
Station 1: Marktplatz Marktheidenfeld. Es ist 11 Uhr morgens, die Wetter-App zeigt 32 Grad Celsius. Darunter die sogenannte "gefühlte Temperatur": 31 Grad Celsius. Danke dafür.
Trotzdem sind über ein Dutzend Marktheidenfelder gekommen, um fast zwei Stunden durch die Altstadt zu latschen. Alles für das INSEK, das "Integrierte Nachhaltige Städtebauliche Entwicklungskonzept". Unter Berücksichtigung der Themen "Wohnen, Mobilität, öffentlicher Raum und Stadtgestalt" sollen Möglichkeiten diskutiert werden, wie "Aufenthaltsqualität und Nutzbarkeit" der Altstadt sowie des Mainufers weiter verbessert werden könnten. So heißt es im Hand-Out, das die zuständige Stadtplanerin Sylvia Haines an alle austeilt. Sie sagt: "Das heute, das wird kein klassischer Rundgang, in dem wir erzählen. Wir hören Ihnen zu. "
Der Rundgang: Neun Stationen, keine Denkverbote, so Haines: "Wir wollen ja auch wissen, wo die Reibepunkte sind." Also, alle da? Der Bürgermeister wollte ein Grußwort sagen. Fällt aus. Wichtiger Termin. Vielleicht komme er ja nach, entschuldigt ihn Kulturamtschefin Inge Albert. Er wird nicht nachkommen.
Station 2: Das Alte Rathaus
Fazit der ersten Station: Alles ist schön, könnte aber noch schöner sein. Wie? Durch Blumen zum Beispiel. Das Thema liege ihr schon lange am Herzen, sagt eine Frau. "Hier blüht nichts." Warum könne Marktheidenfeld das nicht wie Karlstadt machen. "Das macht ganz viel mit der Optik einer Stadt." Hier müsse die Stadt gestalten und die Anwohner unterstützen. Gemeinsames Nicken.
"Wenn es den Anwohnern gefällt, gefällt es auch den Touristen", sagt ein Mann. Und generell: Der Tourismus, der müsse unterstützt werden. Da sind sich alle einig. "Eine Quelle für die Innenstadt", nennt ihn ein anderer, also den Tourismus und nicht den Mann. Eine Hotelbetreiberin hat dann noch einen ganz anderen Punkt. "Wir wollen eine fahrradfreundliche Stadt sein und es gibt fast keine Fahrradstellplätze." Es brauche außerdem Ladesäulen, an denen Touristen ihre E-Bikes laden können.
Dann wird es auch schon grundsätzlich: Der Pflasterboden sei "furchtbar". Einer erinnert sich, dass im Stadtrat damals, als der Belag entschieden wurde, viel Angst vor Skateboardern da war. Jetzt müsste man den Boden wieder aufreißen, neue Wege pflastern, sogenannte "Komfortstreifen", damit die Rollatoren drüber kommen.
Generell bräuchte es ein "Gutes Miteinander", wenn es um den Verkehr durch die Innenstadt geht. Auch da waren sich so ziemlich alle einig, doch bei dem "Wie?" schieden sich dann erwartungsgemäß die Geister – perfekt illustriert von den permanent vorbei wollenden Autos. Ziehharmonika gleich hatte die Gruppe vom Weg in Richtung Altes Rathaus auszuweichen, die Diskussion über das "Miteinander" von Auto und Mensch kurz unterbrochen. Wurde es gedankt? Denkste! Wild gestikulierte zum Beispiel ein Mercedes-Fahrer hinter dem Steuer, so in der Art: Runter von meiner Straße. Als die Autos dann vorbei waren, zog sich die Gruppe unter "Abstand"-Erinnerungen schnell wieder auseinander. Corona. Da war ja was.
Station 3: Herrngasse
Mit dem Satz "Das Thema werden wir heute wohl nicht lösen können" hatte Haines die Gruppe sanft zum Weitergehen ermutigt. Dann ein kurzer Zwischenstopp in der Herrngasse, wo vor einem Haus etwas Grün zwischen den Pflastersteinen gepflanzt ist. Genau so müsse man das überall machen, so die Meinung. Das Haus daneben aber, das könne mal überholt werden. Von solchen baufälligen Gebäuden gebe es aber kaum welche in Marktheidenfeld, so Haines. Ein Satz, an den sie am Ende der Führung, dem Altstadtfriedhof, mit einem Augenzwinkern und einem Lachen noch einmal erinnert wurde.
Station 4: Mainufer

Das Mainufer. "Das ist das riesige Potenzial Marktheidenfelds", sagt Haines und fügt an, dass in dieser Hinsicht in anderen Städten in den letzten Jahren viel passiert sei. Umkehrschluss: In Marktheidenfeld ist höchstens wenig passiert. Noch ist die Gruppe nicht beim Parkplatz angekommen.
Eine Hotelbetreiberin, generell eine hohe Hotelbetreiberinnen-Dichte an diesem Morgen, hat sich schon Gedanken gemacht. Der Schotter soll weg und Gras weichen. Nicht einmal die Laurenzi-Händler fänden den Schotter gut, weiß sie, die Produkte würden immer schmutzig. Durch das Gras soll dann ein Radweg, auf dem Gras oder auf Liegen könnten Leute entspannen. Und während Laurenzi, da könnten die Leute dann auf dem Radweg zwischen den Buden spazieren. Aus der Gruppe: kein Widerspruch. Nichts gesagt, ist bekanntlich genug gelobt.
"Jahrzehntelang hat sich kein Mensch für den Main interessiert. Damals wegen der Hochwassergefahr. Es war kein Freizeitort", sagt eine Frau und zeigt auf den Weg flußabwärts. "Hat Lohr so etwas? Ich glaube nicht." Ein Mann ist mit dem "so etwas", also dem Weg, nicht zufrieden. Wäre er zehn Jahre älter, also 80, da würde er sich bei den Schlaglöchern nicht sicher vorkommen, sagt er und Stadtplanerin Haines kickt gegen einen lockeren Stein.
Station 5: Mainkai-Parkplatz
Die angesprochenen Reibereien, da sind sie. "Ich habe mich die ganzen letzten Jahre mit diesem blöden Parkplatz beschäftigt", sagt eine Frau und zählt die bekannten Argumente auf, warum es die Parkplätze in genau der Zahl braucht, wie sie jetzt sind. Für Hotelgäste und Anwohner vielleicht halt nur, so als Kompromiss. Vielleicht könne man die Plätze halbieren, schlägt wer anders vor. Noch sind auch die Kompromisse noch etwas auseinander, aber so starr, wie sie im Stadtrat abgebildet scheinen, sind die Positionen bei Weitem nicht. Die Bürgerbeteiligung, das ist der Schöne an Programmen wie dem INSEK. Nicht alles muss immer kompliziert sein, die besten Politiker sind manchmal Nicht-Politiker. Stadtplanerin Haines: "Ich hoffe, wir kriegen diesen gordischen Knoten gelöst."
Station 6: Mehrgenerationenspielplatz
Grundsätzliches zum INSEK erklärt Haines einige Meter weiter, zwischen Biergarten und Mehrgenerationenspielplatz. Die Stadt hat einen Kasten Wasser gesponsert. Man arbeite grundsätzlich mit verschiedenen Varianten und suche dann darunter die, die mehrheitsfähig sind. Zum Beispiel könne man den Mainkai-Parkplatz halbieren und die Zahl wo anders, aber in der Nähe, ersetzen. Ein Mann schlägt vor, die alte Sporthalle abzureißen und vielleicht da ein Parkdeck hinzubauen. Bis auf die Lorbser wäre da sowieso keiner drin und davor hätten die ja auch proben können. Das umzusetzen traue sich keiner, gegen die Lorbser. Aber heute gibt es ja keine Denkverbote.
Bei der Baustraße immerhin sind sich dann alle einig. Die Frau, die gerade noch den Parkplatz erhalten wollte: "Diese Straße ist bescheiden." Der Parkplatz-Verkleinern-Wollende: "Ich mag nicht in der Haut der Stadt stecken, wenn da was passiert." Und auch Haines erklärt irgendwann, dass man Verkehr immer versuche, außerhalb der Stadt abzufangen. In Marktheidenfeld werde er aber direkt durch die Stadt geleitet, der Verkehr. Das klingt wie das Gegenteil, ist es auch.
Stationen 7 und 8: Untertorstraße und Lohgraben-Parkplatz
Nach gut anderthalb Stunden in der Hitze diskutiert es sich nicht mehr so frisch. Irgendwie auch logisch. Die letzten drei Stationen werden dann also schnell abgefertigt. In der Untertorstraße: erneutes Schimpfen über das Pflaster. "Man müsste bei den Schuhändlern mal nachfragen, wie viele Pumps die in Marktheidenfeld noch verkaufen", witzelt ein Herr. "Noch viel mehr, weil die nach einem Mal kaputt sind", erwidert eine Frau. Die Asphaltierung des kleinen Weges an der Stadtmauer entlang gefällt aber auch niemandem. Die Hofgasse aber: 30 Jahre habe es gedauert, bis die Stadt mal ein gescheites Pflaster habe machen lassen.
Station 9: Alter Friedhof/Mitteltorstraße
Zum Schluss also noch ein Potpourri an Themen. Alter Festplatz: Muss umgestaltet werden in den kommenden Jahren, aber die Parkflächen seien unglaublich wichtig. Haines stimmt zu: "Die Fläche ist zu schade, um dort nur zu parken." Es sei ein schwieriges Thema, sagt ein Mann. "Und es wird eins bleiben." Vielleicht könne man mit den Parkplätzen in die Tiefe gehen?
Zur Martinswiese als Wohnmobilstellplatz gibt es dann noch einmal geteilte Meinungen. Als Wohnmobilfahrer finde er den Platz zu schlecht, sagt ein Wohnmobilfahrer. Vor allem sei er in der Hauptsaison wegen Laurenzi gesperrt. Eine Frau sagt, dass sie regelmäßig von Wohnmobilurlaubern angesprochen werde, dass der Stellplatz einer der schönsten in Unterfranken sei. So gehen die Wahrnehmungen auseinander. Nur dass die Wohnmobilfahrer gut für die Stadt sind, da sind sich alle einig.
Nach knapp zwei Stunden war sie das: die letzte Station für die Marktheidenfelder Tour. Stadtplanerin Haines und ihre protokollierende Mitarbeiterin haben anschließend noch drei weitere dieser Führungen. Kühler soll es nicht mehr werden. Das sagt zumindest die Wetter-App.
Diese Frage halte ich ja für wesentlich interessanter.