Was für andere der reinste Horror ist, war für Jana Kraus aus Marktheidenfeld schon immer ein Traumberuf. Seit September darf sie sich Bestattermeisterin nennen. Denkt man an diesen Beruf, ist das oft mit unangenehmen Gefühlen verbunden. Kaum jemand wird gerne an den eigenen Tod oder den Verlust von Freunden und Angehörigen erinnert.
Und wie stellt man sich einen Bestatter vor? Sicherlich nicht so, wie Jana Kraus: 24 Jahre alt, gefärbte Haare, Piercing, manikürte Nägel, Motorradfahrerin. Die junge Frau kann anpacken, ist psychisch belastbar und zeigt Einfühlungsvermögen, sagt sie von sich selbst. Diese Eigenschaften sind notwendig, um in dem Beruf zu arbeiten.
Um eine Lehre zur Bestattungsfachkraft zu absolvieren, ist keine spezifische Schulbildung notwendig, erklärt Matthias Liebler. Er ist Geschäftsführer von Liebler Bestattungen und Jana Kraus‘ Chef. Seit 1995 unterrichtet der Bestattermeister am überbetrieblichen Ausbildungszentrum in Münnerstadt, ist Vorsitzender in Prüfungsausschüssen der Handwerkskammer für Unterfranken. Er plant und organisiert die Abläufe der Prüfungen in Münnerstadt und koordiniert die Einsätze der Prüfer.
Tote herzurichten ist eine Herausforderung
Ins überbetriebliche Ausbildungszentrum kommen pro Lehrjahr etwa 150 bis 200 Azubis aus ganz Deutschland, schätzt Liebler. Etwas weniger als die Hälfte davon sind Frauen. An den jährlichen zwei Meisterlehrgängen nehmen jeweils etwa 30 Absolventen teil, sagt der Fachmann. Dort beträgt der Anteil der Frauen etwa ein Drittel.
Schon als 16-Jährige interessierte sich Jana Kraus für das Berufsfeld und die Rechtsmedizin. "Entgegen dem allgemeinen Trend im Handwerk stellt unser Gewerbe weniger Ausbildungsplätze zur Verfügung, als Nachfrage da ist", so Liebler. Nicht jeder sei den Anforderungen an einen Bestatter gewachsen. Kraus machte ein Praktikum und arbeitete in den Schulferien im Betrieb, bevor sie 2013 ihre Ausbildung dort begann. Sie schätzt, dass etwa 30 Prozent der Azubis während ihres ersten Lehrjahres aufgegeben hätten.
Denn zu den Aufgaben gehört unter anderem die hygienische Versorgung von Toten. Zu 95 Prozent bedeute das, jemanden, der eines natürlichen Todes gestorben ist, ansehnlich herzurichten, erklärt die Bestattermeisterin. "Schwieriger wird es nach Unfällen oder bei Verletzungen", so ihr Chef Matthias Liebler. "Am meisten ekle ich mich vor Maden in einem Körper", sagt Kraus. Denn sie möge auch sonst keine "Krabbeltiere", gesteht sie. Sich zu überwinden und trotzdem die Arbeit zu verrichten braucht ein großes Maß an innerer Zähigkeit.
Auf dem Stundenplan während der Ausbildung standen auch Fächer wie Bestattungskultur, Warenkunde, Friedhofsplanung, Aufbahrung oder Trauerpsychologie. Betriebswirtschaft und Recht wurden insbesondere im Meisterkurs vertieft. Auch das "Gräbermachen" liegt ihr. "Ich war in der Meisterschule eine der wenigen, die wussten, wie das überhaupt geht", sagt sie. Denn in Norddeutschland ist dies – anders als bei uns – Aufgabe der Friedhofsverwaltung, nicht des Bestatters. Viele ihrer Kollegen hatten vorher noch nie einen Bagger bedient oder ein Grab eingeschalt.
Der Tote, der dem Vater ähnlich sah
"Etwa ein halbes Jahr nach Beginn der Ausbildung hatte ich einen Fall, den ich zu nahe an mich herangelassen hatte", erzählt die 24-Jährige. Der Mann hatte einen Motorradunfall und habe ihrem Vater ähnlich gesehen. Das Versorgen konnte sie nicht übernehmen. Sie überließ es einem Kollegen. Gerade wenn man neu im Geschäft ist, erfährt man sehr viele unbekannte Eindrücke und Schicksalsschläge. Das kann man nicht einfach ablegen, wenn man nach Hause geht. "Ich bespreche viele dieser Dinge mit meiner Familie", sagt Kraus. In ihrer Freizeit macht sie Sport. So könne sie persönlich Abstand gewinnen.
Bestatter müssen Talent im Umgang mit Menschen haben. Denn der Kontakt zu Trauernden ist ein wichtiger Teil des täglichen Geschäfts. Manche Angehörige seien in dieser Ausnahmesituation sehr anspruchsvoll, andere würden sich mit den Verwandten schwer einigen können. "Es kommt immer häufiger vor, dass wir alles möglichst schnell und günstig durchführen sollen", bedauert Kraus.
"Wenn es um Kinder geht, ist die Situation nochmal besonders", erklärt sie. Hat sie es mit Toten in ihrem Alter zu tun, beschäftigt sie das auch mehr als üblich. Stand ihr der Verstorbene selbst nahe, will sie noch mehr als sonst eine perfekte Beerdigung organisieren. Einige Male ist das schon passiert. Sie funktioniere dann wie auf Autopilot. "Erst nach der Beerdigung realisiere ich, wer das ist, und kann trauern", beschreibt die junge Frau.
Abwechslungsreicher Job
Jana Kraus mag an ihrem Beruf besonders, dass sie Toten "die letzte Ehre erweisen" kann. "Egal wer der Verstorbene war, er war ein geliebter Mensch." Und er habe es verdient, würdevoll beerdigt zu werden. Sie könne nicht verstehen, dass manche Betriebe ihres Standes trauernde Angehörigen ausnutzen würden, um etwa Leistungen, für die bezahlt wurde, nicht zu erbringen. Liebler Bestattungen verpflichtet sich zu einer zertifizierten Qualitätskontrolle. "So etwas passiert bei uns nicht", sagt sie.
Der Beruf bringt Abwechslung. "Manchmal plant man, was man am nächsten Tag erledigen will, dann kommt es doch ganz anders", beschreibt sie. Montags gebe es viel zu organisieren, zum Beispiel die Beisetzungen derer, die am Wochenende in das Beerdigungsinstitut überführt wurden. Kraus führt Beratungsgespräche mit den Angehörigen, trifft Absprachen mit Behörden und Kirchen. "Jeder Fall ist für uns individuell", erzählt sie.
Deshalb sei Organisationstalent gefragt. Immer öfter werde Musik am offenen Grab gewünscht. "Von Ernst Mosch bis Böhse Onkelz hatten wir schon alles", so Kraus. Sie bestellte auch schon weiße Tauben, die Angehörige wie bei einer Hochzeit fliegen ließen. Selbst ein Catering am Friedhof hatte sie schon. Darf es ein Schmuckanhänger sein, in dem der Fingerabdruck des Toten eingraviert ist? Oder eine Urne in der Form eines Fußballs? "Wir erfüllen jeden Wunsch", versichern Matthias Liebler und Jana Kraus.
Den Sarg vergessen
In den vergangenen Jahren hat sich auch sonst einiges verändert. Sie führe immer öfter Gespräche zur Vorsorge mit Kunden, erklärt die junge Frau. Verstärkt seien "digitale Nachlässe" zu regeln. Im Gegensatz zu früher würden die Mitarbeiter des Bestattungsinstituts mindestens 400 Kilometer täglich fahren – zu den Krematorien nach Obertshausen (Hessen) oder Osterburken (Baden-Württemberg) sowie in die umliegenden Krankenhäuser.
Besonders im Gedächtnis ist Kraus eine Verabschiedung geblieben, bei der sie und die Trauergäste gebeten wurden, helle Kleidung und Turnschuhe zu tragen. "Das war für mich seltsam." Sie trage im Berufsalltag immer Schwarz. Matthias Liebler erinnert sich an ein Missgeschick, das die Angehörigen zum Glück mit Humor genommen hätten. Er war mit dem Leichenwagen unterwegs zu einem Friedhof und glaubte fälschlicherweise, ein Kollege habe den Sarg mit der Verstorbenen in den Fond geladen. Die Angehörigen scherzten: "Mutter war nie pünktlich. Warum sollte sie es bei ihrer eigenen Beerdigung sein?"