
Gerät die Welt aus den Fugen? Angesichts der Flüchtlingskrise und der Terroranschläge stellt sich diese Frage beinahe täglich. Und dieser Frage stellte sich Oberstleutnant Manfred Scholl in seinem gleichnamigen Vortrag in der Aula des Friedrich-List-Gymnasiums. Der Referent beschäftigte sich vor allem mit den Problemen im Nahen Osten und beleuchtete den Arabischen Frühling sowie die Entstehung des Islamischen Staates (IS).
Folge des Irak-Krieges
Der IS wurde schon vor 2010 gegründet, doch was oder wer machte ihn in den letzten Jahren so mächtig? Der IS entstand als Folge eines Religionskonflikts zwischen Sunniten und Schiiten – beide Zweige des Islams. Infolge dieses Religionskonflikts gab es vor allem mit dem Beginn des Irakkriegs 2003 gewaltige Umstürze. Vorher herrschte im Irak die Minderheit der Sunniten über die mehrheitlich schiitische Bevölkerung unter der Führung von Saddam Hussein. Mit dem Sturz der Regierung änderte sich das.
Das Problem war allerdings, dass es nun militärisch gut ausgebildete Sunniten gab, die ihre bisherigen Positionen verloren hatten, erläuterte Scholl. Es handele sich um gute Strategen, die nun dem IS angehörten, und die für dessen Schlachtpläne verantwortlich seien. Seit 2006 ist der IS bekannt und hatte schon mehrere Führer, weil immer wieder führende Köpfe getötet wurden. Schließlich breitete sich der IS auch in anderen Staaten aus wie beispielsweise in Syrien.
Was kann man gegen diese Form des Terrorismus tun?, fragte Oberstleutnant Scholl. Oft werde gefordert, die Finanzströme des IS einzufrieren, doch das sei leichter gesagt, als getan. Denn die Finanzsysteme seien undurchsichtig, „nicht wie bei uns mit IBAN und BIC kenntlich gemacht.“ Woher kommt das Geld? Es gebe viele verschiedene Quellen: Zum einen liegen im Norden des Iraks viele Ölfelder, das Öl bringt hohe Gewinne. Zum anderen gebe es viele Spenden, auch aus Nachbarstaaten. Und der IS verkaufe Frauen als Bräute – für uns völlig unvorstellbar, sagte Scholl.
Aber es wurde noch viel grausamer. Während des Vortrags zeigte Scholl Fotos wie das eines exekutierten Mannes, dessen Kopf auf dem Körper liegt. Die Gewalt, die in diesen Ländern herrscht, erklärt, warum so viele Menschen fliehen, was weitere Probleme bringt. Denn die Türkei hat rund zwei Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Das benutze der Staat als Druckmittel: „Wenn die Türkei den Wasserhahn zudreht, dann machen sich die Flüchtlinge auf den Weg über die Balkanroute zu uns. Dann sind sie in fünf, sechs Monaten da“, sagte Scholl. So könne die Türkei Forderungen an den Westen stellen.
Keine kurzfristige Lösung
Kurzfristig sei das Problem nicht zu lösen. Auch der Einsatz der Bundeswehr werde wahrscheinlich nicht viel bewirken, meinte der Referent. Aber ein zweites Afghanistan werde es nicht geben, bedenke man die vielen Opfer. Scholl befürwortet, dass die benachbarten Golfstaaten Flüchtlinge aufnehmen. Um den IS zu bekämpfen, müsse die gesamte Führungsriege beseitigt werden, nicht „der kleine Mann, der für zehn Dollar am Tag eine Waffe in die Hand nimmt“.
Die Frage, ob es eine friedliche Einigung in Verhandlung mit dem IS geben könne, verneint er. „Ich sage den Leuten immer, ihr könnt es ja probieren, mal schauen wie lange ihr überlebt.“ Auch die Aktionen der Gruppe „Anonymous“ beurteilt er kritisch. Es sei zwar gut, die Kommunikationswege des IS lahmzulegen, aber was komme dann, da die Gruppe keinen politischen Weisungen unterliegt.
Die Eingangsfrage, gerät die Welt aus den Fugen, beantwortet Manfred Scholl mit einem klaren Ja.