Ein wahres Tattoo-Mekka ist – oder wird – die Stadt Lohr. Wer hätte es gedacht? Denn die Tattoo Convention kommt zwar zum ersten Mal nach Lohr – früher hat eine solche schon in Karbach stattgefunden –, dennoch könnte der Vorverkauf für die zweitägige Veranstaltung nicht besser laufen. Bei der Tätowiermesse am 25. und 26. März in der Stadthalle werden rund 80 internationale Tätowierkünstler den Besuchern zeigen, was heutzutage in der Tattookunst möglich ist. Mit rund 2000 Besuchern an dem Wochenende rechnet Veranstalter Jürgen Kuhn, Chef der Eventfirma Discomakers.
"In Lohr läuft die Nachfrage sehr gut. Normal haben wir diesen Stand im Vorverkauf, den wir jetzt schon haben, erst eine Woche vor Veranstaltungsbeginn", sagt Kuhn. Der Kreis Main-Spessart scheine also eine gute Region für die Präsentation der Tätowierkunst zu sein. Aus Erfahrung liefen die Veranstaltungen im ländlichen Bereich ohnehin besser als in den großen Städten, so Kuhn.
Rebellion, jenseits der Norm, Ausdruck der Ablehnung gesellschaftlicher Standards? Im 19. Jahrhundert waren Tätowierte wohl entweder Seefahrer oder Verbrecher. Später entdeckten Punks, Rocker und Skins den Körperschmuck der alten Völker, seien es die Eingeborenen Maori aus Neuseeland oder die alten Ägypter, für sich. Heute ist das, was lange als non-konform galt, längst Teil des gesellschaftlichen Standards. "Besucher unserer Veranstaltungen sind Familien, die Kinderwagen durch die Messestände schieben, Omis, die sich mit 76 Jahren tätowieren lassen, absolut gemischt, also von jung bis alt und durch alle Schichten", erzählt Kuhn.
Wie bei jedem großen Modetrend kommen manche wieder
Das Tattoo ist salonfähig. Die Trends hingegen wechseln ständig. Und wie bei jedem großen Modetrend kommen manche auch wieder. Etwa das berühmte "Arschgeweih", das in den 2000ern zwischen Po und Rücken seinen großen Auftritt hatte und danach lange verpönt war. "Ich bin gespannt, ob es wirklich wieder kommt, wie manche jetzt behaupten. Tatsächlich ist es mit den Trends ja so, dass sich nur jemand Bekanntes ein Tattoo machen lassen muss und schon wird es zum Trend", sagt Kuhn.
Andere Trends gibt es natürlich auch und so werden die Tätowierkünstler, die sogar aus Italien, Spanien oder Ungarn anreisen, eine stiltechnisch große Bandbreite zeigen von fotorealistischen Tätowierungen über neueste Kunst und grafikinspirierte Stile bis zu klassisch-traditionellen Ausprägungen, wie dem japanischen Stil oder natürlich den Western Traditionals, mit denen sich Seeleute schon vor hundert Jahren schmückten.
Zur Abrundung der zweitägigen Veranstaltung gibt es ein Rahmenprogramm mit verschiedenen Show-Acts. Dabei sein werden Muy Moi, Halbfinalist beim deutschen Supertalent und Teilnehmer bei America's Got Talent, sowie die Poledancerin Vanessa. Am Samstag gibt es einen großen Wettbewerb mit Pokalverleihung für die Sieger-Tattoos. Wer sich spontan bei einem Besuch tätowieren lassen möchte, kann dies übrigens auch vor Ort entscheiden. "Viele Besucher machen allerdings schon im Vorfeld Termine aus, besonders bei größeren Tätowierungen, die den ganzen Tag oder länger dauern", sagt Kuhn. Inzwischen habe die Messe sogar ein Stammpublikum, das den Veranstaltungen zum Teil auch hinterher reise.
Tattoo Conventions nehmen wieder Fahrt auf
Mit seiner Eventfirma Discomakers hat sich der Schwabe aus Höchstädt in den vergangenen Jahren auf den Tattoo-Sektor fokussiert. Rund 20 Messen pro Jahr hat die Firma vor Corona deutschlandweit organisiert. "Weil's Spaß macht", sagt Kuhn. Während der Pandemie habe man versucht, die Messen so gut wie möglich durchzuziehen, was bei deutlich abgespeckter Anzahl auch recht gut ging. Jetzt nehmen die Tattoo Conventions wieder Fahrt auf. "Und schon kommen die nächsten Probleme. Die finanziellen Sorgen vieler Menschen merkt man schon", sagt der Veranstalter.
Auch an der Tattoo-Branche gingen diese nicht spurlos vorbei. Sie wurde zudem im vergangenen Jahr vom Verbot eines Großteils der gängigen Tattoo-Farben getroffen. Anfang dieses Jahres wurden weitere Farbpigmente verboten. Folgen für Tätowierer deutschlandweit: Sie mussten sich auf neue Farben einstellen, was teils mit massiven Preissteigerungen verbunden war.
Zudem waren viele Kunden verunsichert über die gesundheitlichen Auswirkungen ihrer Tattoos. Über 4000 Substanzen wurden nach der europäische Chemikalienverordnung (REACH-Verordnung) verboten, die demnach als krebserregend und erbgutschädigend eingestuft wurden. Wie gesundheitsschädlich diese Farben aber tatsächlich sind, darüber scheiden sich seitdem die Geister.
Mehrfarbige Tattoos nur in etwa zehn Prozent der Fälle gewünscht
"Noch ein medialer Hype. Am Anfang hatten alle Angst. Dann haben sich die Tätowierer umgestellt. Und jetzt hat es kaum noch Auswirkungen", sagt Kuhn. Black und Grey seien ohnehin die Hauptfarben. Mehrfarbige Tattoos würden nur in etwa zehn Prozent der Fälle gewünscht. Dass die Farben in Lohr ausgehen, ist zudem unwahrscheinlich. Denn die Messe hat ihren eigenen Lieferanten dabei. Und auch wenn die typische Laufkundschaft etwas weniger geworden sei: Wer wirklich ein Tattoo wolle, der spare und den bringe auch nichts davon ab.