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Weg aus der Schuldenfalle ist möglich
Main-Spessart Überschuldung kann jeden treffen. Von "A" wie Arbeiter bis "Z" wie Zahnarzt. Wer für Miete, Strom oder Unterhalt nicht mehr aufkommen kann, verliert schnell den Boden unter den Füßen. Licht am Ende des Tunnels kann in vielen Fällen die Schuldner- und Insolvenzberatung am Karlstadter Landratsamt bringen.
Von unserem Redaktionsmitglied Christian Ebinger
 |  aktualisiert: 03.12.2006 22:29 Uhr
Nennen wir sie einfach Renate und Jürgen. Das frisch gebackene Ehepaar zieht nach der Hochzeit zusammen, für Einrichtung und Waschmaschine nehmen sie einen Kredit auf. Dafür sind monatliche Raten fällig, ebenso wie für das auf Pump gekaufte Auto. Als Renate schwanger wird, ist die Freude groß. Kurz vor der Geburt gibt sie ihre Arbeit auf - das Einkommen von Jürgen muss jetzt reichen. Und es reicht auch.

Die Geschichte geht noch weiter: Bei Jürgens Arbeitgeber ist Kurzarbeit angesagt, er arbeitet bis auf weiteres nur noch 25 Stunden pro Woche. Zu allem Überfluss hat er auch noch einen Unfall - der schöne neue Wagen ist Schrott. Jetzt kommt das junge Paar ins Straucheln. Der Druck wächst. Das Geld wird knapp. Das Girokonto ist bis über den Anschlag ausgereizt. Renate und Jürgen wissen nicht mehr, wie sie Miete und Raten noch bezahlen können.

"Es ist nichts Ehrenrühriges, zu uns zu kommen"

Christian Maltry, Schuldnerberater am Landratsamt

Eine frei erfundene Geschichte? Mitnichten, versichert Schuldner- und Insolvenzberater Christian Maltry, der sich seit 15 Jahren am Landratsamt mit der Materie beschäftigt. Im Gegenteil: Den Fall, der an die biblische Gestalt des Hiob erinnert, bezeichnet Maltry als "Klassiker", wenn es um Schulden von Privatleuten geht. Dabei stehen die Aussichten, aus der Schuldenfalle zu kommen, gar nicht so schlecht. Dazu Maltry: "Wenn der Gerichtsvollzieher noch nicht ständiger Gast ist, sieht's gut aus."

Die Schuldnerberatung am Landratsamt steht jedem Bürger in Main-Spessart kostenlos zur Verfügung. "Es ist nichts Ehrenrühriges, hierher zu kommen", beugt Maltry Vorurteilen vor. Er weiß von keiner Berufsgruppe, die nicht schon Beratung in Anspruch genommen hat. 296 Fälle in unterschiedlichen Stadien führt Maltry in den Akten, 100 davon sind im vergangenen Jahr hinzu gekommen. Mindestens fünf bis sieben Prozent aller Haushalte in Deutschland sind überschuldet - Tendenz steigend.

Überlebensfähigkeit sichern

Wenn laufende Verpflichtungen oder der Lebensunterhalt nicht mehr bezahlt werden können, ist ein Erstgespräch bei der Schuldnerberatung sinnvoll. Bei diesem Termin wird eine Budgetanalyse getätigt, die Vermögenswerte aufgenommen und die Verbindlichkeiten festgestellt. Berater und Schuldner erstellen ein Sanierungskonzept. "Ziel ist, die Überlebensfähigkeit der Familie oder Person zu sichern", erklärt Maltry.

Der Schuldnerberater versucht dann, das Sanierungskonzept mit den Gläubigern zu verhandeln. "Es ist immer ein Vorteil, wenn sich eine dritte Seite einschaltet." Außerdem hat sich seit Inkrafttreten des Insolvenzrechts einiges geändert. Habe man früher häufig versucht, für den Schuldner ein Leben an der so genannten Pfändungs-Freigrenze zu erreichen - für Gläubiger war dann nichts mehr zu holen - soll heute eine Entschuldung durch die Verbraucher-Insolvenz (siehe Stichwort) erreicht werden.

Die Vorteile der Verbraucher-Insolvenz liegen für Maltry auf der Hand: Wenn der Schuldner mitspielt, keine Gläubiger verschweigt und sich beim Abzahlen durch Wohlverhalten auszeichnet, kann er nach sechs Jahren einen schuldenfreien Neuanfang wagen, da ihm die Restschulden erlassen werden. Die Verbraucher-Insolvenz kommt für Menschen in Frage, deren Verbindlichkeiten so hoch sind, dass sie diese in einem "vernünftigen Zeitraum" nicht mehr abbezahlen können.

Glück im Schulden-Unglück

Dabei haben Bürgerinnen und Bürger in Main-Spessart noch Glück im Schulden-Unglück. Denn die Verbraucher-Insolvenz ist in Bayern eher eine "theoretische Möglichkeit", wie Maltry betont. Die Förderrichtlinien des Freistaates seien nämlich so restriktiv, dass viele Landratsämter auf die zeit- und personalaufwändige Insolvenz-Beratung verzichten. Dabei ist weiterer Personalbedarf vorhanden, "weil uns die Leute die Bude einrennen".

Aber aus dem zusätzlichen Personal wird so schnell nichts werden, denn der Landkreis nimmt nicht einmal die Förderung des Freistaates in Anspruch. Maltry erläutert die Gründe: "Die Fall-Pauschalen sind viel zu niedrig, außerdem wären wir verpflichtet gewesen, die Insolvenz-Beratung auch für Bürger aus anderen Landkreisen offenzuhalten." Doch das, ergänzt der diplomierte Sozialpädagoge, hätte man mit dem Personalstand beim besten Willen nicht leisten können. "Im Insolvenzbereich sind wir mehr als ausgelastet."

 
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