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Rieneck/Wombach
Vor 80 Jahren Kindergartenleiterin: "Tante Marianne" feierte 100. Geburtstag
Die 100-jährige Marianne von Prince aus Coburg arbeitete 1939 auf Burg Rieneck, anschließend leitete sie im Krieg den NSV-Kindergarten in Wombach und danach den in Marktheidenfeld.
Die Coburgerin Marianne von Prince war vor 80 Jahren Kindergärtnerin auf Burg Rieneck und danach Kindergartenleiterin in Wombach und Marktheidenfeld. Hier hat sie zu ihrem 100. Geburtstag Tochter Juliane und Enkel Felix Consbruch zu Besuch.
Foto: Juliane Consbruch | Die Coburgerin Marianne von Prince war vor 80 Jahren Kindergärtnerin auf Burg Rieneck und danach Kindergartenleiterin in Wombach und Marktheidenfeld. Hier hat sie zu ihrem 100.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 27.04.2023 09:16 Uhr

Am 7. November hat die Coburgerin Marianne von Prince, geborene Kühn, ihren 100. Geburtstag gefeiert. Die erste Arbeitsstelle der noch geistig fitten Dame war 1939 – nach ihrer Ausbildung zur Kindergärtnerin in Thale im Harz – die Burg Rieneck. Danach leitete "Tante Marianne" zu Beginn des Krieges eineinhalb Jahre lang den Kindergarten in Wombach und von Juni 1941 an ein Jahr lang den Kindergarten in Marktheidenfeld. Sie hört etwas schlecht, deshalb hat ihre Tochter Juliane Consbruch, die ihre Mutter in Coburg im Altenheim besuchte, beim Telefonat mit Marianne von Prince geholfen.

Wie es kam, dass sie 1939 auf Burg Rieneck anfing? Die Reichsleitung in Berlin habe sie auf die Jugendburg nach Rieneck geschickt, erzählt die 100-Jährige. Gemeint ist offenbar das "Hauptamt für Volkswohlfahrt" in der Reichsleitung der NSDAP, der die NS-Volkswohlfahrt (NSV) unterstand. Die Burg Rieneck, so erzählt Prince, war damals ein Erholungsheim für Kindertransporte aus Danzig. Alle paar Wochen sei ein neuer Transport gekommen. Es habe mehrere Gruppen gegeben, für die vier Kindergärtnerinnen samt Helferinnen zuständig waren. Nach sechs Wochen kamen wieder neue Kinder. Ingesamt, so ist einem ihrer Zeugnisse zu entnehmen, waren für je sechs Wochen jeweils 120 erholungsbedürftige Kinder im schulpflichtigen Alter auf der Burg. Sie selbst war für Knabengruppen im Alter von 7 bis 10 Jahren zuständig.

Dienst auf der Burg, bis der Krieg ausbrach

In Rieneck, wo sie von Ende März bis Ende August 1939 Gruppenführerin war, habe sie wenig Kontakt zur Bevölkerung gehabt. "Da hatte man zu tun, mit den Kindern zurechtzukommen", erzählt die Coburgerin. Sie erinnert sich an ein gut eingerichtetes Kinderheim in einem modernen Anbau der Burg. Und sie erinnert sich noch daran, dass in Rieneck damals zwei berühmte Schriftsteller wohnten, die Brüder Anton und Friedrich Schnack. Ende August 1939 sei das Kinderheim auf der Burg wegen des bevorstehenden Krieges jedoch aufgelöst worden. Die Burg Rieneck wurde in ein Lazarett umgewandelt.

Eine alte Postkarte mit der Burg Rieneck als NSV-Erholungsheim, also wohl 1936 bis 1939 entstanden.
Foto: Repro Björn Kohlhepp | Eine alte Postkarte mit der Burg Rieneck als NSV-Erholungsheim, also wohl 1936 bis 1939 entstanden.

"Wir Kindergärtnerinnen wurden auf die Gegend aufgeteilt", sagt Marianne von Prince. Zunächst wurde sie von ihrer Dienststelle in Würzburg auf die Burg Rothenfels versetzt. Eigentlich hätte es dort mit den volksdeutschen Kindern weitergehen sollen, aber dorthin kamen erwachsene Aussiedler aus der Bukowina, denen in Deutschland Bauernhöfe versprochen worden waren.

Sie baute den NSV-Kindergarten in Wombach auf

Sie kam deshalb zunächst nach Lohr, wo sie im NSV-Kindergarten in der Stadt arbeitete und im Oktober 1939 nach Wombach, wo sie die Aufgabe bekam, zusammen mit einer Kindergärtnerin aus der Gegend einen "Erntekindergarten" für die NSV aufzubauen. "An Wombach habe ich gute Erinnerungen", sagt sie rückblickend. In Wombach hatte sie anfangs Schwierigkeiten mit dem Dialekt der Dorfkinder, aber das habe sich bald gegeben. "Es war kein Mann im Dorf, die Frauen haben die Bauernarbeiten machen müssen", beschreibt sie die Notwendigkeit eines Kindergartens damals.

Ein Foto von 'Fräulein Marianne' in ihrem damaligen Dienstausweis.
Foto: von Prince | Ein Foto von "Fräulein Marianne" in ihrem damaligen Dienstausweis.

Um eine neue Einrichtung für den Kindergarten zu kaufen, fuhr sie einmal von Wombach nach Bad Rodach zur Firma Wehrfritz. Als der Kindergarten eingerichtet war, machte sie mit selbst gemalten Plakaten Werbung. Denn anfangs sei der NSV-Kindergarten in Wombach auf Vorbehalte gestoßen. "Ach Fräulein, zu Ihnen werden wir die Kinder nicht schicken dürfen", hätten ihr Mütter gesagt. Denn vorher habe es einen katholischen Kindergarten gegeben, der von Nonnen betrieben wurde. Im NS-Deutschland wurden von Nonnen betriebene Kindergärten jedoch nicht gern gesehen, die Nonnen seien aus Wombach vertrieben worden und in ihr Mutterhaus zurückgekehrt.

In der Zeitung verabschiedet

Letztlich sei der NSV-Kindergarten aber gut angenommen worden. 30 bis 40 Kinder hatte sie in Wombach. "Der Kindergarten lief sehr gut." Vorübergehend wohnte sie anfangs in Wombach in einem Gasthaus und aß mit der Wirtsfamilie aus einem Topf, dann wohnte sie in Lohr und fuhr mit dem Rad zum Kindergarten. Sie erinnert sich an einen Abschiedsartikel in der örtlichen Zeitung und eine herzliche Verabschiedung durch den Bürgermeister, als ihre Zeit in Wombach Ende Februar 1941 zu Ende ging. Im Artikel heißt es, die Mütter und Frauen Wombachs hätten sich recht zahlreich eingefunden, um sie zu verabschieden. In einem von Bürgermeister Nikolaus Scherg geschalteten "Nachruf" stand ferner: "Nach kurzer, aber überaus segensreicher und ersprießlicher Tätigkeit scheidet Fräulein Marianne Kühn aus unserm Dorfe, dessen Kindergarten sie seit seiner Gründung im Herbste 1939 mit bestem Erfolge leitete."

Nach einer dreimonatigen Unterbrechung, in der sie den Haushalt ihrer Eltern führte, wurde sie im Juni 1941 Kindergartenleiterin in Marktheidenfeld. Auch dort seien die Nonnen von den Nazis abgesetzt worden. Nach einem Jahr meldete sie sich freiwillig für die Ukraine. Sie landete in einem Ort namens Pusztavodiza. Dort sollten volksdeutsche Kinder deutsch erzogen werden, erinnert sie sich. Sie richtete Kindergärten ein und bildete Frauen als Helferinnen aus. Im August 1943 kam sie noch einmal nach Würzburg, wo ihre oberste Dienststelle saß, zurück. 1944/45 bildete sie sich in Prag zur Hortleiterin weiter. In Rieneck oder Wombach sei sie später nie mehr gewesen, erzählt die Marianne von Prince.

Zur Person
Die Coburgerin Marianne von Prince, geborene Kühn, kam am 7. November 1919 auf die Welt. Mit einem Bruder und einer Schwester wuchs sie auf der Veste Coburg auf. Nach einem Landfrauenjahr in der Uckermark sowie dem Besuch eine Höheren Töchterschule und einem Pensionat in Erfurt ließ sie sich 1937 bis 1939 zur Kindergärtnerin und Hortnerin ausbilden. Ihre ersten Berufsjahre verbrachte sie in Rieneck, Wombach und Marktheidenfeld.
1946 kam Tochter Juliane zur Welt. Beruflich ging es in ihrer Heimatstadt Coburg weiter. Sie bildete sich zur Heilpädagogin weiter und leitete das Diakonisch Soziale Zentrum. 1975 heiratete sie Adalbert Tom von Prince. Bis zum 98. Lebensjahr versorgte sich die Jubilarin selbst. Marianne von Prince hat inzwischen sechs Enkelkinder und fünf Urenkelkinder.
 
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