
Regen, Wind und Kälte; Louise Feike trägt eine warme Jeans und einen Pullover, das Haar offen. Noch vor drei Monaten hätte sie bei diesem Wetter in der Schule gefroren – das einzige Manko, das sie bei ihrem Auslandsjahr sieht.
Die Sache mit der Kleidung
Denn beim typisch englischen Regenwetter durfte sie keine dicke Strumpfhose zum Rock tragen. In dieser Hinsicht ist sie froh, wieder zurück zu sein. Auf der anderen Seite vermisst sie die Schuluniform. Deren Fehlen stellt sie regelmäßig vor ein Problem: „Ich merke das hier schon. Ich wache morgens auf und weiß nicht, was ich anziehen soll“, sagt die 16-jährige Schülerin des Balthasar-Neumann Gymnasiums. In England sei das nie ein Problem gewesen; sie hatte ja die Schuluniform. Die Haare musste sie im Zopf tragen. So seien keine Unterschiede zwischen den Schülern gemacht worden. Außerdem habe der Umstand, dass man die Leute nicht anhand ihrer Kleidung beurteilen konnte, dazu geführt, dass sie mehr mit den Menschen reden musste. Das habe sie kommunikativer gemacht.
Von Franken nach England
Die ersten Menschen, mit denen sie wegen des Auslandsjahres Kontakt hatte, waren die Mitarbeiter der Organisation Ayusa Intrax. Dort hatte die 16-Jährige sich für den Auslandsaufenthalt beworben. Obwohl ihre Familie französische Wurzeln hat, wollte sie dafür nach Großbritannien. „Mein Vater hat gesagt, wenn ich schon in ein englischsprachiges Land gehe, dann soll ich auch richtiges, also britisches Englisch lernen.“
Sie bekam den Platz und flog am 27. August 2015 nach England. Für ein Jahr lebte Louise in Cleveleys, einem Ort an der Küste, dreimal so groß wie Marktheidenfeld. Untergebracht war sie in einer Gastfamilie: Eltern mit einer 14-jährigen Tochter mit italienischem Hintergrund. „Ich habe mich sofort wohlgefühlt“, sagt sie. Das habe vor allem daran gelegen, dass die Familie direkt viel mit ihr gesprochen habe, sie mit einbezogen habe. „Es kam keine peinliche Stille auf.“
Besonders gut habe sie sich mit ihrer Gastschwester verstanden. Da die Schülerin selbst drei Brüder hat fand sie es schön, zur Abwechslung mal mit einer Schwester zu leben. „Wir haben uns wirklich wie Schwestern behandelt. Wir haben nicht nur gelacht sondern auch manchmal gestritten“, erzählt sie.
Schwerpunkt Musik
In der Schule in Fleetwood besuchte sie die elfte Klasse der Highschool; die Abschlussklasse. Louise wählte den Musikschwerpunkt. Dadurch war der Musikunterricht intensiver als hier. Jeder dort spielte ein Instrument und für jedes Instrument gab es einen Proberaum, in dem die Schüler ein Stück übten. Später probten sie dann gemeinsam. Louise spielte Klavier, ein langjähriges Hobby der 16-Jährigen. Jedes Trimester führte sie ein Stück auf; ob an der eigenen Schule zur Verabschiedung der Absolventen oder in einem Konzerthaus in Blackpool.
Neben Musik hatte Louise natürlich auch noch anderen Unterricht. Sie war im Niveau eins eingestuft, dem höchsten der Schule. Der Schulalltag fiel ihr leicht – sie empfand das Unterrichtsniveau dort als niedriger als in Bayern.
Auch mit der Sprache sei sie gut klargekommen. „Ich hatte nie so richtig Schwierigkeiten in Englisch“, erklärt sie. Außerdem habe ihre Englischlehrerin ihr geholfen, indem sie ihr Extrastunden gab und mit ihr zum Beispiel geübt hat, Aufsätze oder Analysen zu schreiben. Am Ende hat Louise so die Abschlussprüfung geschafft, das sogenannte GCSE-Zertifikat. Das Schulsystem in England gefällt ihr insgesamt aber weniger gut als das in der Heimat. Drüben sei alles unstrukturierter und man lerne sehr viel auf einmal, aber das alles nur oberflächlich.
Keine Probleme im Alltag
Im Alltag habe Louise sich schnell integrieren können. Nach drei Monaten merkte sie, wie flüssig ihr Englisch geworden war, und dass sie nicht mehr über einzelne Worte nachdenken musste. „Meine Freunde haben mir mal gesagt: ,du hattest so einen schlimmen Akzent, den konnte man fast gar nicht verstehen',“ erzählt sie lachend. Nach Weihnachten hatte sie sich richtig eingelebt. „Da wusste ich auch, wo ich zugehöre.“
Besonders aufgefallen ist ihr, dass die Leute sie alle offen und herzlich empfangen haben. Die Engländer seien alle freundlich, „manchmal sogar überspitzt freundlich, aber das ist ja das Schöne.“ Diese Offenheit gefiel ihr in ihrem Auslandsjahr besser als zuhause. Hier, so meint sie, stellt sie es sich schwieriger vor, wenn einem alles fremd ist. In der Familie jedoch bleibt Louise lieber bei ihrer heimischen Lebensweise. In England kochte nämlich jedes Familienmitglied für sich. Generell fehlte ihr dort der Familienverband. „Daran konnte ich mich nicht so richtig gewöhnen“, erklärt sie.
Ohne Schulstress unterwegs
Mit ihren Freunden aus England hat Louise noch viel Kontakt. Ihren drei besten Freundinnen schreibt sie täglich Nachrichten und spricht einmal die Woche mit ihnen bei einem Videoanruf. Mit ihnen redet sie über alles. Nur der Brexit war bei ihnen nie Thema. Die meisten ihrer englischen Freunde kennt sie aus der Schule. Häufig waren sie in einer Gruppe von 15 Leuten unterwegs, oft auch abends. Unter der Woche wegzugehen habe sie sich dort erlauben können, weil sie „nicht so einen Schulstress“ gehabt habe. Louise sei gerne zur Highschool gegangen.
Es hätte dort immer etwas zu lachen gegeben, sagt sie. Außerdem gefiel ihr, dass das Lehrer-Schüler-Verhältnis dort viel entspannter sei. Man habe auch außerschulische Gespräche mit den Lehrern führen können und überhaupt sei man eher „kumpelhaft“ miteinander umgegangen.
Reine Gewöhnungssache
Insgesamt sagt die 16-Jährige dass das Auslandsjahr sie selbstbewusster gemacht hat. „Ich würde es jedem empfehlen, der nicht ganz schüchtern und verschlossen ist“, erklärt sie. Vor allem aber sei alles Fremde einfach nur Gewöhnungssache.
So wie die Kleidungsregeln. Denn auch von der Schuluniform gab es Ausnahmen, zum Beispiel den „Fancy Dress Day“. In England feiert man kein Fasching, also nutzten die Schüler diesen Tag zum Verkleiden. Für den Unterricht im Kostüm spendete jeder einen Pfund für den Abschlussball. Louise ging als Piratin. „So wurden die Tickets für den Ball günstiger.“ Außerdem nahm sie an einer Aktion teil, bei der jeder ein Teil seiner Uniform durch ein pinkes ersetzte. Ähnlich wie bei der Aktion Pink sammelten sie so für die Behandlung von Brustkrebs.
Selbst ins Ausland gehen
Wer selbst mit der Organisation Ayusa Intrax ins Ausland gehen möchte, muss eine Bewerbung inklusive Lebenslauf und einen Nachweis über den Gesundheitsstatus einreichen (dazu gehören zum Beispiel Impfpässe). Außerdem muss ein Brief an die zukünftige Gastfamilie geschrieben werden, in dem sich der Bewerber vorstellt. Anschließend lädt die Organisation zum Vorstellungsgespräch nach Würzburg ein. Dort geht es vor allem um die sozialen Kompetenzen, nicht so sehr um die Sprachkenntnisse. Wenn man den Platz bekommt, folgt drei Monate vor Abflug ein Vorbereitungswochenende mit der Organisation. Ayusa stellt den Teilnehmern im jeweiligen Ausland Berater zur Seite, an die sie sich bei Problemen und Sorgen wenden können. Die Kosten belaufen sich auf etwa 12.000 Euro.
Weitere Information auf der Website von Ayusa Intrax.