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GEMÜNDEN
Vor 100 Jahren: Gemündener sollten den Soldaten Ostereier schicken
Kriegsjahr 1915: Während an der Front Soldaten starben, ging das Leben in der Heimat weiter. Wenn auch mit Entbehrungen. Ein Blick in Ausgaben des Gemündener Anzeigers der ersten drei Monate 1915.
Verwundete Krieger in Gemünden: Im Lazarett im Koppen hörte alles auf das Kommando des Gemündener Arztes Dr. Wilhelm Keil (Mitte).
Foto: Repro: Hist. Verein Gemünden | Verwundete Krieger in Gemünden: Im Lazarett im Koppen hörte alles auf das Kommando des Gemündener Arztes Dr. Wilhelm Keil (Mitte).
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 05.03.2015 17:03 Uhr

Das Jahr 1915 hat für Gemünden wieder mit Schreckensmeldungen von der Front begonnen. Den Auftakt macht gleich am 2. Januar die Todesnachricht von Karl Haimerl im „Gemündener Anzeiger“. Der Leutnant der Reserve des 9. Infanterie-Regiments war der Sohn des bekannten Regierungsrats Andreas Haimerl. Der Regierungsrat schreibt, sein Sohn sei bereits am 2. November bei einem Sturmangriff in Flandern den „Heldentod“ gestorben. Der Gefallene war Träger des Eisernen Kreuzes und des Militärverdienstordens 4. Klasse mit Schwertern. Am gleichen Tag wurde bekannt gemacht, dass dem Burgsinner Unteroffizier Hermann Herget aus dem selben Infanterie-Regiment das Eiserne Kreuz verliehen wurde.

Der Kriegswinter 1914/15 war wenigstens zu Beginn besonders mild. Im „Gemündener Anzeiger“ war am 11. Januar 1915 zu lesen: „Durch die schweren Regengüsse ist wirkliches Hochwasser entstanden. Sinn, Saale und Main sind über ihre Ufer getreten und haben weite Gebiete überschwemmt. Wie ein großer See sieht das Gebiet des Sinn- und Saaletales aus. Gestern morgens trat heftiger Schneefall ein, der aber nicht stand hielt. Frost hat es bis jetzt noch keinen gegeben. Wir wissen uns lange nicht eines solch nassen, warmen Dezembers und Januars zu erinnern.“

Sodann folgt ein Blick an die Westfront, von der ständig Meldungen von Gefallenen (6. März: 13. Gefallener aus Obersinn bei 70 Einberufenen) und verliehenen Eisernen Kreuzen kommen: „In Flandern steht das Wasser in den Schützengräben. An ein Kämpfen der Infanterie ist kaum noch zu denken. Freund und Feind sind mit dem Entleeren der Gräben beschäftigt; nur die Artillerie ist noch in Tätigkeit.“ Abschließend heißt es: „Durch die mißliche Witterung wird der Krieg selbstverständlich in die Länge gezogen.“

Georg Heinrich Hofmann von der Buchdruckerei Hofmann bot in Gemünden unterdessen nicht nur „Photographische Aufnahmen zu jeder Tageszeit bei billigsten Preisen“, Sterbebilder und Postkarten an, sondern auch Öltuch für „Feldpostpackete“ – „durch Gewebe verstärkt nach Vorschrift der Postverwaltung“. Unterdessen gab es bei der Bavaria-Drogerie Hannawacker „Würmol“, „das viel geforderte Wurmmittel“. Angepriesen wird der Beutel zu 30 Pfennigen mit „Schmeckt fein! Wirkt ausgezeichnet!“. Ansonsten bekam man bei der Drogerie auch Dinge wie Schweinemastpulver, Mittel gegen Ungeziefer („Viewohl“), Haarausfall und „Dr. Busleb's Warzenzerstörer“. Henkel wirbt für Persil, Maggi für seine Suppenpulver in praktischer Würfelform.

Mitten im Krieg scheint auch das Geschäft mit Zigarren gut gelaufen zu sein, denn am 21. Januar wurde verkündet, dass die Zigarrenfabrik Julius Möller in Itzehoe, die bereits Filialen in Langenprozelten und Gössenheim hatte, nun auch eine im Brauereianwesen in Gemünden eröffnen möchte. Tabakanzeigen sind zudem an der Tagesordnung.

Die Fasenachtssession 1914/15 hingegen muss dem Krieg angemessen traurig verlaufen sein. „Öffentliche Tanzmusiken, Karnevalsunterhaltungen und Tanzunterhaltungen und dergl.“ durften nicht stattfinden. Der Würzburger Bischof Schlör rief seine Schäfchen außerdem auf, Kommunions- und Firmfeiern „auf das äußerste Maß zu beschränken“. Die Soldaten hingegen sollten an Ostern Schokoladeneier erhalten, da der Nährwert des Zuckers die Kämpfer stärken sollte. „Das Osterei bietet eine günstige Gelegenheit für reichlichen Zuckergenuß.“ Kakao sei genug vorhanden. Die Ostereier sollten auch dazu beitragen, den Brotverbrauch einzuschränken. „Ihr Einkauf wird daher von maßgebender volkswirtschaftlicher Seite als wünschenswert empfohlen.“

Von Amts wegen wurden genau Vorschriften gemacht, was mit welchen Getreidesorten gemacht werden durfte – so durfte Weizenmehl von Mühlen nur mit 30 Prozent Roggenmehl vermischt abgegeben werden. Ab dem 15. März 1915 gab es Brot und Mehl nur noch gegen Brotkarten, auf Weißbrot und Kuchen sollte verzichtet werden. Am Main und in Rheinhessen wurden wenig ertragreiche Weinberge gerodet, um dort Kartoffeln und Gemüse anzupflanzen. Die Königliche Eisenbahndirektion Würzburg wies Bahnpersonal an, in bahneigenen Gärten statt Blumen Gemüse anzubauen.

Vor der Verwendung von gewissen Petroleum-Ersatzmitteln, die aufgrund des herrschenden Petroleummangels Anfang 1915 in gewöhnlichen Petroleumlampen verwendet wurden, wurde gewarnt. Explosionsgefahr! Es gab Tipps, wie man Petroleum mit Wasser und Soda streckt.

Die Angehörigen von Soldaten wurden ermahnt, Informationen aus Feldpostbriefen über Befestigungsanlagen und Truppenbewegungen selbst Freunden und Bekannten nicht mitzuteilen. Der Feind habe seine Augen und Ohren ja überall. Am Ende könne man durch Geschwätzigkeit gar den eigenen Angehörigen im Feld schaden.

Der Frühling war 1915 dann auch tatsächlich beizeiten da. Die Stare kamen schon früh, und am 24. März herrschte fast sommerliche Wärme, was gleich das erste Gewitter zur Folge hatte.

Fundstücke im Gemündener Anzeiger: Neben Werbeanzeigen standen immer wieder Todesanzeigen für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Repro: Hist. Verein Gemünden
| Fundstücke im Gemündener Anzeiger: Neben Werbeanzeigen standen immer wieder Todesanzeigen für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Repro: Hist. Verein Gemünden
Fundstücke im Gemündener Anzeiger: Neben Werbeanzeigen standen immer wieder Todesanzeigen für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Repro: Hist. Verein Gemünden
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Fundstücke im Gemündener Anzeiger: Neben Werbeanzeigen standen immer wieder Todesanzeigen für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Repro: Hist. Verein Gemünden
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