„Mir hat gefallen, einen Baum zu umarmen“, sagt Ida. Die zehn Kinder der neuen Waldläufer-Gruppe in Lohr, die sich seit Juni alle vier Wochen am Sendelbacher Romberg treffen, sitzen an einem Samstagnachmittag um ihre Feuerstelle. Die Reflexionsrunde, in der die Jungen und Mädchen zwischen sechs und zwölf Jahren am Ende des Tages zusammensitzen und über ihre Eindrücke berichten, gehört zum festen Ritual. Finnja hat den Redestab in der Hand und ist als nächste an der Reihe. „Trotz des Regens haben wir das Feuer anbekommen“, verkündet sie stolz. Auf seinen heute fertig geschnitzten Stock verweist anschließend der achtjährige Andreas: „Darüber bin ich glücklich.“
Natalie Melchior ist die Leiterin der Gruppe. Sie hört zu, ermutigt und gibt Anregungen, wenn einer ihrer jungen Teilnehmer mit etwas unzufrieden war. Die Wildnispädagogin ist mit dem bisherigen Verlauf der Treffen sehr zufrieden. Die Gruppe habe sich gefunden und harmoniere mittlerweile gut, erklärt sie. Ein gutes halbes Dutzend Mal haben sich die Waldläufer bisher im Sendelbacher Wald auf dem Gelände des Waldkindergartens getroffen. „Der Kern der Teilnehmer ist stabil geblieben“, freut sich Melchior.
Vielseitig aktiv
Mit Geduld hat sie gemeinsam mit dem Initiator der Waldläufer-Gruppen, Nick de Rijke aus Würzburg, die Kinder für Natur und Umwelt begeistern können. „Am Anfang wollten die Kids noch nicht so richtig mitziehen“, erinnert sie sich. „Wenn es darum ging, Feuerholz zu sammeln, stand ich alleine da“ lacht die 39-jährige. Die Teamarbeit aber sei von Woche zu Woche besser geworden: „Die Kinder erkennen mittlerweile ihre Stärken und setzen sie ein.“ Dies ist beim abschließenden Lagerfeuer, dem Höhepunkt des Tages, ersichtlich. Die Jungen sammeln Feuerholz, die Mädchen bereiten das Grillgut vor. Heute gibt es Grillwürste und Kartoffeln, manchmal auch Bananen und Marshmallows.
Nicht nur das Essen, auch die Aktivitäten sind vielseitig. Federn werden gesammelt oder Tierspuren bestimmt. Sinnes- und Orientierungsspiele gehören genauso dazu wie Erzählkreise. Für Melchior und de Rijke steht jedoch der Spaß an vorderster Stelle – der ist den Kindern anzumerken. Während sich einige Kinder in die herabgefallenen Blättern eingraben, redet ein Mädchen mit einem Baum. „Das ist toll, was Du machst“, richtet sich Melchior an die Siebenjährige. „Das hätte sich vor ein paar Wochen niemand getraut“, sagt die gelernte Krankenschwester. „Komplexe abbauen und Eigendynamik entwickeln“ haben sich die Wildnispädagogen auf die Fahne geschrieben. Der Wald und die Umwelt sollen in Ruhe wahrgenommen werden. Eine „meditative Sinneswanderung in Stille“ erkennt Melchior in ihrer Gruppe. Diese möchte sie weiter fördern.
Wir-Gefühl in der Natur
„Durch die Natur können wir den Jungs und Mädels ein Wir-Gefühl vermitteln und Wissen durch Erfahrung ergänzen“, erklärt die Lohrerin. „Einfach den Alltag hinter sich lassen.“ Die Digitalisierung sieht Melchior kritisch. „Der Bezug zur Natur schwindet durch Smartphones und Computerspiele“, warnt sie. Deshalb möchte sie den Kindern die Gerüche und Geräusche des Waldes vermitteln.
Ihre Gruppe soll die Elemente Wasser, Feuer, Luft und Erde wahrnehmen. „Und dem natürlichen Bewegungsdrang nachgehen“, ergänzt sie. „Es geht mir nicht darum ein festes Programm durchzuziehen“, verdeutlicht Melchior: „Die Kids sollen einfach nur abschalten.“
Der Plan von Natalie Melchior und Nick de Rijke, der in Unterfranken mehrere Waldläufer-Gruppen betreut und in Würzburg Pädagogik studiert, scheint aufzugehen: Bei der Verabschiedung seiner Waldläufer-Freunde am Abend fragt der zehnjährige Tamino, wann die Gruppe endlich im Wald übernachten darf. Melchior lächelt und verweist auf das kommende Frühjahr, jetzt sei es zu kalt. „Warum?“, kontert Tamino, „wir sind doch mit der Natur vereint.“
Die nächsten Termine für Lohr sind am 10. November und am 1. Dezember, jeweils von 14 bis 19 Uhr. Anmeldungen unter info@naturverbindet.de oder Tel. 0178/341 64 93.
Weitere Infos: www.naturverbindet.de