Seit über 20 Jahren strebt die Stadt Lohr den Lückenschluss beim Radweg ins Lohrtal an. Doch das Projekt zog sich bis zuletzt wie Kaugummi, wofür die Stadt so manchen Spott erntete. Nun aber scheint ein Durchbruch gelungen. Das jedenfalls wurde in der Stadtratssitzung am Mittwochabend deutlich. Demnach hat der 2. Bürgermeister Dirk Rieb die vier Wochen, in denen er im Sommer Bürgermeister Mario Paul vertrat, für Grundstücksverhandlungen genutzt, die es in dieser Form zuvor offenbar über viele Jahre hinweg nicht gegeben hatte.
Der Stadtrat beschloss nun einstimmig, noch in diesem Jahr alle Grundbesitzer und Flächennutzer zu einer Infoveranstaltung einzuladen. Dabei sollen die aktuelle Trassenplanung und das weitere Vorgehen besprochen werden. Womöglich könne man sich ja zu Weihnachten über ein "Überraschungsgeschenk" freuen, brachte der CSU-Fraktionsvorsitzende Matthias Schneider die plötzlich herrschende Zuversicht auf den Punkt.
Der Radwegbau ist seit Jahren ein Ärgernis für die Stadträte. Immer wieder schlug das Thema im Gremium auf. Doch so richtig voran ging es nicht. Vor einigen Monaten unkten verschiedene Stadträte gar, dass das Projekt zum Scheitern verdammt sei, weil man nicht alle benötigten Flächen kaufen könne. Bürgermeister Mario Paul indes verwies mehrfach darauf, dass "mit Schlüsselfiguren" unter den Grundbesitzern gesprochen worden sei.
Räte sprachen mit Eigentümern
Auf diese Aussage wollten sich die vom stockenden Fortgang des Radwegprojektes genervten Räte offenbar nicht mehr verlassen. Brigitte Riedmann, die Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, initiierte daher bereits vor Monaten ein interfraktionelles Treffen mit den Grundbesitzern. Dabei wurde deutlich, dass mit vielen Eigentümern noch nie über einen Ankauf der Flächen gesprochen worden war. Ergebnis dieser Erkenntnis war ein im Juli gestellter fraktionsübergreifender Antrag. Mit ihm sollte Bürgermeister Mario Paul dazu aufgefordert werden, unverzüglich in den Dialog mit den Grundbesitzern zu treten.
Am Mittwoch nun war der Antrag Thema im Stadtrat. Doch er hatte sich mittlerweile teilweise überholt. Grund: Bürgermeister Mario Paul war während seines Sommerurlaubs vier Wochen durch seinen Stellvertreter Dirk Rieb vertreten worden. In dieser Zeit führte Rieb Gespräche mit fast allen Grundbesitzern. Das Ergebnis fasste CSU-Mann Schneider nun so zusammen: "Es sieht gut aus."
Neben Lob und Dank für Rieb gab es von den Räten auch mehr oder weniger deutliche Kritik an Paul. "Es zeigt sich, dass Kommunikation elementar ist", kommentierte Christine Kohnle-Weis (SPD) den Vorgang. Sie hoffe, dass es bei den weiteren Verhandlungen in diesem Stile weitergehe, "auch mit Ihnen, Herr Bürgermeister", sagte sie.
"Nicht mit Ruhm bekleckert"
Brigitte Riedmann kritisierte, dass die Verwaltung in Sachen Grunderwerb über Jahre kaum tätig gewesen sei und sich "nicht mit Ruhm bekleckert" habe. Selbst der Kauf des bislang einzigen Grundstücks sei erst auf Druck des Stadtrats erfolgt. Uli Heck (Freie Wähler) forderte, dass sich Bürgermeister Paul künftig persönlich um solche Verhandlungen kümmern müsse. Dies sei für Grundbesitzer eine "ganz andere Kategorie".
Paul selbst bekannte, dass Rieb mit seinen Gesprächen "wertvolle Arbeit geleistet" und die "Zeit für die Stadt sehr gut genutzt" habe. Er versicherte aber erneut, dass der frühere Sachgebietsleiter sehr wohl Verhandlungen mit Schlüsselfiguren geführt habe. Auch er selbst sei "im Gespräch mit Eigentümern", so Paul. Dabei habe er festgestellt, dass es bei den Grundbesitzern noch Informationsbedarf gebe. Diesen, so der Beschluss des Stadtrates, soll das Rathaus nun bis spätestens Mitte Dezember bei einer Infoveranstaltung decken.
Planungsbüro in Verzug
Bis dahin soll auch die Genehmigungsplanung abgeschlossen sein, so jedenfalls die Hoffnung der Räte. Bärbel Imhof (Grüne) forderte, dass man dem Planungsbüro Balling "klarmachen muss, dass wir in die Umsetzung gehen wollen". Paul erklärte, dass er "hoffnungsfroh" sei, dass die Planung bis Ende des Jahres fertig ist. "Das haben wir jetzt schon öfter gehört", erwiderte Imhof.
Der städtische Umweltbeauftragte Manfred Wirth betonte, dass die Planung des für den Eingriff in die Talaue erforderlichen naturschutzfachlichen Ausgleichs längst abgeschlossen sei. Die Trasse sei festgelegt und nicht mehr verrückbar. Die technische Planung des Radweges habe nicht er zu verantworten, sondern das Planungsbüro. Dieses sei jedoch "ein bisschen in Verzug", so Wirth.
Infobox: Verlauf des Radwegs
Der bereits vor vielen Jahren auf Partensteiner Gemarkung fertiggestellte Radweg Richtung Lohr verläuft derzeit ab der "Roten Mühle" auf einem geschotterten Forstweg über eine knackige Steigung hinweg weiter bis zum Eisenhammerweg und von dort nach Lohr. Der von der Stadt seit vielen Jahren angestrebte Lückenschluss im asphaltierten Radwegnetz soll hingegen nahezu ohne Steigungen in der Talaue verlaufen. Die Trasse ist rund 2,4 Kilometer lang. Sie zieht sich von der Roten Mühle bis zum Werk II der Bosch Rexroth AG.
Der Radweg soll auch für landwirtschaftliche Fahrzeuge nutzbar sein, weswegen er 4,5 Meter, im Bereich zweier Brücken gar 6,5 Meter breit werden soll. Für den Bau des Weges werden rund drei Hektar Grund benötigt. Rund ein Hektar davon gehört der Stadt, der Rest ist in Privatbesitz.
Die Kosten für den Wegbau waren auf 1,5 Millionen Euro veranschlagt. Den Großteil der Kosten trägt gemäß einer Vereinbarung mit der Stadt das Staatliche Bauamt Würzburg. Grund ist, dass der Radweg als Anhang der nahen Bundesstraße 276 zu sehen ist.