Eigentlich war sie schon fast beendet, die Ausschuss-Sitzung der Lohrer Stadträte am Mittwochabend. Ohne größere Aufreger hatte man fast drei Stunden lang über verschiedene Themen diskutiert. Und dann hat es doch noch gerumst. Kurz und heftig. Zum Zankapfel wurde einmal mehr die restriktive Art, mit der Bürgermeister Mario Paul seit einigen Monaten die Öffentlichkeit über Themen der Stadtpolitik informiert beziehungsweise nicht mehr informiert.
Stadtrat Eric Schürr (Bürgerverein) kritisierte den Bürgermeister mit deutlichen Worten. Er warf Paul vor, einerseits den Informationsfluss aus dem Rathaus an die Öffentlichkeit stark eingeschränkt zu haben, andererseits jedoch seinen privaten Account im Internet-Netzwerk Facebook zu nutzen, um noch während laufender Sitzungen Informationen aus dem Stadtrat an einen begrenzten Nutzerkreis zu geben. Informationen, die den Stadträten im Vorfeld der Sitzungen vorenthalten würden, so Schürr. Paul agiere »wie ein kleiner Trump« gipfelte seine Kritik.
Paul ist empört und weist Vorwürfe zurück
Der Bürgermeister zeigte sich angesichts dieses Vergleichs empört und wies die Vorwürfe zurück. Die Art, wie er seinen privaten Facebook-Account nutze, um Informationen über die Stadtpolitik zu verbreiten, sei »Öffentlichkeitsarbeit, so wie man sie sich vorstellt«, so der Bürgermeister.
Auslöser der Kritik war ein Beitrag, der am Montagabend auf Pauls Facebook-Account erschienen war. Um 17.50 Uhr, also noch während der laufenden Sitzung der Stadträte, bei dem es auch um dieses Thema ging, stand dort unter dem Konterfei Pauls, dass es einen neuen »Spielplatz für alle Kinder in Lohr« geben werde. Zu sehen waren mehrere Fotos und Planskizzen. »Ich freue mich riesig, dass der Inklusionsspielplatz für Lohr auf der Zielgeraden ist«, so Pauls Facebook-Eintrag. Der Spielplatz werde ein »toller und einzigartiger Treffpunkt für Familien aus ganz Main-Spessart«. Zum Abschluss seines Beitrags dankte Paul den Eltern, die sich mit Ideen eingebracht hatten.
Vorwurf: In Sitzung am Handy
Schürr warf dem Bürgermeister angesichts des während der noch laufenden Sitzung eingestellten Beitrags vor, seine Arbeitszeit für private Zwecke und fürs »Spielen mit dem Handy« zu nutzen. Das sei ein Unding für einen Vorgesetzten. Als Schürr davon sprach, dass Paul offensichtlich auch gegen die Geschäftsordnung des Stadtrates verstoßen habe, indem er während der Sitzung Planskizzen abfotografiert habe, verblüffte Paul mit seiner Erwiderung: »Ich hab das nicht gemacht.«
Der Beitrag sei nicht von ihm, sondern mit seinem Wissen von einer zur Nutzung seines privaten Facebook-Accounts autorisierten Person eingestellt worden, erklärte der Bürgermeister. Auf Nachfrage der Redaktion erklärte Paul am Tag nach der Sitzung, dass es sich um eine Person aus seinem näheren persönlichen Umfeld handle. Dieser Person stelle er vor der Sitzung die von ihm für den Facebook-Beitrag ausgewählten und verfassten Inhalte zur Verfügung. Anhand der Tagesordnung der Sitzung schätze er ab, wie lang es dauern dürfte, bis der Punkt im Gremium abgeschlossen ist. So ergebe sich der Zeitpunkt, an dem der Beitrag online gestellt werde.
Schürr warf dem Bürgermeister vor, im Vorfeld von Sitzungen Unterlagen, die die Stadträte selbst nicht erhalten haben, an Dritte weiter zu geben. Den Stadträten selbst sei es hingegen neuerdings per Geschäftsordnung verboten, im Vorfeld von Sitzungen Unterlagen herauszugeben, beispielsweise um sich mit Bürgern oder Fachleuten darüber zu beraten. »Sie machen genau das, was sie uns untersagen«, schimpfte Schürr und sagte zu Paul: »Das ist nicht in Ordnung, Herr Bürgermeister, das können Sie nicht machen«.
Paul: Gangbarer Weg
»Warum?«, fragte Paul. Die von ihm gepflegte Praxis sei »Öffentlichkeitsarbeit, so wie man sie sich vorstellt«. Es gebe »Empfehlungen«, wonach es ein gangbarer Weg sei, dass Bürgermeister Öffentlichkeitsarbeit der Kommune über ihren privaten Facebook-Account betreiben. Am Tag nach der Sitzung rückte Paul diese Aussage auf Nachfrage der Redaktion etwas zurecht. Er verwies auf einen Fachaufsatz, in dem Kommunen aus datenschutzrechtlichen Gründen empfohlen werde, in sozialen Netzwerken für Bekanntmachungen keine offiziellen städtischen Accounts zu nutzen, sondern zum Beispiel den Privatzugang des Bürgermeisters, so Paul im Telefonat.
Eine Empfehlung, wonach Kommunen ihre Öffentlichkeit generell so betreiben sollten, sei das freilich nicht, korrigierte Paul den tags zuvor durch seine Aussage entstandenen Eindruck. Das soziale Netzwerk Facebook sei für ihn eine Möglichkeit, mit den Bürgern in Kontakt zu treten, sagte Paul und sprach von »gelebter Bürgernähe«. Die Kritik Schürrs und der Vergleich mit dem US-Präsidenten Donald Trump sei »völlig überzogen und ungebührlich«, zürnte der Bürgermeister auch am Tag nach der Sitzung. Es werde »aus einer Mücke ein Elefant gemacht«.
Wenig Infos seit Wiederwahl
Zu Beginn der neuen Wahlperiode im Mai hatte das Lohrer Rathaus die Information der Öffentlichkeit über anstehende Themen der Stadtpolitik deutlich eingeschränkt. Als sich durch Recherchen auch dieses Medienhauses herausstellte, dass das dafür vorgebrachte Argument des Datenschutzes als Rechtfertigung nicht taugt, beschloss der Stadtrat einige Wochen später mit großer Mehrheit, dass er sich von Paul eine wieder bessere Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld von Sitzungen wünscht. Paul wundert sich nun. Er praktiziere jetzt Öffentlichkeitsarbeit via Facebook. Doch dann sei dies auch wieder nicht recht.
Dass die Unterlagen, die Paul noch während der Sitzung im Internet verbreiten ließ, der Presse in der Sitzung einmal mehr gar nicht und auch am Tag danach erst auf wiederholte Nachfrage im Rathaus mit deutlicher Verzögerung zur Verfügung gestellt wurden, bezeichnete Paul als »bedauerlich«. Er sagte: »Da müssen wir besser werden.« Paul kündigte an, dass er dem Wunsch des Stadtrates folgend die Information der Öffentlichkeit wieder ausbauen wolle, beispielsweise mit einem Newsletter. Dessen Umsetzung sei bislang an technischen Problemen beim Dienstleister gescheitert. Nun habe man diesen gewechselt.
Eric Schürr indes kündigte am Tag nach der Sitzung an, prüfen lassen zu wollen, ob Pauls Vorgehen rechtlich in Ordnung ist. Unabhängig davon, das lassen Aussagen von Stadträten aus verschiedenen Lagern erkennen, herrscht im Gremium verbreitetes Kopfschütteln zum Agieren des Bürgermeisters. Dieser habe selbst bei Grünen und SPD, also bei den Parteien, die ihn im Wahlkampf getragen haben, deutlich an Rückhalt eingebüßt. Ein Mitglied des Gremiums sagt über das Verhältnis von Paul zu den Stadträten: „Er ist so ziemlich isoliert.“