Der Klimawandel zeigt seine Effekte schneller als erwartet. Heiße, trockene Sommer folgen aufeinander, der Borkenkäfer frisst die Fichten, den Buchen fehlt das Wasser. Vor diesem Hintergrund hat der Landtagsabgeordnete der Grünen und Sprecher für Klimaanpassung Patrick Friedl am Freitag mit weiteren Politikern und Aktiven aus Umweltverbänden den Lohrer Stadtwald besucht. Sein Ziel: Einen ökologisch bewirtschafteten Wald kennenlernen und diskutieren, wie Politik die Anpassung des Waldes an die klimatischen Veränderungen unterstützen kann.
Wegen seines naturnahen Charakters zieht der Lohrer Stadtwald immer wieder Besucher an, die mehr darüber wissen wollen, wie Ökologie und Ökonomie in der Waldwirtschaft zusammen gehen können. Der Leiter des städtischen Forstbetriebs Michael Neuner hat dafür eine Art Waldklassenzimmer eingerichtet, wo er auf Schautafeln an Seilen zwischen Bäumen die Ergebnisse des Waldumbaus vorstellt, den sein Vorgänger Bernhard Rückert vor 30 Jahren angestoßen hat.
Kontinuierlich steigender Anteil von Totholz und Biotopbäumen, fünf Prozent stillgelegte Flächen, auf denen die Natur sich selbst überlassen bleibt, FSC-Zertifizierung als einer von zwei Wäldern in Unterfranken: Die Besucher waren sichtlich beeindruckt. "So würde ich mir Wald vorstellen. Das ist mein Ideal", kommentierte der grüne Bundestagsabgeordnete Niklas Wagener.
Ökologisch und gewinnbringend
Besonderes Interesse erregte die Tatsache, dass der Lohrer Forstbetrieb trotzdem wirtschaftlich arbeitet. 25.000 Festmeter brauche man dafür, erklärte Michael Neuner. Bei 23.000 Festmetern Hiebsatz erreiche man den Break-even-Point, also den Punkt, an dem Ausgaben und Einnahmen sich die Waage halten.
Er arbeite mit regionalen Kreisläufen und verkaufe das Holz sortiert an bis zu 60 verschiedene Abnehmer. So bringe das Holz mehr Geld. Man könne den Hiebsatz zwar reduzieren, antwortete Neuner auf eine Frage der Landtagsabgeordneten Kerstin Celina. "Aber ist das gesamtgesellschaftlich sinnvoll?" fragte er und verwies auf die regionalen Sägereien, die auf das Lohrer Holz zählen.
Einen anderen Ansatz zur Finanzierung brachten Patrick Friedl und der studierte Forstingenieur Niklas Wagener ins Spiel. Ihnen ging es darum, den Wert des Waldes für das Ökosystem, beispielsweise für das Grundwasser oder als Kohlendioxid-Speicher, einzupreisen. "Ökosystem-Dienstleistungen müssen sich in dem abbilden, was Sie für den Wald bekommen", sagte Wagener.
Er nannte das neue Bundeswaldgesetz, über das 900 Millionen Euro aus der Kohlendioxid-Bepreisung in den Wald fließen sollen. Es gehe darum, diejenigen zu honorieren, die bereits schonende Waldwirtschaft betrieben und diejenigen zu motivieren, die das noch nicht tun. Friedl erinnerte an das Konzept des "Wasserpfennigs", den die Wasserwerke an die Waldeigentümer zahlen müssten, dafür, dass der Wald die Wasservorkommen sichert. Er sprach auch die Notwendigkeit an, die Schäden zu beziffern, die Natur- und Waldnutzung an den Ökosystemen verursacht.
Auf Eigenjagd setzen
Als ein wahres politisch gemachtes Hindernis für die klimatische Anpassung des Waldes erweist sich für Michael Neuner das Natura-2000-Projekt der Europäischen Union. Große Teile des Lohrer Stadtwalds sind als Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiet (FFH) Hainsimsen-Buchenwald eingestuft.
Das hat zur Folge, dass dort maximal ein Prozent fremdländische Baumarten wachsen darf. Ein Teil der als einheimisch geltenden Arten sei vom Klimawandel bedroht, erklärte Michael Neuner. Es sei dringend nötig, eine breite gesellschaftliche Diskussion über Neophyten zu führen. Nicht einmal Esskastanien dürfe er in diesen Teilen des Lohrer Waldes haben.
Eichen sollen gesät werden
Der Lohrer Stadtwald setzt in großem Maße auf Naturverjüngung. Gezielt gesät werden sollen vor allen Dingen Eichen, die sich von selbst nicht so sehr verbreiten, aber angesichts der wachsenden Trockenheit möglicherweise besser angepasst sind als Buchen. Naturverjüngung funktioniere aber nur, erklärte Neuner, wenn so viel Wild gejagt wird, dass nicht alle kleinen Bäumchen abgefressen werden.
In Lohr werden deshalb fast keine Jagdreviere mehr langfristig verpachtet. Stattdessen vergibt die Stadt Pirschbezirke auf Jahresfrist und kontrolliert die Ergebnisse. Zur Demonstration nahm er die Besucher mit in einen Waldbereich, in dem viele verschiedene Baumarten von selbst Wurzeln geschlagen haben.
Weil die Jagd nicht funktioniert, baue man andernorts dafür Zäune. Doch wenn durch den Klimawandel großflächig Bäume absterben, sei das nicht mehr zu leisten. Sein Appell, für die Eigenbejagung zu werben, stieß auf offene Ohren, aber auch wenig Optimismus. Kleine Kommunen seien damit überfordert, die Jagdlobby anderer Meinung, äußerten die Gäste aus Politik, Forst und Verbänden.
Sie nehme mit, dass zukunftsfähiger Wald nur zusammen mit der Jagd gehe, sagte Kerstin Celina im Anschluss an die Veranstaltung. Außerdem, dass die Zeit drängt.
Buchen sterben sogar in geschützten Lagen
"Die ökologische Krise schreitet so schnell voran, dass wir reagieren müssen." Er sei positiv angetan, welche Möglichkeiten es für die schonende Nutzung im Wald gebe, erklärte Patrick Friedl. Ihn habe erschreckt, dass auch in geschützter Lage in Lohr Buchen absterben. Eine große Lösung werde es für die aktuellen Probleme nicht geben. Auch das Vorwissen früherer Generationen von Forstwissenschaftlern helfe hier nur sehr bedingt. "Wir brauchen kleine Lösungen, angepasst auf jede einzelne Kulturlandschaft." Man müsse über angewandte Klimaforschung herausfinden, was wo und wann hilft.