Weil das Rauchen in öffentlichen Räumen schon seit gefühlt 100 Jahren verboten ist und viele diese uralte Kulturtechnik verlernt oder gar noch nie gelernt haben, gab es in der Volkshochschule in Lohr jetzt einen exklusiven Raucherlehrgang. Allerdings wurde hier kein Tabak aus Kuba oder aus Afrika verkostet, sondern fast ausschließlich Kräuter aus dem heimischen Garten. Natürlich nur legale. Die Freigabe von Cannabis, das auch im milden Klima des Mains und seiner Nebentäler bekanntlich gut gedeiht (wie wir aus Polizeiberichten und Gerichtsverhandlungen wissen), steht nämlich noch aus.
Gedealt wurde auch nichts. Das sei gleich klargestellt. Die Referentin war eine professionelle Kräuter- und Räucherführerin aus dem tiefen Spessart, die sich ganz im Stil unserer Vorfahren auf das traditionelle Räuchern zur Zeit der Rauhnächte konzentrierte. Das Räuchern diente vormals in erster Linie zu zwei Dingen: es sollten "böse Geister" vertrieben werden und man wollte zum Jahreswechsel einen Blick in die Zukunft werfen.
Welchen bösen Geistern die teilnehmenden zwölf Frauen und drei Männer den Garaus machen wollen, weiß ich nicht. Was die Zukunft bringt, außer gelegentlichen Spaziergängen und Starkregenereignissen, leider auch nicht. Aber zumindest das Räuchern in Theorie und Praxis, das ist mir nun bekannt.
Strenger Geruch hilft gegen Mief
"Jetzt riecht es womöglich etwas streng", warnte die Kräuterfee beim ersten Versuch mit qualmenden Salbei. Der zieht ganz schön die Nase hoch. Angesichts der strengen Gebräuche in den Rauhnächten hat das früher sicher nicht geschadet, weil es andere Düfte überdecken kann. Schließlich lautete eine Regel, dass man wegen des "Wilden Heeres" nicht waschen durfte, was die ohnehin reichlich vorhandenen Aromen im Haus sicher noch verstärkt haben dürfte. Zum Glück haben wir heute Febreeze daheim und im Auto baumelt ein Duftbaum am Rückspiegel.
Natürlich mussten auch das gesamte Haus und der Stall ausgeräuchert werden. Schließlich vertreibt der Wacholder-Rauch nicht nur Dämonen und Krankheitsgeister, sondern auch das Ungeziefer hinter dem Möbel und in Mauerritzen. Auf diese Art konnte man sich den Kammerjäger ersparen.
Wozu der harzige Styrax gut sein kann
Aber unsere Altvorderen hatten auch etwas für angenehmere Düfte übrig. Wenn man zum Jahreswechsel in die Zukunft blicken wollte, galt es den "Geist zu öffnen". Dazu wurde dann Weihrauch verräuchert oder Mariengras für die Glücksgefühle. Zirbenholz macht euphorisch – heute würde man sagen, es macht high. Das Bukett des harzigen Styrax hebt die Sinnlichkeit und wirkt sogar aphrodisierend – ein Vorläufer der blauen Pillen? Jedoch keine falschen Hoffnungen: da war noch das Gebot, dass der Mann in den Rauhnächten seine Finger von seiner Ehefrau lassen sollte. Aber vielleicht war das ja auch zum Schutz des Gatten von Vorteil.
Ob das Räuchern auch gegen die Verbreitung von Corona hilft, konnte die Kräuterfrau nicht mit Sicherheit sagen. Allerdings könnte es als Testverfahren dienen, weil das Virus bekanntermaßen auch den Geruchssinn lahm legt. Was früher oder später auf jeden Fall geschieht: die Aromen des Räucherns verduften. Und das könnte Corona endlich auch.