"Er schoss in seinem Garten mit einer Pistole in Richtung des Jagdterriers und traf das Tier, das einen Lungendurchschuss erlitt", hieß es sachlich nüchtern in der Anklage, die auf Sachbeschädigung und Verstoß gegen das Tierschutzgesetz lautete. Der Hund überlebte die Schussverletzung – was schon an ein Wunder grenzt – dank einer Notoperation, die fast 1200 Euro kostete.
Wie der Anwalt des Angeklagten Rentners aus dem Raum Arnstein schilderte, habe dieser an einem Tag Ende September seine beiden Katzen schreien hören. Zunächst habe der 67-Jährige versucht, den Hund mit Anschreien und Fußaufstampfen zu vertreiben. Als das misslang, habe er aus dem Keller die Pistole und zwei Schuss Munition geholt. Sein Plan sei gewesen, den Hund durch In-den-Boden-Schießen zu vertreiben. Der Hund hatte die Katzen inzwischen in einen Schuppen gejagt, wo sie auf Bretter geflüchtet waren. Dort sei das Tier in den zweiten Schuss gelaufen.
"Ich hab nicht auf den Hund gezielt, sonst wäre der tot. Ich bin ein Tierfreund", sagte der Angeklagte, und dass er ein guter Schütze sei. Allerdings kam in den über zwei Stunden auch zur Sprache, dass er Hunde aufgrund schlechter Erfahrungen nicht mag. Nach dem Schuss soll der Hund ruhig dagesessen oder gelegen haben. Der Angeklagte fand ein Halsband mit der Telefonnummer des Hundehalters.
Zähnefletschender Hund oder lammfrommes Tier?
Der Hundehalter ist Jäger und wohnt wenige Straßen weiter. Ihm war der Jagdterrier unbemerkt bei Gartenarbeiten entwischt. Der Mann hörte die Schüsse. Nach dem Anruf, der erst eine Stunde später erfolgt sein soll, machte er sich mit zwei Bekannten zu Fuß auf dem Weg und fand das verletzte Tier. Er erkannte, dass der Hund schwer atmete und sah die Schussverletzung. Sichtbare Blutungen soll es nicht gegeben haben. Der Besitzer verschloss die Wunden deshalb notdürftig mit Mullbinden und brachte den Hund im Auto zur Tierklinik in Bad Kissingen. Nach der geglückten Notoperation musste er ihn zuhause noch eine Woche lang mit Schmerztabletten behandeln.
Die in der Verhandlung gefallenen Aussagen zum Wesen des Hundes könnten unterschiedlicher nicht sein. Der Angeklagte schilderte ein Tier mit ausgelebten Jagdtrieb, das ihn zähnefletschend angeknurrt habe. Laut Halter ist der Hund dagegen lammfromm, "das ist eher ein Familienhund als ein Jagdhund", er wiege nur 7,3 Kilo und lasse sogar seine Hühner in Ruhe. Eine in der Gegend wohnende Mutter berichtete, ihre kleine Tochter habe das zutrauliche Tier mehrfach gestreichelt.
Auch über die Fähigkeiten von Jagdterrieren gingen die Ansichten auseinander. Sein kleiner Hund könne keinen Meter hoch springen, sagte der Halter. Der Verteidiger gab sich als Jäger zu erkennen, der auch Jagdterrier hält: einer habe sich mal ein Plüschtier von einem zwei Meter hohen Schrank geholt; die Tiere könnten auch die Leitern von Hochsitzen raufsteigen.
Ein Polizist als Zeuge berichtete, dass der Angeklagte sich im September kooperativ verhielt, die Pistole und einen Revolver nebst Waffenbesitzkarten und Munition übergab. Alles sei ordnungsgemäß in getrennten Schränken und Tresoren verwahrt gewesen.
Antrag lautet auf 100 Tagessätze
Das änderte nichts an der Anklage, die Staatsanwältin sah den angeklagten Sachverhalt bestätigt. Es habe keinen rechtfertigenden Grund gegeben, auf dem Hund zu schießen. Der Lungendurchschuss habe einem Wirbeltier erhebliche Schmerzen bereitet, was gegen das Tierschutzgesetz verstößt. Einen Strafbefehl über 40 Tagessätze hatte der Angeklagte widersprochen, jetzt beantragte die Anklagevertreterin 100 Tagessätze zu 40 Euro und die Einziehung der Pistole.
Der Verteidiger forderte dagegen einen Freispruch. Es sei nicht zu widerlegen, dass sein Mandant zweimal in den Boden schießen wollte, damit sei man im Bereich der Fahrlässigkeit. Eine fahrlässige Sachbeschädigung gebe es nicht. Für den Verstoß gegen das Tierschutzgesetz fehle es an Rohheit, der Rentner habe nur seine Katzen und auch sich selbst schützen wollen.
Richter Sven Krischker sah beide Tatvorwürfe als erwiesen an, weshalb er den Mann zu 90 Tagessätzen von je 40 Euro plus Verfahrenskosten sowie Einziehung der Pistole verurteilte. Der Hund habe die Katzen nicht erreichen können und habe den Angeklagten nicht angegriffen. Dieser habe auf einen kleinen Hund geschossen und dadurch Schmerzen des Tieres oder seinen Tod in Kauf genommen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Über die Kosten der Notoperation läuft eine Zivilklage. Ob der Rentner den eingezogenen Revolver zurück bekommt, muss das Landratsamt entscheiden.