Es war ein Samstagabend im Juli in Windheim. Sie kamen nichts ahnend nach Hause. Die Mutter geht mit den beiden Kindern noch in den Keller, um nach dem Kater zu sehen, der Vater bleibt oben. Plötzlich hört er ein Mordsgeschrei, eilt er die Treppen hinunter in die Waschküche. Ungläubig staunend steht die Familie des Elektroingenieurs in der Tür: Haben sich doch sage und schreibe sechs Waschbären um den Fressnapf des Katers versammelt, futtern und lassen sich gar nicht stören.
Die Eltern filmen und fotografieren, bevor sie die Bärenschar hinausscheuchen, was gar nicht so leicht ist: Der letzte verlässt den Kellerraum erst, als der Hausherr nachdrücklich wird und ihn mit einem Bambusstock hinausschiebt.
Damit ist die Episode noch nicht beendet: Der Kater meidet seine bisherige Futterstelle, die er durch die Katzenklappe in der Tür erreicht hat, wird nun unter Aufsicht auf der Terrasse versorgt, die Katzenklappe wird verriegelt. Die Waschbären aber haben Geschmack gefunden am Katzenfutter: Sie kommen wieder.
Da borgt sich der Elektroinstallateur bei einem Jäger eine Lebendfalle, die sich dieser selbst gebaut hatte, um einen Marder zu fangen. Und tatsächlich: Einer nach dem anderen folgt dem Geruch des Katzenfutters durch die Katzenklappe und tappt in die Falle. Einen nach dem anderen fährt der Hausherr kilometerweit hinaus in den Wald. Seitdem ist die Waschküche frei von Waschbären.
Das Erlebnis dieser Windheimer Familie ist kein Einzelfall. „Waschbären nehmen in unserem Revier rasant zu“, hielt Vorsitzender Bernd Stahl aus Hafenlohr jüngst in seinem Bericht von der Versammlung der Jagdgenossen fest. Auch andere Anwohner des Hafenlohrtals hätten Bekanntschaft mit den kleinen Bären gemacht, bestätigt der 57-Jährige auf Anfrage der Main-Post.
Er selbst habe sie schon am Mühlbach in Hafenlohr gesehen, auf seinem eigenen Grundstück. In einer schönen Vollmondnacht beobachtete er gar einen Waschbären, der auf dem Dachfirst der nachbarlichen Scheune herumspazierte.
Eimer umgestoßen
Erstmals auf die ungebetenen Gäste aufmerksam geworden ist Stahl aber, weil sein Eimer mit Hühnerfutter umgeworfen war. Dem 57-Jährigen ist auch bekannt, dass die Kleinbären die Isolation in den Dächern zerstören und sich dort einnisten. „Es ist kein großes Problem“, weiß Stahl, „wenn das Zusammenleben zwischen Mensch und Tier richtig organisiert ist.“
Das bedeutet für die Anwohner: Die wilden Tiere auf keinen Fall füttern. Halter von Tieren, die ihre Futterstellen draußen haben, sollten diese nach Möglichkeit abdecken. Stahl achtet jedenfalls darauf, kein Futter mehr offen stehen zu lassen, damit sich die Tiere wieder in den Wald zurückziehen.
Für gewöhnlich sind Waschbären für Menschen relativ ungefährlich. „Sie greifen keine Menschen an, wenn sie nicht bedroht werden“, so Stahl. Zwar weiß der Windheimer Elektroingenieur von einem Jäger, der von einem Waschbären bedroht wurde. Doch habe sich dieser mit Schreien und Armfuchteln vertreiben lassen.
Allerdings können die kleinen Bären neben Tollwut auch andere Krankheiten übertragen: Staupe, eine Viruserkrankung die meist bei Hunden und Mardern auftritt, oder Räude, eine Milbenerkrankung. Trotz allem kommt es für Stahl nicht in Frage, Waschbären zu jagen. Sollten sie überhand nehmen, so ist er sich sicher, würde das die Natur alleine regulieren.
Waschbären
Sie gehören zur Familie der Kleinbären und stammen ursprünglich aus Nordamerika. Um 1930 wurden die Tiere zur Züchtung nach Deutschland gebracht. In Nordhessen hat man das Fell der Bären verarbeitet und sie außerdem bewusst ausgewildert.
Die Kleinbären sind Allesfresser und haben keine natürlichen Feinde. Sie sind dämmerungs- oder nachtaktiv und schlafen tagsüber in Wäldern, Hecken oder Dachsbauten. Außerdem halten sie sich oft an Bachläufen auf, wo sie nach Nahrung suchen. emj