
Spannend wie ein Kriminalroman hörte sich die Lebensgeschichte von Gertrud Schauber an, die 1938 in "Königreich" bei Hamburg geboren wurde. Sie referierte aus ihrem Buch "Kindheit unterm Kirschenbaum" bei einer Gemeinschaftsveranstaltung von Seniorenclub und Büchereiteam Röttbach im vollbesetzten Pfarrsaal. Vorsitzende Simone Fuchs fasste das Gehörte bei ihren Dankesworten passend zusammen: "Wir haben heute eine große Reise vom "Alten Land" bei Hamburg über das Frankenland, wo Frau Schauber über viele Umwege ihre Heimat fand, bis nach Nordghana, wo ihre Tochter für den Deutschen Entwicklungsdienst als Entwicklungshelferin tätig war". Bewegend und faszinierend, seien die Erinnerungen der Autorin gewesen, die ihre Lebensgeschichte in einem Büchlein niederschrieb und für ihre Vorlesung viel Beifall erhielt.
Viele der anwesenden Frauen fühlten sich in die eigene Jugend zurückversetzt. Geboren auf einem sechs Hektar großen Bauernhof im "Alten Land" bei Hamburg hatte Gertrud Schauber, wie viele Altersgenossen, keine einfache Kindheit. Im Marschgebiet war aufgrund der Bodenverhältnisse nur Obstanbau, hauptsächlich Äpfel und Kirschen, möglich. Sie untermauerte ihre Ausführungen mit Bildern vom elterlichen Bauernhof. Dieser Bauernhof war zwar räumlich klein, aber mit vielen Familienmitgliedern bewohnt. Die Anwesenden lauschten konzentriert den Ausführungen. Zwischendurch gab es immer wieder Bemerkungen, die darauf schließen ließen, dass man ähnliche Verhältnisse auch aus eigener Jugend kennt.
Lehre in der ländlichen Hauswirtschaft
Der im Jahre 1903 geborene Vater gründete eine kleine Baumschule. Als er und die deutschen Landarbeiter in den Krieg ziehen mussten, kamen Kriegsgefangene und Fremdarbeiter als Ersatz. Diese wurden in die Familien integriert und aßen am Tisch mit. Die etwa sechs Jahre alte Gertrud fand ihre erste "große Liebe" in dem russischen Kriegsgefangenen Titorenkow. Als sie von seinem Schicksal nach dessen Heimkehr nach Russland erzählte, war sie noch heute gerührt.
Nach der Mittleren Reife in Buxtehude musste sie eine Lehre der ländlichen Hauswirtschaft machen. Da hatte sie jedes zweite Wochenende ab Samstag 16 Uhr frei. Die Rückfahrt am Sonntag mit dem Fahrrad musste rechtzeitig erfolgen. Um ihren Berufswunsch erfüllen zu können, besuchte sie ab 1957 die Landfrauenschule in Tauberbischofsheim. Das Zimmer musste sie mit drei weiteren Mädchen teilen.
Über eine Zimmerkollegin bekam sie Kontakt zur Familie Schauber. Ihr späterer Ehemann Paul war damals "auf Wanderschaft", so dass sich der Kontakt auf gegenseitige Briefe beschränkte. Wieder zuhause, bekam sie eine Stelle als Hauswirtschafterin in Hamburg angeboten. Als ein Bruder ihres späteren Ehemannes zum Priester geweiht wurde, wurde sie zur Primiz eingeladen.
Kinder wurden ökumenisch erzogen
Nach eineinhalbjähriger Verlobungszeit dachten sie ans Heiraten und wurden mit dem Konfessionsproblem konfrontiert. Gertrud musste sich verpflichten, dass ihre Kinder katholisch getauft und erzogen werden. Die zwischenzeitlich zur evangelischen Diakonin weitergebildete Braut und ihr Mann Paul entschieden sich für eine ökumenische Erziehung.
Ehemann Paul wollte Bauer werden, konnte dies aber aus gesundheitlichen Gründen nicht. Nach beruflichen Tätigkeiten in der Beratung mit Pflanzenschutzmitteln gab es für ihn die Möglichkeit zur Leitung eines Staatlichen Weingutes in Lauda und später des fürstlichen Weingutes in Kreuzwertheim. Dabei gab es interessante "Hörfehler" zwischen der berühmten Weinberg-Steillage "Kallmuth" und der Schauber-Tochter "Almuth". Sie arbeitete in der Entwicklungshilfe in Nordghana. Zur Unterstützung dieser Arbeit wurde der Verein "Paul e.V." gegründet. Der Verein hält am Sonntag, 20. Oktober, in der Dreschhalle Kreuzwertheim einen "Ghana"-Tag ab, dessen Erlös bedürftigen Kindern in dem afrikanischen Land zugute kommt.