„Die Maschine begann zu trudeln und ging in der Flurabteilung ,Löchle' auf einer Wiese nieder. Der 21-jährige Flugzeugführer Richard Keller vom Jagdgeschwader Udet konnte nicht mehr aussteigen und starb beim Aufprall seiner Maschine.“ Was der sechsjährige Bub Edwin Scheiner am 13. April 1944 erlebte, hat er zeitlebens im Gedächtnis behalten. Seine Erinnerungen an den Absturz eines deutschen Jagdflugzeuges vom Typ Me 109 sind noch so frisch, als wäre alles erst gestern gewesen.
Der ehemalige Landwirt hat seine Erlebnisse dem Marktheidenfelder Heimatforscher Kurt Schüll berichtet. Der pensionierte Oberlehrer hatte mittels einer Sonde an der Absturzstelle Reste des Messerschmitt-Jägers gefunden und diese ausgegraben. Es ist nicht der erste Flugzeugfund, den Kurt Schüll in der Region Marktheidenfeld gemacht hat und der nun darauf hofft, dass die Gemeinde Roden eine Gedenktafel an der Absturzstelle aufstellen wird.
Grausame Kriegsstatistik
In der einschlägigen Literatur wird zum Beispiel berichtet, dass US-amerikanische Maschinen und Flugzeuge der Royal Airforce vor allem in den Jahren 1943 und 1944 die Kugellagerstadt Schweinfurt angriffen. Vom „schwarzen Donnerstag“ ist zum Beispiel die Rede, als am 12. Oktober 1943 deutsche Jäger 60 alliierte Bombenflugzeuge „vom fränkischen Himmel“ holten und mehr als 600 amerikanische und englische Besatzungsmitglieder ums Leben kamen, verletzt wurden oder in die deutsche Gefangenschaft gerieten. Der US-Bomber, der Richard Kellers Me 109 attackierte, hatte ebenfalls über der Kugellagerstadt seine „schaurige Last“ abgeworfen und befand sich auf dem Rückflug zu seiner Basis in England.
Wie viele Opfer es bei Luftkämpfen in der Region Marktheidenfeld und im Spessart genau gegeben hat, ist nicht im Detail bekannt. Es dürften aber weit mehr als zwei Dutzend Absturzopfer gewesen sein. In der Pfarrchronik von Rothenfels wird zum Beispiel unter der Rubrik „Besondere Kriegsereignisse“ berichtet, dass allein am 13. April 1944 „in unserer Gegend drei deutsche Jäger abstürzten“. Auf deutscher Seite waren es hauptsächlich junge Piloten, die mit nur wenigen Stunden am Steuerknüppel an die „Luftfront“ geschickt wurden und kaum Luftkampf-Erfahrung hatten. Manche der blutjungen „Luftkutscher“ hatten nicht einmal ein Dutzend Einsätze in ihrem Flugbüchern stehen. Sie wurden buchstäblich verheizt.
Unerfahrener Pilot
Auch Richard Keller war mit wenigen Stunden am Steuerknüppel unterwegs. Für den aus Dammersdorf im heutigen Saalekreis stammenden Piloten wurde sein Einsatz Mitte April ein Jahr vor Kriegsende ein Flug ohne Wiederkehr. Er starb mit schwersten Kopfverletzungen beim Aufprall seiner Maschine, von der Teile des Leitwerks in der Nähe der Rodener Friedhofsmauer niedergingen. Wahrscheinlich waren Kellers Verletzungen nach dem Bomber-Beschuss so groß, dass er sein Flugzeug nicht mehr mit dem Fallschirm verlassen konnte.
Zeitzeuge Edwin Scheiner, der die 80 Lenze längst überschritten hat, war am Tag des Flugzeugunglücks mit seinem Vater Konrad mit einem von zwei Pferden gezogenen Pflugwagen in die Flurabteilung „Gunzenleiten“ unterwegs, um ein Feld zu beackern. Als die beiden den Acker erreichten, beobachteten sie, wie ein deutsches Jagdflugzeug der Erde entgegen trudelte. Vater Konrad, der bereits Soldat in Finnland war, erkannte die Situation, in der sich das deutsche Jagdflugzeug befand. Ihm war klar, dass schnelle Hilfe notwendig war. Während der Sohn bei den Pferden bleiben musste, eilte Vater Konrad zur Absturzstelle. Der Pilot befand sich noch im Cockpit, durchbohrt von einem metallenen Gegenstand.
Flugzeugwrack wurde bewacht
Es dauerte nicht allzu lange, bis neugierige Bürger aus Roden und Ansbach zur Unfallstelle eilten. Ganz nah konnten sie aber den Flugzeugtrümmern nicht kommen, da Bürger aus Roden, die laut Edwin Scheiner aktive Parteimitglieder gewesen sein sollen, das Areal um die Flugzeugtrümmer absperrten. Tags darauf, am 14. April 1944, hielten Soldaten aus Würzburg so lange Wache, bis die stark beschädigte Maschine auf einen Lastwagen geladen und abtransportiert wurde.
Keller wurde zur Beisetzung nach Dammendorf im Saalekreis in Sachsen-Anhalt überführt.