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Burgsinn
Warum die Burgsinner tote Bäume im Gemeindewald stehen und liegen lassen
Förster Lukas Reith erklärt die Biodiversitäts-Initiative im Forst: Biotope bieten Lebensraum und sichern Artenvielfalt. Das ist gerade in Zeiten des Klimawandels wichtig.
Totholz von liegen gebliebenen Eichenbaumkronen bieten verschiedenen Arten Lebensraum.
Foto: Jürgen Gabel | Totholz von liegen gebliebenen Eichenbaumkronen bieten verschiedenen Arten Lebensraum.
Jürgen Gabel
 |  aktualisiert: 11.04.2022 02:23 Uhr

Wenn jemand vom knapp 3200 Hektar großen Burgsinner Gemeindewald spricht, rücken sofort die Bilder der mächtigen, oft 300 Jahre alten Eichen in den Fokus. Aber mit der nachhaltigen, maßvollen Ernte der Waldgiganten ist es nicht getan. Wichtig ist es auch, durch Waldnaturschutzmaßnahmen die natürlichen Lebensräume von Insekten, Amphibien, Reptilien, Pilzen, Fledermäusen und Vögeln im Forst zu verbessern. Bürgermeister, Betriebs- und Revierleiter des drittgrößten Gemeindewalds in Bayern sind sich dieser Notwendigkeit bewusst.

Bereits seit Jahrzehnten engagieren sich die Verantwortlichen im Bayerischen Vertragsnaturschutzprogramm, erklärt Lukas Reith, Leiter des 1600 Hektar großen Reviers "Trockenbach". Allein in seinem und dem von Betriebsleiter Hans-Peter Breisch betreuten Revier "Rhön" sind rund 4000 Biotop- und Totbäume, liegend und stehend, vorhanden. Drei Viertel davon sind kartiert. Diese Bäume, meist abgestorbene Eichen und Buchen, sind beileibe keine "dünnen Stängel", sondern weisen einen Brusthöhendurchmesser von meist 50 und mehr Zentimeter auf.

Der Burgsinner Sonderweg

Der Markt Burgsinn beschreitet bei dieser Biodiversitäts-Initiative einen Sonderweg und lässt viele eigentlich tote Bäume wegen ihrer ökologischen Bedeutung stehen oder liegen. Jährlich werden neue Bäume ausgezeichnet, per GPS erfasst und für zwölf Jahre aus der Nutzung genommen. Zahlreiche bei der Ernte anfallende Baumkronen bleiben ebenfalls liegen und bieten dann beispielsweise dem Hirschkäfer Lebensraum, erklärt der 27-jährige Reith. Bürgermeister Robert Herold ergänzt: "Trotz der Vorgabe eines Wirtschaftswaldes lassen wir für den Naturschutz Geld im Wald liegen."

Die von Spechten in Biotopbäume gehämmerten Höhlen sind für 'Nachmieter' willkommene Quartiere.
Foto: Jürgen Gabel | Die von Spechten in Biotopbäume gehämmerten Höhlen sind für "Nachmieter" willkommene Quartiere.

Die dort aufkommende Artenvielfalt braucht gerade diese scheinbar ungepflegten Exemplare, einen "unaufgeräumten" Wald mit viel ökologisch wertvollem Totholz und Biotopbäumen. Spechte hämmern ihre Bruthöhlen mit Vorliebe in diese Hölzer und zahlreiche Säugetiere und Insektenarten sowie Vögel finden dort Unterschlupf. Für "Nachmieter" wie den Waldkauz und Wildtauben sind verlassene Baumhöhlen als Quartier gerade recht. Faulstellen – ideale Lebensräume für Käfer, Spaltenquartiere für Fledermäuse und Rindenfehlstellen – bieten einen trockenen Rückzugsort für zahlreiche Käferarten, Spinnen, Wespen oder Wildbienen.

Lukas Reith zeigt mit großen Kronen ausgestattete Totbäume, die ideale Baumöglichkeiten für Horste von Greifvögeln oder gar Schwarzstörche bieten. Viele Greifvögel sind standorttreu und benutzen die aufwändig hergestellten Horste über längere Zeit. Die liegenden Baumkronen sollten einen Mindestdurchmesser von 50 Zentimetern haben, erklärt der studierte Förster.

Rund 20 Tümpel im Wald

Seit einigen Jahren werden in beiden Revieren Regenrückhaltebecken gebaut, die sich in kurzer Zeit zum Feuchtbiotop entwickeln. Rund 20 solcher Wassertümpel gibt es bereits. Sie erhöhen die Artenvielfalt und bieten eine Heimat für Libellen, Amphibien, kleine Fische, Schlupfwespe und selten gewordene Vögel, erklärt Reith. Besonders letztere sind für den Zukunftswald essenziell, so Reith. Waldvögel wie Schwarzspecht oder Meisen fressen massenweise Borkenkäfer und deren Larven. Das Wild nutzt Feuchtbiotope zum Trinken oder Suhlen. Und dem Wald im Klimawandel tut es gut, wenn das Wasser langsam versickert.

Zunderschwämme finden an der abgestorbenen Buche idealen Lebensraum.
Foto: Jürgen Gabel | Zunderschwämme finden an der abgestorbenen Buche idealen Lebensraum.

Lukas Reith weist auch auf die drei aufgelassenen Steinbrüche hin, die alle drei Jahren freigeschnitten werden müssen, um Nistmöglichkeiten für Vögel sowie Lebensraum für Eidechsen, Schlangen zu erhalten. Zur Stärkung der biologischen Vielfalt bleiben Birken als Nahrungsquelle für Tiere und Insekten im Burgsinner Wald stehen. Weiter werden an Windwurfflächen am Wegesrand, Wildobstgehölze wie Kirsche, Marone, Kastanie, Walnuss und Wildbirnen als Nahrung für Tiere gepflanzt. Gleichzeitig werden Blühstreifen als Futterquelle für Schmetterlinge, Bienen und Insekten angelegt. Vieles davon vermitteln die Revierleiter in gemeinsamen Projekten an die Grund- und Mittelschüler an nachfolgende Generationen: Baumpflanzaktionen oder das Bauen von Insektenhotels und Nistkästen für Obst- und Waldbäume sind bei den Kindern beliebt.

Reith erklärt, dass ein Förster von heute aber beides im Auge haben sollte: Den Elitebaum, der das Geld über seine Holzqualität einbringt, und den Biotopbaum, der ein wichtiges Element für die Biodiversität im Wald ist. Bürgermeister Robert Herold, gelernter Forstwirt, fasst zusammen: "Wir machen unsere Hausaufgaben und der Naturschutz im Gemeindewald hat einen hohen Stellenwert."

 
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Kommentare
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  • rainbird
    Hoffe die Burgsinner wissen, dass es dafür Geld von Freistaat gibt. 3 Biotopbäume pro Hektar für 15 Jahre.
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