
1870/71 gab es in ganz Franken eine außergewöhnlich rege, katholische Laienbewegung. Sie organisierte an vielen Orten große Katholikenversammlungen, in denen das Volk aufgerüttelt werden sollte und wurde, seine religiösen Pflichten treu zu erfüllen, die katholische Presse zu fördern, sich kirchlichen Vereinen anzuschließen, ein christliches Schulgesetz zu verlangen, dem Papst (Pius IX., 1846 bis 1878) zu huldigen und gegen die Annexion des Kirchenstaates zu protestieren. 1870 wurde der Vatikanstaat mit dem neu gegründeten Königreich Italien durch Volksabstimmung vereinigt.
Die Karbacher wollten bei dieser Aktion auch ihren Mann stehen. Da es Winter geworden war, konnten sie jedoch keine große Kundgebung abhalten. Ein ausreichend großer Saal war auch nicht vorhanden. Es gab zwar im "Grünen Baum", im "Adler", im "Stern" im "Löwen" und in der "Brauerei" jeweils einen Saal, aber alle waren sie zu klein.
Darum wurde die geräumige St.-Vitus-Pfarrkirche zum Versammlungsraum bestimmt. Die Straßen und Häuser des Bauerndorfes wurden mit Fichtengrün und Fahnen mit den deutschen, bayerischen, päpstlichen und fürstlich-löwensteinischen Farben dekoriert. Es wurde nämlich auch Fürst Karl zu Löwenstein als Patronatsherr der Pfarrei erwartetet, der am Donnerstag, 9. Dezember 1870, 14 Uhr, mit Böllerschüssen vor dem Pfarrhaus am Marktplatz mit Musik durch den Pfarrer, die Gemeindeverwaltung und die gesamten Bevölkerung empfangen wurde.
In festlichem Zug wurden der Fürst und die übrigen Gäste zur Kirche geleitet. Pfarrer Heinrich Roman Wörner begrüßte die hohen Herren und alle Gäste. Mit etwa 1500 Männern war die Kirche dicht gefüllt. Wie damals üblich, wurde zunächst ein Präsident der Versammlung gewählt und als solcher bestieg Fürst Karl zu Löwenstein die Bühne. Mit feurigen Worten verteidigte er die Rechte von Kirche und Papst. Nach ihm verbreitete Baron von Wamboldt aus Großumstadt die italienische Freveltat und forderte zum Gebet für Papst Pius IX. und den treulosen König Viktor Emmanuel auf.
Hierauf bestieg Baron von Schröter die Bühne und hielt eine förmliche Predigt über den Wert der menschlichen Seele und über den Frevel, eine Seele zu verderben. Da er viele Jahre in Rom verbracht hatte, berichtete er dann von seinen dortigen Erlebnissen in den Revolutionsjahren, dem Einzug des "piemontesischen Gesindels in Rom und den Vatikan" und strafte die Vorwände der Eroberer Lügen und nannte sie "entsittlichte Verschwörerbande".
Als Schlussredner trat der damals berühmte Kaplan Haus aus Würzburg mit einer zündenden Rede auf; sie schloss mit ungeheurer Begeisterung der Versammlung und Hochrufen auf Pius IX.
Die Nacht war längst hereingebrochen, als Fürst Löwenstein die Versammlung schloss und in festlichem Zuge marschierten die Teilnehmer zurück zum Pfarrhaus, wo "seine Durchlaucht mit aller Freundlichkeit die vielen geistlichen Herren, den Gemeindeausschuss und das Lokalkomitee empfangen hieß... und gegen 7 Uhr hoch erfreut über die wahrhaft katholische Gesinnung und Begeisterung ... dieser gesunden Landbevölkerung ... den Ort verließ".
