Das Versenden eines Briefes vor 75 Jahren, vier Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, während der amerikanischen Besatzung, war mit einigem Aufwand verbunden. Ein Briefkuvert im Besitz des Autors, abgesandt am 10. September 1945 von der Gemeinde Duttenbrunn an das Finanzamt in Karlstadt, erzählt Einiges über die damalige Situation.
Anfang April 1945 hatten die Amerikaner das Gebiet des heutigen Main-Spessart-Kreises bis Karlstadt eingenommen. Sämtliche öffentliche Einrichtungen unterlagen nun der Kontrolle der Militärregierung und wurden geschlossen. Auch der Postbetrieb war eingestellt. Nur von den Besatzungsbehörden genehmigte amtliche Korrespondenz wurde angenommen und ausnahmslos einer Zensur unterzogen.
Briefe zum "Wohle der Allgemeinheit"
Anfang Juli wurde der Briefdienst für amtliche Schreiben in Nordbayern wieder zugelassen, zum Ende des Monats auch der Geschäftsbriefverkehr. Ab dem 17. August war der Versand von Behörden- und Geschäftsbriefen an Empfänger jeder Art bei verschlossener Einlieferung wieder möglich. Im Amtsblatt vom 28. Juli wurden allgemein Zensurbestimmungen bekannt gegeben, die bei der Aufgabe von Briefen zu beachten waren. Am 4. August kam eine Erweiterung und Ergänzung zum Behördenbriefverkehr. Danach musste ab sofort auf der linken Aufschriftsseite folgender Vermerk angebracht werden: "Ich bestätige, daß dieser Brief nur amtliche Mitteilungen enthält, die für das Wohl der Allgemeinheit wichtig sind. Unterschrift …". Ein ähnlicher Vermerk musste auch auf Geschäftspost angebracht werden.
Auch Gottfried Dernbach, der von der amerikanischen Militärbehörde in Duttenbrunn eingesetzte Bürgermeister (7. Juli 1945 bis 24. Mai 1948), musste für den Brief der Gemeinde an das Finanzamt in Karlstadt die Zensurvorschriften beachten. Mit der Schreibmaschine schrieben Dernbach oder der Gemeindediener den vorgeschriebenen zweisprachigen Text auf ein Blatt Papier und sie klebten die Bestätigung auf das Kuvert. Des Englischen möglicherweise nicht mächtig, unterlief ihnen ein Schreibfehler, anstatt "piece of mail" (Postsendung) schrieben sie "place of mail" (Platz). Bürgermeister Dernbach musste beide Erklärungen unterschreiben. Derartige Vermerke waren ab 19. September 1945 nicht mehr erforderlich.
Briefporto von zwölf Pfennig
In der Poststelle in Duttenbrunn lagen noch keine der von den Alliierten gedruckten Briefmarken vor (sogenannte AM-Post-Marken). Eventuell noch vorrätige Postwertzeichen des Deutschen Reiches durften in Bayern keinesfalls verwendet werden. Die Gemeinde musste daher den Brief persönlich bei der örtlichen Post abgeben. Das Porto war in bar zu entrichten. Dies bestätigte der Poststelleninhaber mit einem Rahmenstempel "Gebühr bezahlt". In der rechten oberen Ecke vermerkte er das erhobene Porto von zwölf Pfennigen, das Briefporto, das bereits während des Dritten Reiches gegolten hatte. Mit dem Poststempel "Duttenbrunn über Lohr (Main)" vom 10. September 1945, auch dieser Stempel war schon während des Krieges im Gebrauch, war der Brief frei gemacht.
Die Poststelle in Duttenbrunn im Haus Zellinger Straße 90 (heute Schmiedsstraße 1) hatte Josef Kraus inne. Auf dem Gebühr-Bezahlt-Stempel bestätigten zwei Personen mit Unterschrift beziehungsweise einem Namenszeichen den Bezahlvorgang. Die Unterschrift stammt nicht von Kraus, es ist anzunehmen, dass "die Postler aus Lohr" die Abfertigung des Briefes prüften, für das eingehobene Porto auf dem Stempel quittierten und möglicherweise auch das Bargeld mitnahmen.
Langer Weg über Lohr nach Duttenbrunn
Obwohl Duttenbrunn zum Landkreis Karlstadt gehörte, wurde die Post über das Postamt Lohr geleitet, wie der Zusatz im Poststempel "über Lohr (Main)" und auch der Absenderzusatz der Gemeinde "Post Lohr / Land" verrät. Die sogenannte Landkraftpost Ost verlief von Lohr über Sendelbach, Hausen, Steinfeld, Stadelhofen, Duttenbrunn, Urspringen, Roden, Waldzell, Sendelbach zurück nach Lohr. Die Landpostlinie war nach dem 29. März 1945 eingestellt worden. Ab 1. August konnte die Linie Ost abwechselnd mit der Linie West mit einem Kraftwagen durchgeführt werden, den die amerikanische Militärverwaltung dem Postamt Lohr zur Verfügung gestellt hatte.
Die Abfertigung des Briefes durch das Postamt in Lohr ist durch den ersten Lohrer Werbestempel dokumentiert, der am Folgetag, 11. September, abgeschlagen wurde. Von Lohr Stadt ging der Brief zum Lohrer Bahnhof und erreichte von dort mit der Bahn sein Ziel in Karlstadt. (JOR)