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KROMMENTHAL
Vor 150 Jahren: zwei brutale Morde im Spessart
jun
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:09 Uhr

„Unter den Todesarten, zu welchen der Mörder als Mittel zu greifen pflegt, ist diejenige eine seltene, da ein Mensch lebend den Flammen übergeben wird“ – diese zweifellos zutreffende Aussage war 1865 in der „Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege des Königreichs Bayern“ zu lesen. Der aufsehenerregende Fall, um den es ging, hatte sich zuvor in Krommenthal abgespielt.

Die gruseligen Details des Doppelmordes erschütterten zu jener Zeit die Menschen nicht nur im Spessart, fand die Aufarbeitung vor Gericht doch ausführlichen Niederschlag in etlichen Zeitungen. Ihren Anfang nahm die Geschichte bereits 1862, und zwar am 16. Februar. Damals verschwand die Bauersfrau Klara Haun nach einem Besuch im benachbarten Neuhütten auf dem Fußweg über den Brückenberg zurück in ihren Heimatort. Wenig später wurde die Leiche der Frau im nach Regen stark angeschwollenen Aubach gefunden.

Während manches auf einen Unglücksfall hindeutete, hegte der Witwer einen Verdacht. Er vermutete, dass der ledige Bauer Johann Adam Englert aus Krommenthal seine Frau ermordet hatte, weil diese der Heirat Englerts mit Hauns Tochter Christina ablehnend gegenüberstand. Englert, „ein angehender Fünfziger“, hatte Bekanntschaft zur deutlich jüngeren Christina geknüpft. Mutter Haun war jedoch gegen die Beziehung. Wenngleich Englerts Vermögensverhältnisse eine Heirat zugelassen hätten, habe er doch keinen guten Ruf besessen, heißt es in den damaligen Zeitungstexten. Englert sei zwar fleißig und sparsam gewesen, habe ansonsten jedoch als „roher, boshafter, hartherziger und gewaltthätiger Mensch“ gegolten.

Die Ablehnung des potenziellen Schwiegersohnes hat Klara Haun offenbar mit dem Leben bezahlt. Bis das herauskam, dauerte es jedoch Jahre, da der Verdacht gegen Englert zunächst aus Mangel an Beweisen fallen gelassen wurde.

Mangel an Beweisen

Die in ärmlichen Verhältnissen lebende, ursprünglich siebenköpfige Familie Haun war durch den Tod der Ehefrau und Mutter traumatisiert. Ehemann Thomas Haun erhängte sich ein Jahr später im Dachboden des etwas abseits des Ortes an der Bahnlinie gelegenen Hauses. Ein weiteres Jahr später fand man Tochter Christina im Wald bei Partenstein – ebenfalls erhängt. Nachdem zwei Geschwister ausgezogen waren, lebte 1864 nur noch die 19-jährige Josepha mit ihrem außerehelichen Kind sowie ihr jüngster Bruder, der 13-jährige Sylvester, in dem Häuschen. Josepha hielt den Haushalt mit Taglohnarbeiten finanziell notdürftig über Wasser.

In dieser Zeit knüpfte der zwei Jahre zuvor im Todesfalle ihrer Mutter noch unter Mordverdacht stehende Johann Adam Englert Kontakt mit der 19-Jährigen. Er „beabsichtige, sie zu heirathen“, so die Zeitung. Doch auf den Rat anderer Krommenthaler hin wandte sich Josepha von Englert ab – was offenbar der Auslöser für ein brutales Verbrechen war: Am 9. November 1864 wurde Josephas Bruder aus der Schule heimgerufen, weil im Wohnhaus das Kind seiner Schwester unablässig schrie. Das Kleinkind stand bei der Ankunft Sylvesters weinend an der Wiege.

Bei der Suche nach seiner Schwester wurde der 13-Jährige Sylvester schnell fündig: Josepha steckte mit dem Kopf voran und bis zu den Beinen im Schürloch des Ofens – „todt, am ganzen Leibe brennend“, so der Zeitungstext. Dass es sich nicht um einen Unglücksfall gehandelt haben konnte, wurde vor Gericht anhand nüchterner Zahlen rekonstruiert: Josephas Schultern seien 11 Zoll, die Hüften 12'/2 Zoll breit gewesen, das Schürloch des Ofens jedoch nur zehn Zoll. Dies sei der Beweis dafür, dass Josepha, ein „lebenslustiges Mädel“, nicht durch ein Unglück oder zum Zwecke der „Selbstentleibung“ ins Feuer geraten sei, sondern „in mörderischer Weise in den Ofen geschoben wurde, um sie dem Feuertode zu überliefern“.

Die Untersuchung der Leiche ergab, dass sie wohl noch lebend in den Ofen geschoben worden war, nur durch einen Schlag gegen den Kopf betäubt. Damit nicht genug der Gräuel: Zuvor sei sie noch vergewaltigt worden, berichteten die Zeitungen vom Ergebnis einer Sektion.

Falsches Alibi

Nachdem Englert am Tattag im Hause Haun gesehen worden war, wurde er in Untersuchungshaft genommen. Zuvor habe er sich vom Tod der Josephine „nicht sonderlich angegriffen“ gezeigt, heißt es im Zeitungstext. Als er mit dem Schicksal der 19-Jährigen konfrontiert worden sei, habe Englert nur gesagt: „Was macht das Weibsbild für Sachen.“

Das Alibi, das Englert vorgab, erwies sich als falsch. Im Zuge der Ermittlungen wurde auch der Todesfall der Klara Haun zwei Jahre zuvor wieder aufgerollt. Es tauchten neue Zeugen auf, die auch in diesem Fall Englert zur Tatzeit in der Nähe des Tatortes gesehen hatten.

Diese und weitere Indizien wertete das Gericht als ausreichend beweiskräftig: Johann Adam Englert wurde am 28. Mai 1865 wegen zweifachen Mordes zum Tode verurteilt – „welche Strafe im Gnadenwege ins lebenslängliches Zuchthaus gemildert wurde“.

 
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