Karneval symbolisiert diese Tradition die Entmannung. Da die Frauen am Weiberfasching das Sagen haben, nehmen sie den Männern ihren Schlips und somit ihre Autorität.
TEXT/FOTOS (5): Sophia Meissner