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Lohr
Vortrag über Nikolaus Fey: Ein Mensch in seinem Widerspruch
Carsten Busch mit einem Bild des Heimatdichters Nikolaus Fey.
Foto: Thomas Josef Möhler | Carsten Busch mit einem Bild des Heimatdichters Nikolaus Fey.
Bearbeitet von Thomas Josef Möhler
 |  aktualisiert: 20.03.2022 02:19 Uhr

Das Lebensbild eines widersprüchlichen Menschen hat Carsten Busch vom fränkischen Heimatdichter Nikolaus Fey gezeichnet. Bürgermeister Mario Paul skizzierte, wie in Lohr mit der Frage umgegangen werden wird, ob wegen der Tätigkeit des Schriftstellers im Nationalsozialismus der Nikolaus-Fey-Weg umbenannt werden sollte.

Gut 50 Zuhörer hatten den Weg zur Veranstaltung von Volkshochschule und Geschichts- und Museumsverein Lohr in die Stadthalle gefunden, darunter Anwohner des Nikolaus-Fey-Wegs, die Paul per Brief eingeladen hatte. Rund 20 Menschen sahen sich nach Angaben von Wolfgang Vorwerk, dem Vorsitzenden des Geschichts- und Museumsvereins, die Live-Übertragung im Youtube-Kanal der Stadthalle im Internet an.

Carsten Busch ist Rektor der Nikolaus-Fey-Grundschule in Wiesentheid. Dort kam der Heimatdichter am 2. März 1881 zur Welt. Seine Eltern besaßen eine Möbelfabrik und eine kleine Landwirtschaft. Nikolaus Fey hatte noch sechs Brüder und sechs Schwestern.

Pfarrer förderte Nikolaus Fey

Eine wichtige Rolle in seinem Leben sollte der Dorfgeistliche Josef Abel spielen. Dieser erkannte Feys Talent und ermöglichte ihm eine höhere Bildung in einem Missionsseminar, die Fey aber nicht abschloss. Das Abitur machte er als Privatschüler in Schweinfurt, anschließend studierte Fey in München und Berlin.

Auch die Universität verließ er ohne Abschluss, seinen Lebensunterhalt verdiente er als freier Schriftsteller. 1915 zog er als Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg, wurde durch Giftgas schwer verwundet und verschüttet. Eineinhalb Jahre in Lazaretten folgten, bevor er in den Steigerwald zurückkehren konnte.

1918 zog Fey mit seiner Frau Ottilie, die er 1914 geheiratet und mit der er fünf Töchter hatte, nach Lohr. Josef Abel, mittlerweile Pfarrer in Lohr, hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass der Lohrer Anzeiger zum Verkauf stand, den Fey erwarb und herausgab. Aus wirtschaftlichen Gründen verkaufte er die Zeitung 1922 schon wieder, blieb aber in Lohr und baute am Forsthof ein Haus für seine Familie. In der Folgezeit machte sich Fey einen Namen als Heimatdichter, Förderer und Verteidiger von fränkischen Traditionen, Sprache und Brauchtum. Sein bekanntestes Stück dreht sich um Florian Geyer, einen Anführer im Bauernaufstand von 1525.

Eintritt in die NSDAP

Wo sich Feys Heimatgedanken mit der Blut-und-Boden-Ideologie der Nationalsozialisten überschnitten hätten, sei er "völlig unkritisch" gewesen, erläuterte Carsten Busch. Nach der Machtübernahme durch Adolf Hitler, in dem nach Feys Worten Florian Geyer erschienen ist, häuften sich die Widersprüche.

Um weiter publizieren zu können, musste er Mitglied der Reichskulturkammer und ihrer Unterorganisation Reichsschrifttumkammer werden. Mitglied in der NSDAP wurde er dagegen freiwillig. Referent Busch zitierte aus einigen Gedichten Feys "erschreckend antisemitische Gedanken". Andererseits behandelte Fey die jüdische Vermieterin einer seiner Töchter, die in Berlin studierte, bei Besuchen sehr freundlich und unterstützte sie mit Gemüse aus seinem Garten. Einen Verfolgten des Regimes nahm er nach dessen Entlassung aus der Schutzhaft in seinem Haus auf.

Illusionen über das Regime verloren

Im Herbst 1942 wurde Fey nach Krakau ins besetzte Polen dienstverpflichtet. Als Referent der Reichsschrifttumkammer sollte er Literatur kontrollieren und Lesungen organisieren. Zeitzeugen bescheinigten Fey, mit der einheimischen Bevölkerung anständig umgegangen zu sein. Im persönlichen Umgang sei das Mitgefühl zutage getreten, das er in seinen Schriften habe vermissen lassen, so Busch.

In Krakau verlor Fey nach den Worten des Referenten seine Illusionen über das Regime. Mit der Erkrankung seiner Frau als Vorwand kehrte er im Juli 1944 nach Lohr zurück. Nach dem Krieg musste er sich in einem Spruchkammerverfahren verantworten und wurde als Mitläufer eingestuft. Nikolaus Fey starb am 19. Juli 1956 bei einem Vortrag in Gerolzhofen infolge eines Schlaganfalls.

Der Vortrag habe die Zuhörer "nachdenklich zurückgelassen", meinte Wolfgang Vorwerk. Der frühere Stadtrat Uli Mergner wollte von Busch wissen, ob er eine Umbenennung des Nikolaus-Fey-Wegs in Lohr empfehle. Das sei eine politische Frage, erwiderte der Referent und reichte sie an Bürgermeister Mario Paul weiter.

Ein Vorbild?

Nach dessen Worten wird im Mittelpunkt der Diskussion nicht die Frage stehen, was für ein Mensch Nikolaus Fey gewesen sei. Vielmehr werde es darum gehen, wie Lohr als politische Kommune damit umgehe, dass Nikolaus Fey als Vorbild gelte, wenn eine Straße nach ihm benannt sei. Die Diskussion müsse auf einer "sachlichen und historisch fundierten Basis stehen", forderte Paul.

Ort der Debatte sei der Stadtrat, unterstützt werde sie durch die fachkundige und ausführliche Recherchearbeit, die Vorwerk vorgelegt habe. Nach Pauls Worten gibt es drei Möglichkeiten. Die erste, alles beim Alten zu belassen, sei "eher unwahrscheinlich". Die zweite Alternative sei die Kontextualisierung, also die historische Einordnung des Namensgebers.

Als dritte Möglichkeit bleibe die Umbenennung, weil Fey als Brandstifter kein Vorbild sein könne. Die Entscheidung müsse der Stadtrat treffen, dabei habe er "keine Eile". Eine gewisse Rolle werde auch spielen, dass der Nikolaus-Fey-Weg ein sehr langer Straßenzug mit rund 140 Meldeadressen sei. Laut Paul ist eine "gewisse Sorgfalt bei der Entscheidung angezeigt".

"Naiv und blind"

Einer Umbenennung setzt er sich nicht entgegen, meinte Michael Fey, der Enkel des Dichters, der heute noch im Familienhaus am Forsthof wohnt. Ein Vorbild sei Nikolaus Fey nicht. Die Debatte dürfe aber nicht umschlagen in abwegige Thesen über die Person seines Großvaters, von dem kein schiefes Bild entstehen sollte.

Bürgermeister Paul habe die richtige Richtung angezeigt: die Unterscheidung von Person und Tätigkeit. Sein Großvater habe erst in Krakau gemerkt, "was er unterstützt hat". Vorher sei er "naiv und blind" für die Taten des Regimes gewesen.

 
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