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OBERSINN
Vor 150 Jahren: Der Räuber mit dem falschen Bart
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:58 Uhr

Die berühmt-berüchtigte Obersinner Familie Wehner machte, wie bereits einmal berichtet, Mitte des 19. Jahrhunderts im Sinngrund mit allerhand Gaunereien von sich reden: Diebstahl, Körperverletzung, Raub brachten die Familienmitglieder immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Vor 150 Jahren ereignete sich ein weiterer, bislang unbekannter Fall. Einem der Männer der Wehner-Familie wurde dabei bei einem Straßenraub sein Bekanntheitsgrad zum Verhängnis.

Überfall im Wald

Das Würzburger Abendblatt berichtete in seiner Ausgabe vom 18. November 1865 von einer ledigen Margaretha Ries aus Oberwestern (Lkr. Aschaffenburg), die am 3. November des Jahres im „Roßbacher Wald“, also wohl zwischen Obersinn, Roßtal und Zeitlofs (Lkr. Bad Kissingen), von einem ihr unbekannten Mann überfallen wurde. Der Unbekannte, der dabei einen falschen Bart trug, überfiel die Frau und zwang sie mit vorgehaltenem Messer zur Herausgabe des Inhaltes ihres Korbes und ihres Geldbeutels.

Dem „interimistischen“ (vorübergehenden) Mittelsinner Stationskommandanten Ebinger gelang es, durch „um- und vorsichtiges Recherchiren“ als Täter den „noch aus dem Condominate (bis 1863 waren Ober- und Mittelsinn teils hessisch, teils bayerisch, was sich Kondominat nannte – Anm. d. Red.) vielberüchtigten ledigen Kaspar Wehner von Obersinn auszumitteln“. Der passte offenbar ganz genau auf die Beschreibung des Täters.

Mithilfe eines Gendarms namens Schroll verhaftete Ebinger den Räuber Wehner in einer Nacht- und Nebelaktion um 4 Uhr und übergab ihn dem königlichen Landgericht Gemünden. Der Artikel schloss mit dem Wunsche, dass der verhaftete Wehner die höchste Strafe erhalten möge und „dadurch, da er auch schon bejahrt ist, zeit Lebens unschädlich gemacht“ werde. Doch man sollte von Kaspar Wehner noch mehr hören.

Vorausgesetzt, es gab nicht mehrere Kaspar Wehner, dann hatte dieser schon eine längere kriminelle Vorgeschichte. 1859 war der Tagelöhner Kaspar Wehner, damals noch hessischer Untertan, wegen „Concubinats“, also einer unehelichen Beziehung, des Landes verwiesen worden. Das „übelberichtigte Subjekt“, wie er in einem Zeitungsartikel genannt wurde, blieb allerdings nicht lange fern, denn Ende Februar 1860 verletzte er in einem Obersinner Wirtshaus den Hilfsgeistlichen Grünewald mit mehreren Messerstichen in den Arm.

Aus Gefängnis ausgebrochen

1863 dann suchte die Polizei Wehner, weil er aus dem Gefängnis im hessischen Schwarzenfels ausgebrochen war. Dort war er inhaftiert, nachdem er einen Kaplan Steigerwald verletzt hatte. Nun machte er mit weiteren Mitgliedern der Familie Wehner „die Gegend von Obersinn und Brückenau unsicher“, wie der Stadt- und Landbote schrieb. Schließlich nahmen bayerische und hessische Polizisten den Flüchtigen im August 1863 zusammen mit vier Genossen, offenbar alle mit Namen Wehner, fest. Wehner hatte sich im Wald in einer Hütte aus Grassoden und Steinen versteckt, die von drei Seiten nicht zu sehen gewesen sein soll.

Ein Loch zur Waldseite hin führte schließlich zur Entdeckung Wehners. Doch damit nicht genug: Im März 1867 wurde Kaspar Wehner wegen „Gewaltthätigkeit gegen einen öffentlichen Diener“, wegen Wilderei und Misshandlung seiner Schwester Sabina zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Weitere verurteilte Wehner

Ebenfalls im Jahr 1865, also vor 150 Jahren, wurden weitere Mitglieder der Wehner-Familie verurteilt: Ende Mai traf es den ledigen Tagelöhner Adam Wehner, den Bruder Antons, wegen Diebstahls (45 Tage Gefängnis) sowie ebenfalls wegen Diebstahls die weiteren Brüder Philipp und Anton Wehner, die sechs und 15 Monate Gefängnis bekamen und „nach erstandener Strafe“ zur Verwahrung in eine Polizeianstalt kommen sollten.

Die Witwe Anna Maria Wehner jedoch wurde – zumindest diesmal – vom Vorwurf der Hehlerei freigesprochen. Anton Wehner übrigens, von dem noch zu hören sein wird, büxte ebenfalls aus dem Gefängnis aus, denn im Jahr darauf wurde er wegen „Selbstbefreiung aus dem Gefängnisse“ zu 30 Tagen Haft verurteilt.

Obersinn und seine Gauner

Mitglied der Familie Wehner waren damals jedoch nicht die einzigen Gauner aus Obersinn. Im Mai 1858 stand die Geschichte eines Fröhlich aus Obersinn im Bayerischen Kurier. Der war ein paar Tage zuvor mit zehn anderen Personen männlichen und weiblichen Geschlechts, darunter „mehrere übelberüchtigte und schon öfters der Strafjustiz verfallene Subjekte“, in einem Waldlager bei Schonungen von einem Reviergehilfen aufgegriffen und mit einem Gendarmen und mehreren Bauern in die Schweinfurter Fronfeste gebracht worden. Die Bande hatte laut dem Artikel schon einen großen Teil Unterfrankens raubend und stehlend durchzogen. In der Fronfeste nun betrug sich Fröhlich offenbar nicht wie gewünscht und rief namentlich mehrmals aus dem Fenster seiner „Keuche“ anderen zu, was den Gefangenen untersagt war. Als er wieder einmal am Fenster stand, kam ein Gerichtsdiener zu ihm, um ihn zur Rede zu stellen, woraufhin Fröhlich diesem einen Wasserkrug über den Kopf zog. Auch einem weiteren Gerichtsdiener schlug er den Krug heftig auf den Kopf. Fröhlich verbarrikadierte sich und drohte den Krug zu schleudern. Mit Hilfe anderer Gefangener gelang es, die Tür zu öffnen, Fröhlich konnte noch einen Prügel ergreifen und um sich schlagen, wurde aber schließlich überwältigt.

 
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