Weinlese-Romantik – gibt es die noch? Wenn am Homburger Schloss-Weinberg die Träubel vom Stock geschnitten werden, dann erlebt das kleine Lese-Team am Rande historischen Gemäuers durchaus romantische Momente. Der kleine Wengert, der seit fünf Jahren von dem im Gebsattel-Schloss wohnenden Musikwissenschaftler Michael Günther in Kooperation mit dem Weingutsbesitzer Alfred Blank bewirtschaftet wird, verkörpert immer noch ein wenig Weinbaukultur, so wie man sie aus der guten alten Zeit kennt.
Vergangenen Samstag war am Schlossweinberg Lesezeit. Der Behang an rund zweihundert Rebstöcken mit einem "alten fränkischen Satz" (Reben, zu dem unter anderem Gutedel, Elbling, Heunisch und Muskateller gehören) konnte sich dort, wo keine Vögel oder Waschbären naschhaft unterwegs waren, quantitativ und qualitativ sehen lassen. Auch "Schlossherr" Michael Günther war mit der Träubelschere zwischen den Zeilen aktiv.
Wie beurteilen die Winzer in der Region die kurz vor dem Ende stehende Weinlese 2021? Für die Schoppen-Trinker und Bocksbeutel-Freunde gibt es gute Nachrichten: der neue Wein verheißt ordentliche Mengen und und respektable Trinkfreuden. Es gibt einzelne Winzer, die noch in diesem Jahr einen 2021er abfüllen und zu Weihnachten anbieten wollen, doch die Mehrheit will den neuen Wein im Tank oder Fass bis ins neue Jahr und zur amtlichen Qualitätsweinprüfung reifen lassen.
"Sportliche Säure"
Christian Fürböter, Vorsitzender des Homburger Weinbauvereins und Chef des Weinguts Martin, zeigte sich trotz eines klimatisch schwierigen Jahres im Weinberg positiv überrascht, was die Qualität betrifft. Zu seinen "bacchantischen Highlights" gehört ein Silvaner aus der Steillage "Edelfrau" mit hundert Öchslegraden. Man habe Trauben mit einer "sportlichen Säure" auf die Kelter bringen können, betonte der Inhaber von Homburgs größtem Selbstmarkter, der mittlerweile eine Rebfläche von zwanzig Hektar verarbeitet.
Michael Huller, Fürböters Vorgänger im Vorsitz des Weinbauvereins, berichtete, er habe "viele schöne Spätlesen" ernten können. In Erlenbach habe er unter anderem die Weißweinsorte Ehrenfelser, eine Neuzüchtung der hessischen Forschungsanstalt Geisenheim mit einer Riesling-ähnlichen Sensorik, lesen können. Huller freut sich außerdem über eine neue Kühltechnik bei der Weinverarbeitung, die sich sehr nützlich für den Aroma-Erhalt erweise.
Typisches Silvaner-Jahr
Wer sich bei Alfred Blank, der mit seiner Ehefrau Angelika und Sohn Jonas ein Weingut in der Homburger Maintalstraße bewirtschaftet, nach dem diesjährigen Lese-Resultat erkundigt, erhält die Bewertung "schöne fruchtige Weine mit einer soliden Menge" zur Antwort. "Wir füllen unsere Weine erst im April ab, weil sie erst reifen sollen", sagt Alfred Blank weiter und nennt einen Spätburgunder-Rotwein, wenn er nach den Besonderheiten des neuen Jahrgangs gefragt wird.
Der langjährige Vorsitzende des Homburger Weinbauvereins und Sprecher der Genossenschaftswinzer in Homburg und Erlenbach, Hans Dornbusch, spricht von einem typischen Silvaner-Jahr für 2021. Spätlesen seien zwar die Ausnahmen, aber Winzer, die im Weinberg beim Pflanzenschutz alles richtig gemacht und gut auf die Witterungseinflüsse reagiert hätten, dürften sich über "bekömmliche Weine" freuen.
Paul Diener, Winzer und Vorsitzender des Erlenbacher Weinbauvereins, zeigte sich "total zufrieden" über das Ergebnis der diesjährigen Weinlese, die er mit einem "gott-gesegneten" Jahrgang in Verbindung bringt. Der Silvaner habe auf den Punkt genau als Klima-Gewinner gelesen werden können. Ähnlich beurteilt Diener auch den Müller-Thurgau, die Brotsorte der fränkischen Winzer, der mit neunzig Hektoliter pro Hektar habe geerntet werden können. In Erlenbach bewirtschaften sechzig Genossenschaftswinzer eine Rebfläche von 25 Hektar.
Nachfrage nach Federweißen rückläufig
Robert und Karl-Heinz Frank, Inhaber des gleichnamigen Weingut in Lengfurt, brachten einen Erlenbacher Rieslaner mit 105 Oechslegraden auf die Kelter. Das Weingut verarbeitet Trauben aus Lengfurt, Erlenbach, Homburg und Dertingen. Auch die beiden Brüder äußerten sich hoch zufrieden über die Trauben-Qualität. Die Nachfrage nach Federweißen sei rückläufig, haben die Franks beobachtet. Der Grund: In den Regalen der Supermärkte werde dieser oft schon vor dem Beginn der Weinlese in Franken angeboten.
Dort wo es topografisch möglich war, sah man in den Weinbergen der Region auch in diesem Jahr die Vollernter des Karbacher Unternehmens Engelhorn und Huttner. Die Technik dieser Maschinen sei mittlerweile so ausgeklügelt, dass die Trauben damit so gut wie in Handlese-Qualität auf die Kelter gebracht werden könnten, hört man in Winzerkreisen.
