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Lohr
Vor 50 Jahren: Lohrer CSU-Ortsverband löst sich nach Kreissitzentscheidung auf
Die Fahnen mit Trauerflor wurden in Lohr im April 1973 wieder abgehängt. Die Lohrer CSU löste sich aus Protest auf. 
Foto: Repro: Hans Lembach | Die Fahnen mit Trauerflor wurden in Lohr im April 1973 wieder abgehängt. Die Lohrer CSU löste sich aus Protest auf. 
Bearbeitet von Hans Lembach
 |  aktualisiert: 01.05.2023 02:32 Uhr

Obwohl dies nach der Satzung der CSU überhaupt nicht möglich war, lösten sich vor 50 Jahren etliche CSU-Ortsverbände im Altkreis Lohr auf. Sie reagierten damit auf die für die Menschen im Altkreis Lohr unverständliche Kreissitzentscheidung. Allein in Unterfrankens mitgliederstärkstem Ortsverband, der 250 Mitglieder zählenden CSU Lohr, traten rund 90 Prozent der Mitglieder aus Protest aus.

Eine von 150 Mitgliedern besuchte außerordentliche Versammlung löste noch in der ersten Aprilhälfte 1973 den Ortsverband auf. Unionsanhänger verabschiedeten sich dutzendweise von ihrer Partei, der sie wegen der Machenschaften um den Kreissitz Betrug an Lohr vorwarfen. Unter den Austritten befanden sich auch einige Gründungsmitglieder aus der Zeit nach 1945.

Vertrauen verspielt

Bereits vor Lohr hatten sich die CSU-Ortsverbände Habichsthal und Wiesen aufgelöst. In Wombach tilgten die Mitglieder ihren Ortsverband, in Neuhütten trat der Vorstand zurück. In Sackenbach beschlossen die Mitglieder einstimmig die Auflösung und traten aus der Partei aus. Dies wiederholte sich in Lohr. "Wir fühlen uns über das Ohr gehauen und sehen uns nicht in der Lage, uns der Bevölkerung im Lohrer Raum hinsichtlich der CSU und der Staatsregierung glaubwürdig machen zu können, da wir selbst Glauben und Vertrauen verloren haben", erklärte der damalige CSU-Ortsvorsitzende, Stadtrat Konrad Roth. Er war bereits vor der außerordentlichen Versammlung von seiner Parteifunktion zurückgetreten.

Die CSU hatte in Lohr und in Nachbargemeinden des Ostspessarts ihr Vertrauen verspielt. Männer, die der Partei die besten Jahre ihres politischen Wirkens gegeben und mit Überzeugung für die CSU gekämpft hatten, sahen sich plötzlich betrogen und verraten. In ihrer Empörung über die Staatsregierung und über maßgebende CSU-Funktionäre im neuen Kreis kehrten sie der Christlich Sozialen Union den Rücken.

Keine "Gesinnungslumpen"

Zur Gegenseite überlaufen mochten sie aber nicht. Sie wollten keine "Gesinnungslumpen" sein und ihre schwarze Überzeugung auch nicht an der Garderobe einer anderen parteipolitischen abgeben. Von Anfang an stand die Absicht im Raum, in einer christlichen Wählergemeinschaft zusammenzubleiben, die sich später in der Form der Main-Spessart-Union (MSU) konstituierte.

Die ehemaligen CSU-Mandatsträger griffen dabei zurück auf eine bereits 1910 gegründete Lohrer Union, die 1922 in der Bayerischen Volkspartei aufgegangen war. Mit der Auflösung des Ortsverbandes machte die Lohrer CSU-Spitze ihre Drohung wahr, die sie für den Fall ausgestoßen hatte, dass in der Kreissitzfrage kein sachgerechter Beschluss gefasst würde. Weil sich Regierung und Landtagsfraktion wider besseres Wissen für Karlstadt entschieden, hätten sie im Lohrer Raum das Vertrauen von CSU-Mitgliedern und Wählern verloren.

Die Lohrer CSUler glaubten, von ihren Parteifreunden aus dem Kreis gleich mehrfach übers Ohr gehauen worden zu sein: Beim unterfränkischen CSU-Bezirksparteitag in Werneck habe es der Karlstadter Landrat Erwin Ammann fertiggebracht, die Aufteilung seines Kreises unter den Nachbarlandkreisen Würzburg, Schweinfurt und Gemünden-Lohr-Marktheidenfeld zu verhindern.

Nachtragende Lohrer

Gegen den Willen von Innenminister Merk habe Ammann erreicht, dass das alte Karlstadter Kreisgebiet bei einem Verlust von nur wenigen Gemeinden dem Kreis Main-Spessart zugeschlagen wurde.

Nachtragend waren die Lohrer CSU-Freunde auch, weil ihr Zweiter Bürgermeister Albin Brehm bei der Gründung des CSU-Kreisverbandes Mittelmain am 26. Februar 1972 bei den Vorstandswahlen erst als dritter stellvertretender Kreisvorsitzender berücksichtigt wurde. Die unheilige Allianz der CSU Karlstadt-Marktheidenfeld habe außerdem dafür gesorgt, dass der Lohrer Landrat Rudolf Balles bei der Aufstellung des Landratskandidaten am 10. März 1972 in Zellingen gegen den Karlstadter Landrat Erwin Ammann durchfiel.

Trotz dieser negativen Erfahrungen hatte die CSU in Lohr zunächst viele neue Mitglieder geworben, um stark zu sein. Dabei hielten sich die Lohrer strikt an Satzung und Finanzstatut der Partei und verlangten einen Mindestbeitrag von zwei Mark monatlich. Die CSU Karlstadt gab sich bei ihrer Mitgliederwerbekampagne mit einer Mark zufrieden.

Mit Protesten überschüttet

Unter dem bisherigen Firmenschild weiterzumachen, kam für Alfons Ruf und seine Freunde schon bald nicht mehr in Frage. Stadträte wurden von Parteifreunden mit Anrufen bestürmt, mit Protesten überschüttet. Austrittserklärungen wurden spontan ge- und unterschrieben. Lohrs Bürgermeister Gerd Graf hatte den Vorsitz der CSU-Kreistagsfraktion bereits im Februar 1973 niedergelegt. Albin Brehm, Josef Fietz und Alfons Ruf gaben ihre Ämter im CSU-Kreisvorstand unter Protest zurück.

Fietz legte auch sein Amt als Kreisvorsitzender der Christlich-Sozialen Arbeitnehmerschaft (CSA) nieder. Auf der Suche nach einem Weg in die Zukunft wurde ein Zusammengehen mit den Freien Wählern erwogen. Rasch ad acta legten die Lohrer Unionisten den Vorschlag, einen CDU-Ortsverband zu gründen. Alles lief schließlich auf die Gründung der Main-Spessart-Union hinaus, die kommunalpolitisch bis ins Jahr 1996 hinein Flagge zeigte.

Nicht aufgelöst hat sich dagegen die Junge Union, deren Mitglieder nicht der Partei angehören mussten.

 
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