Haben Notfallpatienten aus Karlstadt und Umgebung inzwischen Angst, vom Rettungsdienst ins „falsche“ Krankenhaus gebracht zu werden? Es soll immer wieder Diskussionen zwischen dem Rettungsdienst und den Betroffenen oder ihren Angehörigen geben, weil sie in eine Würzburger Klinik wollen, dann aber gegen ihren Willen ins Lohrer Krankenhaus eingeliefert werden. Wiederholt ist in Karlstadt von Fällen zu hören, in denen berichtet wird, Patienten seien in Lohr nicht optimal behandelt worden.
Der pensionierte Karlstadter Kinderarzt Dr. Karl-Werner Weigel kritisiert den „Drang“ zur Lohrer Klinik. Schließlich gebe es in Deutschland freie Arztwahl. Und in Lohr sei man offenbar häufig überfordert, sagt er. Ihm ist von einem Fall berichtet worden, in dem Angehörige einen Patienten mit dem Privatauto nach Würzburg brachten, weil der Rettungsdienst eine Fahrt woanders hin als nach Lohr abgelehnt habe.
Andere Patienten würden erst gar nicht mehr den Rettungsdienst rufen, weil sie diese Auseinandersetzungen vermeiden wollen, und lassen sich gleich privat in ein anderes Krankenhaus bringen. Weigel: „Ein solches Verhalten des Rettungsdienstes ist aus medizinischer Sicht äußerst fragwürdig und gefährlich.“
Keine generelle Anweisung
Gibt es eine generelle Anweisung an die Sanitäter, die Notfallpatienten nach Lohr zu fahren? „Nein“, sagt Paul Justice. Er ist Geschäftsleiter des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung in den Landkreisen Main-Spessart, Würzburg und Kitzingen sowie die Stadt Würzburg.
Prinzipiell hätten die Rettungsdienste Notfallpatienten in die nächstgelegene Klinik zu fahren. Im bayerischen Rettungsdienstgesetz heißt es: „Die Integrierte Leitstelle hat sich um die Aufnahme des Notfallpatienten in die nächste für die weitere Versorgung geeignete Behandlungseinrichtung zu bemühen . . .“ Wichtig sei also auch die Eignung der Klinik. So sei es beispielsweise Unsinn, eine Frau in Wehen in die Würzburger Rotkreuz-Klinik zu bringen, in der es keine Entbindungsstation gibt.
Landkreisgrenzen würden keine Rolle spielen beim Weg ins nächste Krankenhaus, erklärt Justice. So sind für die Patienten aus dem Landkreis Main-Spessart schwerpunktmäßig die Kliniken in Lohr, Würzburg und Wertheim die richtigen Anlaufstellen. Für manche Ortschaften sind es aber auch Schweinfurt – beispielsweise aus dem Raum Arnstein – oder Aschaffenburg.
Wenn nun ein Notallpatient aus Zellingen nach Lohr gebracht wird, obwohl es nach Würzburg deutlich näher ist, liege das an der Aufnahmekapazität der Krankenhäuser, erklärt Justice. Die in Würzburg seien häufig so stark belegt, dass sie sich oder bestimmte Stationen „abmelden“, wie es in der Sprache des Rettungsdiensts heißt.
Für den Landkreis Main-Spessart sind Rettungswagen an folgenden Standorten stationiert: Karlstadt, Lohr, Gemünden, Hafenlohr, Uettingen, Arnstein, Burgsinn und jeweils zwölf Stunden am Tag in Wiesthal.
Retter schnell beim Notfall
Warum aber sieht man dann aber beispielsweise häufig einen Rettungswagen zwischen Wernfeld und Gambach in Bereitschaft stehen? Die Antwort: Es kann sein, dass der Rettungswagen von Karlstadt gerade im Einsatz ist. Dann fährt der Gemündener an einen Standort zwischen Gemünden und Karlstadt, bis der Karlstadter wieder zurückgekehrt ist. Damit soll gewährleistet werden, dass die Retter stets möglichst schnell beim Notfall sind. Ähnliche Regelungen gibt es auch für die anderen Standorte.
Justice rechnet zudem vor, was es bedeutet, wenn ein Rettungswagen eine Klinik anfährt, bei der er fünf Minuten länger braucht. „Er muss ja wieder zurück, das sind also zehn Minuten mehr, in denen er nicht an seinem eigentlichen Standort einsatzfähig ist.“
Auch in bevölkerungsarmen Gebieten muss schnell Hilfe gewährleistet sein, selbst wenn es dort nur wenig zu tun gibt. So hat der in Burgsinn im Schnitt nur zwei Einsätze pro Tag. In Würzburg dagegen könne es vorkommen, dass ein Rettungswagen bis zu zehn Einsätze in einer Acht-Stunden-Schicht fährt. Und dort sind sieben Rettungswagen stationiert.
Völlig anders als bei Notfallpatienten funktioniert der planbare Krankentransport. Wohin der Krankenwagen fährt, sei abhängig vom Willen des Patienten, der Angehörigen oder des Arztes, so Justice.