Seit rund drei Jahren gibt es die Idee, dass der Spessart Biosphärenreservat werden könnte - doch gefühlt kommt die Diskussion nicht so recht voran. Zwar läuft im Hintergrund die Machbarkeitsstudie, beauftragt von den Initiatoren, den Landkreisen Main-Spessart, Miltenberg und Aschaffenburg sowie der Stadt Aschaffenburg.
Doch sie prüft in erster Linie formale Kriterien. Greifbare Vorstellungen dazu, welche Zielrichtung und welchen Nutzen ein auf nachhaltige Regionalentwicklung abzielendes Biosphärenreservat im Spessart haben könnte, sind jedoch noch Mangelware. Wie schwer es unter diesen Umständen ist, über das Für und Wider zu diskutieren, zeigte sich jetzt bei einer Infoveranstaltung in Neuendorf.
Dorthin hatte die örtliche Bürgerwerkstatt Gerrit Himmelsbach eingeladen. Er ist als Leiter des Archäologischen Spessartprojekts und Vorstandsmitglied im Spessartbund von Anfang an Begleiter der Diskussion um ein Biosphärenreservat. Doch gleich zu Beginn machte Himmelsbach deutlich, dass er nur allgemeine Informationen geben könne, jedoch keine Antworten auf die drängendste Frage, was genau ein Biosphärenreservat der Region bringen könnte.
Diese Aussage war jedoch etwas übertrieben, denn im Laufe der von etlichen Fragen der rund zwei Dutzend Besucher begleiteten eineinhalbstündigen Veranstaltung beschrieb Himmelsbach sehr wohl einige Hebel, an denen seiner Ansicht nach ein Biosphärenreservat im Spessart etwas bewegen könnte. Gleichzeitig ließ er auch manche Kritik am Prozess durchblicken.
Wie groß würde die Kernzone?
Zu Beginn jedoch kreiste die Diskussion längere Zeit um ein wesentliches Kriterium, das ein Biosphärenreservat erfüllen müsste: die Kernzone. Sie müsste mindestens drei Prozent der Gesamtfläche umfassen, wobei sie aus vielen Teilflächen von mindestens 50 Hektar bestehen kann. Die Natur würde dort sich selbst überlassen.
Wo sich im Spessart Flächen für die Kernzone finden und wie groß sie in Summe sein könnten, gilt als Schlüsselfrage. Würde man den gesamten bayerischen Spessart zum Biosphärenreservat machen wollen, bräuchte man rund 5000 Hektar Kernzone. Rund ein Drittel davon, so Himmelsbach, ließe sich in bereits aus der Nutzung genommenen Staatswäldern finden.
Zusätzliche Stilllegungsflächen im Staatswald wird es aufgrund eines entsprechenden Landtagsbeschlusses nicht geben. Deswegen sollen Kommunen gefragt werden, ob sie gegen eine Entschädigung Wälder für die Kernzone zur Verfügung stellen. Die Stadt Lohr hat dies bereits angeboten. Neuendorf mit seinen lediglich rund 200 Hektar Gemeindewald komme hingegen kaum als Flächengeber in Betracht, so Himmelsbach. Privater Waldbesitz, das wurde bereits erklärt, soll ebenfalls außen vor sein.
Im Spessart, das zeichnet sich ab, dürfte es am Ende so sein, dass nicht die Gesamtfläche eines möglichen Biosphärenreservats über die Größe der Kernzone entscheiden würde. Vielmehr wäre es genau umgekehrt: Die zusammengekommenen Kernzonen könnten bestimmen, wie groß ein Biosphärenreservat drumherum sein kann.
Kritik an Ausschluss der Hessen
Zu diesem Drumherum äußerte Himmelsbach Unverständnis. Konkret störte er sich daran, dass sich die politischen Akteure auf bayerischer Seite bislang gegen ein Einbeziehen des 70.000 Hektar umfassenden hessischen Spessarts in den Prozess entschieden haben. "Was wäre das Problem, wenn die auch in den Gremien säßen", fragte Himmelsbach mit Blick auf die Hessen, die früh Interesse an einem gemeinsamen Vorgehen bekundet hatten.
Die Region müsse im Dialog erarbeiten, was sie mit einem Biosphärenreservat erreichen wolle, sagte Himmelsbach: "Die Schilder alleine bringen es nicht." Bislang sei es den Initiatoren des Projekts nicht gelungen, zu vermitteln, was der Nutzen eines solchen Reservats sein könnte. Himmelsbach indes ist der Ansicht, dass ein Biosphärenreservat für die Region durchaus "einen Schub bringen könnte", etwa bei der Vernetzung der schon jetzt auf verschiedensten Ebenen tätigen Akteure.
"Wir können alles, müssten uns aber besser verzahnen", so Himmelsbach. Er sprach davon, dass übergeordnete Stellen, wie etwa Ministerien, bei Projekten im Spessart nicht ausreichend zusammenarbeiten würden. Als ein konkretes Einzelprojekt, das sich für ein Biosphärenreservat im Spessart anbiete, nannte er Streuobstwiesen. Himmelsbach sprach von einer Art Dachmarke "Spessarter Apfelsaft".
Aus der Rhön höre man nur Begeisterung
Aus den Redebeiträgen der Besucher wurde keine generelle Ablehnung eines Biosphärenreservats ersichtlich. Ein Zuhörer verwies auf die Personalstellen, die mit einem Biosphärenreservat verbunden wären und die sich der Regionalentwicklung widmen könnten. Ein anderer sprach davon, dass man von den Menschen in der Rhön nur Begeisterung über das dortige Biosphärenreservat höre. Im Spessart hingegen gebe es bei dem Thema Vorbehalte, womöglich als Nachwirkung der emotional beladenen Nationalpark-Diskussion vor einigen Jahren.
Eine Zuhörerin sagte, dass man doch bedenken müsse, welche Effekte ein Biosphärenreservat auf lange Sicht für die Region haben könne. Sie jedenfalls könne sich vorstellen, dass sogar manche Privatwaldbesitzer bereit seien, ihre Flächen für eine Kernzone zur Verfügung zu stellen. Darüber, dass von den zahlreichen Neuendorfer Waldbesitzern nur wenige zu dem Vortrag gekommen waren, war Armin Bernard als Vertreter der Bürgerwerkstatt allerdings enttäuscht.