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LOHR
Wandel der Fotografie: Chip statt Film, digital statt analog
Die Drogerie Kleinfelder an der Lohrer Turmstraße im Jahr 1951 – in den Auslagen Kameras, Zigarren  und Toilettenartikel.
Foto: Kleinfelder | Die Drogerie Kleinfelder an der Lohrer Turmstraße im Jahr 1951 – in den Auslagen Kameras, Zigarren und Toilettenartikel.
Wolfgang Dehm
 |  aktualisiert: 13.03.2016 03:25 Uhr

Aktuell ist im Rittersaal des Spessartmuseums die Sonderausstellung „Berufsfotografie im Spessart seit 1850“ zu sehen. Passend dazu gab dort am Dienstagabend Udo Kleinfelder vom gleichnamigen Lohrer Fotofachgeschäft einen Einblick in mehr als 100 Jahre Fotogeschichte. Mit rund 80 Zuhörern war der Besucherandrang so groß, dass noch etliche Sitzbänke und Stühle herangeschafft werden mussten.

Kleinfelder verband die Geschichte des eigenen Geschäfts mit den Entwicklungen im Bereich der Fotografie vom mechanischen Fotoapparat bis hin zur hochleistungsfähigen Digitalkamera, von Glasplatten als Bildträger bis zum modernen Speicherchip.

1904 gründete Karl Kleinfelder, der Großvater des Referenten, an der Lohrer Turmstraße eine Kolonialwarenhandlung, in der auch Chemikalien verkauft wurden. Zu dieser Zeit sei die Amateurfotografie „so ganz langsam ins Rollen“ gekommen und der Großvater sei zunächst mit chemischen Entwicklern in diese Branche eingestiegen. Ab 1907 habe er dann auch gläserne Fotoplatten (Vorläufer des Films) verkauft.

1930 die erste Leica verkauft

Nach dem 1. Weltkrieg begann Leica mit dem Kamerabau, 1930 verkaufte Karl Kleinfelder die erste Leica in Lohr; ein Modell Baujahr 1931 hatte Udo Kleinfelder dabei – „sie funktioniert noch“.

1932 richtete Karl Kleinfelder das erste Fotolabor in Lohr ein: mit dem Geschäft ging es schnell bergauf. 1935 kaufte er ein Haus an der Großen Kirchgasse hinzu und richtete dort mit seinem Sohn, also Udo Kleinfelders Vater, ein deutlich größeres Fotolabor ein. Bis zum Jahr 1940 wurde die Fotoabteilung des Geschäfts weiter ausgebaut.

Während des 2. Weltkriegs wurden die Materialzuteilungen immer problematischer, die Laborarbeiten mussten eingeschränkt werden. Dennoch konnte Kleinfelder bis Ende 1944 noch Bildentwicklung anbieten, bis der Betrieb 1945 ganz am Boden lag.

1946 kam die Nachricht, dass der Vater im Krieg gefallen sei, „da musste die Mutter plötzlich mit der Leica umgehen“. Weil die Militärregierung jede Menge neue Pässe ausstellen musste, wurden dementsprechend viele Passbilder benötigt. Doch weit und breit waren keine Filme aufzutreiben. Bis die Mutter, die Englisch beherrschte, mit der Militärregierung sprach; bald hatte sie Filme der Marke Kodak, „made in USA“.

Wie Udo Kleinfelder berichtete, machte seine Mutter in dieser Zeit rund 100 Passbilder pro Tag. Am Abend waren ihre Augen von dieser Arbeit so erschöpft, dass sie kaum noch etwas sah.

In der Nachkriegszeit ging es mit dem Geschäft wieder deutlich aufwärts, das Labor zog in das Haus an der Turmstraße zurück, die Arbeit war rationeller und schneller geworden. Und jetzt kam auch die Farbfotografie hinzu. Das Bearbeiten dieser Filme war wesentlich aufwändiger als bei Schwarz-Weiß. Schließlich wurde eine automatische Entwicklungsmaschine angeschafft.

Das Geschäft florierte und als weiterer entscheidender Schritt bekam das Fotogeschäft Kleinfelder immer mehr Aufträge aus der Industrie.

Der Sprung zur Digitalfotografie ab Ende der 1990er Jahre ging laut Udo Kleinfelder „langsam und fließend“; dies lag vor allem daran, dass die ersten Digitalkameras nicht sonderlich leistungsfähig waren. Das sei mittlerweile ganz anders. Mit einer guten Digitalkamera erreiche man heute Bildqualitäten, die man früher nicht mal mit einer 6x6 Hasselblad hinbekommen habe, so Kleinfelder.

Schnell und Platz sparend

Während früher vier Räume zur Herstellung von Bildabzügen notwendig gewesen seien, reiche heute ein 1,2 mal 1,4 Meter großer Drucker, sagte Kleinfelder. Innerhalb weniger Minuten seien die Aufträge von der Chipkarte auf dem Server im Labor. Qualitätsbilder seien ab 9 Cent zu haben, „das wäre zu Analogzeiten unmöglich gewesen“. Noch seien Filme erhältlich, sagte Kleinfelder mit Betonung auf dem Wörtchen „noch“; allerdings sei die Nachfrage „fast null“.

Zum Schmunzeln brachte Kleinfelder sein Publikum mit folgender Episode aus dem Jahr 1955. In jenem Jahr kam die erste deutsche Polaroid-Sofortbildkamera auf den deutschen Markt; sie brachte nur Schwarz-Weiß-Bilder zustande und kostete 449 Mark, was damals „ein Haufen Geld“ war, wie Kleinfelder bemerkte. Trotzdem wurde eine solche Kamera angeschafft, um damit schnell Passfotos machen zu können.

Eines Tages kam laut Udo Kleinfelder ein Steinfelder ins Geschäft und sagte, „den Foto müsst ihr mir ausleih'“. Er hatte am Stammtisch erzählt, dass es in Lohr eine Fotokamera gibt, aus der die fertigen Bilder gleich rauskommen – und keiner hatte es ihm geglaubt . . .

Die Geschichte der Fotografie beleuchtete Udo Kleinfelder am Dienstagabend im Spessartmuseum vor rund 80 Zuhörern.
Foto: Dehm | Die Geschichte der Fotografie beleuchtete Udo Kleinfelder am Dienstagabend im Spessartmuseum vor rund 80 Zuhörern.
 
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