
Wenn mitten in der Stadt ein Rettungshubschrauber landet, erweckt dies immer Aufsehen. So auch in Lohr. Am vergangenen Montagabend jedoch erlebten alle, die das Luftgefährt beim Anflug und Absinken über der Stadt beobachten konnten, eine Premiere: Erstmals landete ein Rettungshubschrauber auf dem direkt neben der Altstadt gelegenen Werksgelände der Bosch Rexroth AG, ohne dass es dabei um einen Notfall innerhalb des Unternehmens ging.
Der Grund: Rexroth hat seit 1. September eine Freifläche innerhalb von Werk I generell als Notfall-Landeplatz für Rettungshubschrauber, auch bei externen Einsätzen, zur Verfügung gestellt. Alle Beteiligten sprechen davon, dass sich die Abläufe bei Notfällen dadurch deutlich verbessert hätten
Es war gegen 19.40 Uhr, als der gelbe ADAC-Rettungshubschrauber von Sackenbach her kommend einen kleinen Bogen über der Altstadt flog, bevor er zügig an Höhe verlor und schließlich zwischen den Rexroth-Werkshallen verschwand. Dort stand an einer Freifläche direkt hinter der Hauptpforte nicht nur die Werkfeuerwehr parat, sondern auch ein Rettungswagen des Roten Kreuzes. Er hatte einen Patienten an Bord, der zuvor im in Luftlinie nur 300 Meter entfernten Klinikum Main-Spessart behandelt worden war und als dringender Notfall in eine andere Klinik verlegt werden musste.
Alternative zu TSV-Sportplatz
Früher wäre der Hubschrauber bei solchen Anlässen direkt neben dem Klinikum gelandet. Doch seit Frühjahr 2022 steht der einst dort existierende Landeplatz nicht mehr zur Verfügung. Grund ist der auf der Fläche errichtete Neubau der Geriatrie des Krankenhauses. Seither landeten Rettungshubschrauber bei Notfällen in der Kernstadt oder bei dringenden Patientenverlegungen bevorzugt auf dem Rasensportplatz des TSV Lohr an der Jahnstraße.

Doch dort musste jedes Mal die Feuerwehr anrücken, um dem Rettungsdienst das Tor aufzusperren. Bei Dämmerung oder Nacht habe man den Platz überdies ausleuchten müssen, schildert Kommandant Sebastian Mademann. Für die Lohrer Feuerwehr sei es daher auf jeden Fall eine Entlastung, wenn der Hubschrauber künftig auf dem Rexroth-Gelände landen könne. "Wir begrüßen das sehr", so Mademann.
Dass die Hubschrauber nun vermehrt das Rexroth-Werksgelände ansteuern, ist nach Aussage von Dennis Wolz, Pressesprecher der bei der Würzburger Berufsfeuerwehr angesiedelten Rettungsleitstelle, eher einem Zufall entsprungen. Vor einigen Wochen habe der Pilot eines Hubschraubers während eines Notfalleinsatzes in Lohr Ausschau nach einem passenden Landeplatz gehalten. Bei solchen Einsätzen dürfe ein Rettungshubschrauber überall dort landen, wo es ihm möglich sei. Der Pilot entschied sich laut Wolz für die direkt hinter der Rexroth-Hauptpforte existierende größere Freifläche.
Bürocontainer abgebaut
Diese Freifläche ist relativ neu. Wie Rexroth-Sprecher Jan Saeger erklärt, ist sie durch den Abbau von Bürocontainern entstanden. Überflüssig geworden waren diese durch das neu errichtete Bürogebäude am anderen Ende des Werks. Auf der Freifläche plant Rexroth, eine große Logistikhalle zu errichten. Doch derzeit wächst dort lediglich Rasen. Allerdings war der direkt neben der Wache der Werkfseuerwehr gelegene Bereich schon länger als werksinterner Hubschrauberlandeplatz für Notfälle vorgesehen.
Nach der Landung des in einem externen Einsatz befindlichen Rettungshubschraubers vor wenigen Wochen auf der Fläche wandte sich Anfang August die Würzburger Rettungsleitstelle an Rexroth. Und zwar mit der Frage, ob die werksinterne Landemöglichkeit nicht auch für anderweitige Einsätze des Rettungshubschraubers genutzt werden könnte.
Dennis Wolz, Pressesprecher der Leitstelle, erklärt das Ansinnen gegenüber der Redaktion damit, dass es sich bei der Rexroth-Fläche um einen "super Landeplatz" handle, um "Luxus" gar. Die nahe gelegene Rexroth-Pforte sei ebenso rund um die Uhr besetzt wie die Werksfeuerwehr, begründet Wolz. Überdies werde die noch dazu separat eingezäunte Rasenfläche ständig gemäht, weswegen sich dort keine Tiere aufhielten, welche für einen Hubschrauber bei der Landung eine Gefahr darstellen könnten.
Beim bisherigen Notfall-Landeplatz auf dem Sportplatz des TSV Lohr seien laut Wolz mit Blick auf das nahe Schwimmbad Probleme durch den sogenannten Downwash denkbar gewesen. Darunter versteht man den vom Hubschrauber erzeugten starken Abwind, durch den Gegenstände aufgewirbelt und in die Umgebung geschleudert werden können.
Für Rexroth war es nach erfolgter interner und externer Klärung offenbar keine Frage, dass man der Würzburger Leitstelle den werksinternen Notfall-Landeplatz auch für externe Notfalleinsätze zur Verfügung stellt. "Den Beitrag zur öffentlichen Notfallversorgung in Lohr und Umgebung leisten wir gern", gibt Pressesprecher Saeger die Haltung des Unternehmens wieder. Eine formelle Vereinbarung sei dafür nicht erforderlich gewesen.
Großer Gewinn für das Klinikum
Von der Offenheit Rexroths profitierten auch das Klinikum Main-Spessart und dessen Patienten sowie die gesamte Bevölkerung, sagt Susanne Theis. Die Pressesprecherin des Klinikums verweist nicht nur darauf, dass Fläche über die Werkszufahrt für Rettungskräfte rund um die Uhr schnell erreichbar, sondern auch noch beleuchtet ist. "Wir sind Bosch Rexroth äußerst dankbar für diese Unterstützung", so Theis. Es handle sich um einen , welches erst mit Fertigstellung der in Bau befindlichen neuen Zentralklinik des Landkreises, voraussichtlich ab 2027, wieder einen direkt angeschlossenen eigenen, dann allerdings auch nach dem Luftverkehrsgesetz dauerhaft anerkannten Landeplatz haben wird.
Bis dahin hat die Würzburger Leitstelle den Landeplatz auf dem Rexroth-Gelände in seinen Einsatzkarten hinterlegt. Im Fall der Fälle werde man primär auf diesen Landeplatz zugreifen, sagt -Pressesprecher Wolf: "So hat der Pilot eine feste Anlaufstelle und weiß, dass er da landen kann." Jeder Anflug eines Hubschraubers werde der Rexroth-Pforte von der Rettungsleitstelle telefonisch angekündigt, so Wolz. Den Sportplatz des TSV behalte man indes weiter als möglichen Landeplatz "in der Hinterhand".