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Karlstadt
Was kann das Lastendreirad? Eine Testfahrt durch Main-Spessart mit Kind
Das Maintal mit seinen steilen Hängen macht es Radfahrenden schwer. Doch die Möglichkeiten wandeln sich. Unsere Autorin erprobte ein E-Lastendreirad mit Kinderkabine.
Wie einfach ist die Fahrt mit dem E-Lastenrad? Ein Selbstversuch.
Foto: Michael Kohlbrecher | Wie einfach ist die Fahrt mit dem E-Lastenrad? Ein Selbstversuch.
Jennifer Weidle
Jennifer Weidle
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:31 Uhr

Lastenfahrräder kommen in Mode: Die Städte Arnstein und Karlstadt haben einige angeschafft, die Bürgerinnen und Bürger ausleihen können. Unsere Mitarbeiterin Jen Weidle, die rund 10 000 Kilometer pro Jahr mit Pedelec und Anhänger zurücklegt, berichtet von einer Testfahrt.

In Karlstadt steige ich auf ein Transportmittel, das vielen noch neu ist. Gekommen bin ich mit meinem 20-Zoll-Pedelec und Kinderfahrrad-Anhänger, zusammen mit meiner vierjährigen Tochter. Wegfahren werden wir mit dem Chike e-kids, das wir die kommenden Tage erproben. Der erste Eindruck: ungewöhnlich bis seltsam. Hinten ein Fahrrad, doch vor dem Lenker befindet sich eine Kabine, darunter zwei Räder; hier können bis zu zwei Kinder mitfahren.

Angetrieben wird das Chike, das 38 Kilogramm wiegt, von einem Elektromotor: fünf Gänge, drei Unterstützungsstufen. Volker Rosenberger, der in Karlstadt einen Fahrradladen mit Werkstatt betreibt, erklärt mir das Chike; das ist auch nötig, denn die vielen Hebel am Lenker machen mich ratlos. Bremshebel und Klingel erkenne ich gerade noch. Schaltung rechts, Unterstützungsstufen-Hebel links, Display in der Mitte. Dann der winzige Feststellhebel für die Bremse – wenn man parkt – und der Hebel für die Neigetechnik. Auf dem Chike fährt man nämlich trotz zweier Räder vorne nicht steif und gerade durch Kurven, sondern in Schräglage, wie bei jedem normalen Rad.

Eine Einweisung ist nötig

Meine Tochter will jetzt endlich Action! Den Einstieg in die Kabine schafft sie kletternd und thront ein gutes Stück über dem Boden. Die Kabine bietet einem Kind mehr als genug Platz und die Fünf-Punkte-Gurte und Sitze machen einen guten und sicheren Eindruck. Wer das Anschnallen in den Kinderfahrrad-Anhängern für zwei Kinder kennt, darf sich freuen. Das Gurtsystem des Chike ist flexibel: kein umständliches Umbauen der Schnallen, um zwischen dem Transport von einem auf zwei Kinder und umgekehrt zu wechseln. Die Kinder haben eine gute Sicht aus den seitlichen Kunststofffenstern der Kabine, an der Front gibt es wahlweise ein Netz gegen Insekten und Schmutz oder ein Kunststofffenster.

Dieses können wir auch bald hart in den Test nehmen. Doch zuerst geht die Fahrt los durch die Stadt. Wie war das nochmal: Motor anschalten, Handbremse lösen, Neigetechnik einschalten, Gang einlegen, Unterstützungsstufe wählen? Oder doch irgendwie andersherum? Das Kind sitzt, ich sitze, das Chike bewegt sich. Wir fahren – weil es keinen Radweg gibt – ein Stück Bundesstraße, dann über die Brücke am Zementwerk. Das Anhalten an der Ampel ist noch etwas wacklig; trotz dreier Räder: Das Chike kann grundsätzlich umkippen. Nun fahren wir in die Fußgängerzone und gönnen uns nach den aufregenden ersten Metern ein Eis. Nach dem Feststellen der Bremse und Blockieren der Neigetechnik steht das Chike bombenfest; komfortabel, dass man nicht nach dem Fahrradständer suchen muss. Das Chike zieht Blicke auf sich: Immer wieder bleiben Passantinnen und Passanten stehen und beäugen das Gefährt.

Knappe zwei Meter und 40 Kilogramm schwer. Das gut gefederte Rad meistert auch grobes Kopfsteinpflaster wie hier in Gemünden
Foto: Jennifer Weidle | Knappe zwei Meter und 40 Kilogramm schwer. Das gut gefederte Rad meistert auch grobes Kopfsteinpflaster wie hier in Gemünden

Die Kabine mit Kind ist zuerst in der Kreuzung

Danach der Regentest. Wie an jedem typischen Sommertag im Jahr 2021 beginnt es stark zu regnen. Mich schützen Regenklamotten, meine Tochter bleibt in der Kabine trocken. Wir sind nun auf dem Mainradweg in Richtung Gemünden. Bei der Fahrt über den für Radfahrende nicht ungefährlichen Parkplatz am Main und die anschließende Kurve vor dem Hotel Mainpromenade wird mir bewusst, dass mein subjektives Sicherheitsempfinden mich nicht trügt. Das Kind in der Kabine ist an unübersichtlichen Kurven bereits auf der Straße, bevor ich etwas sehe. Also ganz langsam in die Kurve tasten. Diese ist schon für normale Radelnde nicht ohne, da man durch die hohe Mauer rechts nichts sieht. 

Weiter geht es zu einem kurzen Stopp am Supermarkt. Wer in der Gemündener Straße einkauft, freut sich über die überdachten Radabstell-Möglichkeiten. Ein Fahrrad mit Anhänger ist leider zu lang und muss auf den Auto-Parkplatz. Das Chike kuschelt sich gerade noch so zwischen die anderen Räder auf den Radparkplatz.

"Mama, das ist viel besser als der Hänger", ruft mein Kind von vorne. Auf hubbeligem Untergrund muss sie manchmal derbe Stöße im Hänger erleiden. Mit dem Chike sind wir schon über Pflaster mit tiefen Rillen auf dem Parkplatz, Wurzeln und Schlaglöcher auf dem Radweg gefahren. Die Federung steckt die Stöße locker weg.

Das Chike entpuppt sich als erstaunlich kurvengängig; es fängt an, Spaß zu machen. In Wernfeld geht es auf den Mainsteg, durch die Pfosten hindurch und dann: Wenden in drei Zügen. Naja, nicht ganz. Der Wendekreis ist groß, dennoch lässt sich das Dreirad mit seinen 192 Zentimetern Länge leichter wenden als ein Fahrrad mit Anhänger.

Zum Abschluss geht's bergauf

In Gemünden dann noch ein Versuch: Der Mainradweg führt uns an der Fußgängerampel in die Innenstadt. Mit dem Anhänger bleibt man auf der Rampe nach der Ampel stecken. Ein 180-Grad-Knick macht Radfahrenden dort das Leben schwer; auch mit dem Chike kapituliere ich und schiebe zurück auf die Straße.

Wer schon mal versucht hat, das Rad in der Bahn mitzunehmen, kennt ein weiteres Problem enger Stellen. Ein Lastenrad, egal ob mit zwei oder drei Rädern, hat dort keinen Platz und darf laut den Beförderungsbedingungen der Deutschen Bahn AG auch nicht mitgenommen werden: "Sogenannte Lastenräder (Fahrräder oder Pedelecs mit festen Aufbauten für Lasten- und/oder zum Transport von Kindern) sind von der Mitnahme ausgeschlossen."

Nach einer Runde über das Kopfsteinpflaster der Innenstadt geht es nach Hause. Wie macht sich das Chike am Berg? Der Weg beginnt wieder – mangels Radweg – mit einem Stück Bundesstraße. Immerhin habe ich den Eindruck, dass die imposante Erscheinung des Chike die Autofahrenden zu mehr Abstand anregt. Ob es nun die Steigung von 15 Prozent schafft?

Der Motor mit seinen 60 Newton-Metern Drehmoment schlägt sich wacker. Problematisch ist jedoch die elektrisch gesteuerte Nabenschaltung, denn die wählt den Gang selbstständig. Leider sieht die Elektronik nicht, dass der Berg steiler wird. Ich schalte runter, das Chike wieder rauf; als es erkennt, dass ich recht habe, knallt die Schaltung in den kleinsten Gang, bleibt dort, und der Berg ist geschafft. Zum Glück hat mich Volker Rosenberger vor der Fahrt gewarnt und darauf hingewiesen, dass sich dies umprogrammieren lässt.

Das Lastendreirad steht bombenfest. Das Kind kann in die Kabine klettern und dann die gute Aussicht genießen.
Foto: Jennifer Weidle | Das Lastendreirad steht bombenfest. Das Kind kann in die Kabine klettern und dann die gute Aussicht genießen.

Daheim angekommen, sind Steinchen und Erde von den Schuhen meiner Tochter in der Kabine. Mit einem Handfeger kehre ich sie aus. Das geht leicht, da der Boden der Kabine keine Kante hat. Nachteilig ist das aber für den Gepäcktransport: Dinge, die man auf den Boden legt, können rausfallen und durch den verbleibenden Schlitz zwischen Kabinenboden und Verdeck pfeift der Wind. Immerhin ist der Fahrer des Rads durch die Kabine vor Fahrtwind geschützt.

Am Ende des Tages nehme ich den Akku aus dem Rad. Etwa sieben Stunden wird es dauern, bis er voll geladen ist. Auf einer ebenen Strecke wie am Main fährt sich das Chike aber auch ohne Motor erstaunlich leicht. Leerfahren sollte man den Akku nicht, denn dann funktioniert die elektronisch gesteuerte Schaltung nicht mehr.

Fazit: Das Chike kommt mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von rund 5800 Euro teurer als viele Lösungen, die aus Pedelec plus Kinderanhänger bestehen. Aber wer es sich leisten kann und jeden Tag Kinder transportiert, für den oder die könnte es eine gute Lösung sein. Die E-Lastenräder in Arnstein und  Karlstadt lassen sich kostenlos ausleihen

 
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  • G. R.
    Genau nachdenken.
    Ein Lastenrad für 8000€, ein E-Bike für 4000€ wenn es reicht.
    Eine Familie mit kleinem Einkommen soll also 10000€ und mehr ausgeben damit sie alle in einem Umkreis von 40km mobil sind. Aber nur im Sommer und bei schönem Wetter?
    Im Ernst, kein Scherz?
    Das gleiche Spiel beim Hausbau. Vorgaben und Auflagen treiben die Baupreise in die Höhe.
    Das Ergebnis ist, dass nur Besserverdiener sich sowas leisten können.
    Macht nichts.
    Wir sprechen also 60% der Bevölkerung das Recht auf Mobilität ab.
    Spart CO2 fürs Klima weil es keine günstige Autos mehr gibt und der ÖNPV auf dem Land eh nicht fährt.

    Wer hat, hat leicht reden.
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    • Antworten
  • C. H.
    wow...

    3000€ drauflegen und ein neues Auto kaufen!

    Mal ernsthaft! Was bitteschön kostet an so wenig Fahrrad so viel Geld?
    Da würden mich meine Kunden vom Hof prügeln, wenn ich für so was einfaches solche Preise aufrufe....
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