Was macht Lohr eigentlich einzigartig, oder zumindest besonders? Die von Main und Wald geprägte Landschaft? Das Menschengemisch aus Moppern und Schnüdeln? Die Industrie? Das Fachwerk? Schneewittchen? Oder alles zusammen? Es ist nicht leicht, den Lohrer Markenkern zu definieren. Im Rathaus jedoch will man es nun versuchen. Der Stadtrat hat im Zuge seiner Haushaltsberatung beschlossen, insgesamt 150.000 Euro zu investieren, um am Ende eine Stadtmarke zu erhalten. Die Diskussion war allerdings kontrovers.
Bei einer Stadtmarke, so erklärte die städtische Citymanagerin Simone Neubauer, gehe es um eine Art Leitbild. Zweck einer Stadtmarke sei einerseits, dass sich die Bürger mit ihr identifizieren könnten. Andererseits könne man mit einer Stadtmarke auch um Kundinnen, Zuzügler oder Arbeitskräfte buhlen, so Neubauer. Eine Stadtmarke stärke neben dem Image einer Stadt auch die Wettbewerbsposition gegenüber anderen Städten. "Lohr würde gut daran tun, sich mit einer starken Stadtmarke zu positionieren", so Neubauers klare Empfehlung.
Aus den Redebeiträgen der Stadträte wurde deutlich, dass manche bei einer Stadtmarke vor allem an das Logo denken, das auf Briefkopf und Internetseite prangt. Doch das, so versuchte Neubauer zu erklären, sei zu kurz gedacht. Zwar sei auch eine Vereinheitlichung all der unterschiedlichen städtischen Logos wichtig. Bei der Stadtmarke gehe es jedoch um mehr, nämlich um eine Art Identitätskern, um das, "was man als Stadt ins Schaufenster stellen will, um das Image positiv zu beeinflussen und ein Bild bei Bürgern und Besuchern zu gestalten".
Schneewittchen taugt nicht als Stadtmarke
Schneewittchen, das machte Neubauer deutlich, tauge gewiss nicht als Stadtmarke. Grund: Zu viele Lohrer identifizierten sich nicht mit der Märchengestalt, die seit vielen Jahren vor allem in der touristischen Vermarktung als Lohrer Symbolfigur dargestellt wird.
Was die Lohrer Stadtmarke stattdessen sein könnte, soll nach Neubauers Worten eine darauf spezialisierte Agentur im Dialog mit Bürgerinnen, Bürgern und Lohrer Akteuren erarbeiten. Von Workshops über Umfragen bis hin zur Einbindung der örtlichen Unternehmen reiche die Palette der Hilfsmittel auf der Suche nach einer Stadtmarke.
Unter den Rätinnen und Räten gingen die Vorstellungen über eine Stadtmarke und deren Nutzen auseinander. Lena Werner (Grüne) bezeichnete den Prozess als "ziemlich teuer" – bei unklarem Kosten-Nutzen-Verhältnis. Ihr Fraktionskollege Clemens Kracht beschrieb seine Erfahrung aus der freien Wirtschaft, wonach bei solchen Markenprozessen gerne "auch übertrieben" werde.
Geld zum Fenster raus?
Brigitte Riedmann (Freie Wähler) sprach davon, dass das Geld, das der seit Jahren finanziell gebeutelten Stadt heuer wieder etwas üppiger zur Verfügung steht, wohl sogleich "mit vollen Händen zum Fenster rausgeworfen" werden solle. Bürgermeister Mario Paul hielt dem entgegen, dass der Stadtrat heuer tatsächlich weniger entscheiden müsse, wo er spare, sondern, in was man investiere.
Riedmann ließ sich davon nicht überzeugen. Sie fragte sich mit Blick auf die Idee, dass eine externe Agentur die Lohrer Stadtmarke entwickeln soll, ob man im Rathaus je mit einer solchen Agentur habe zufrieden sein können. Andere Räte wie Ernst Herr, Frank Seubert (beide CSU) oder Uli Heck (Freie Wähler) erklärten, dass das Rathaus doch erst mal seine Hausaufgaben machen und ein einheitliches Logo für all seine Auftritte und Einrichtungen erstellen solle.
Das ließ Bürgermeister Paul fragen, wie man denn ohne übergeordnete Stadtmarke wissen könne, in welche Richtung ein solches Logo gehen solle. Eine Stadtmarke sei viel mehr als nur ein Logo. Sie könne unter anderem hiesigen Unternehmen bei der Gewinnung von Arbeitskräften helfen, die man nach Lohr locken will, so Pauls Überzeugung.
Am Ende 12:8 für einen Stadtmarkenprozess
Eric Schürr sprach davon, dass die derzeitige Vielfalt an städtischen Logos und Auftritten viel Geld und Zeit gekostet habe, ohne Identifikation zu stiften. Allein die Gestaltung des einheitlichen Designs nur für die Stadthalle habe man sich vor Jahren 25.000 Euro kosten lassen. Schürr sprach sich daher für eine Stadtmarke aus.
Auch Thomas Nischalke plädierte dafür. Lohr habe Schneewittchen, Wald, Industrie, einen großen Gesundheitssektor und "die schönste Innenstadt im Lohrer Talkessel", aber keine Stadtmarke, so der SPD-Fraktionsvorsitzende. Es brauche Profis, die gemeinsam mit den Lohrern eine solche Marke erarbeiten. Das sah auch Erno Hirvelä (Grüne) so, riet jedoch dazu, die Bürgerinnen und Bürger lieber nicht nach ihrer Vorstellung von einer Stadtmarke zu fragen, weil dabei nur "tausend Meinungen" herauskämen.
Am Ende votierte der Stadtrat mit zwölf zu acht Stimmen dafür, einen Stadtmarkenprozess für Lohr zu starten und sich dafür eine professionelle Agentur ins Boot zu holen.