Freitagabend im Alten Rathaus: Eine Diva in Rot betritt die Bühne. Claudia Carbo, international gefeierte Jazz-Sängerin, gibt mit „Jazz & Latin Night“ das laut Kulturamtsleiter Peter Häring vermutlich letzte Konzert in der Kulturstätte vor dem Umzug in die Kulturhalle in der Gärtnerstraße. Besser hätte ein Abschied kaum ausfallen können.
Die Markenzeichen der ehemaligen Journalistin und PR-Beraterin, die 1997 ihre Musikkarriere begann: Eine grandiose Stimme, starkes Rhythmusgefühl, gekonnte Phrasierung gepaart mit sinnlicher Ausstrahlung, Authentizität und sprühendem Temperament. Die Wahl-Wiesbadenerin mit peruanischen Wurzeln hat Jazz in Blut und Stimme. So formt sie ihre Töne, so interpretiert sie den klassischen Jazz der 1940er Jahre, bewegt sich absolut sicher im Spektrum des Latin-Jazz von Bolero, Bossa Nova, Samba, dem dramatischen Tango bis zum Swing des American Songbook – auf Englisch, Spanisch und Portugiesisch. Bei keinem Wechsel verlieren ihr Gesang und ihre Präsenz an Intensität.
Mit den ersten Tönen des Bossa Novas „O Luxo Só“, begleitet von Jazz-Gitarrist Felix Heydemann, nimmt sie Raum und Sinne ihrer rund 30 Zuhörer ein. Ihr musikalisches Vorbild sei die amerikanische Jazzsängerin Ella Fitzgerald (1917 bis 1996), sagt sie. Deren „Under a Blanket Of Blue - just you and I beneath the stars“, „Don't Be That Way“ und den Swing „Dream a Little Dream of Me“ aus dem Jahr 1958 gibt Carbo derart feinnervig, dass im Publikum Gesichter strahlen und Daumen vor Begeisterung in die Höhe zeigen. In gleicher Manier verzaubert sie mit „Perfidia“, dem feurigen Bolero aus Mexiko, dann mit dem „Tango Argentino“ des 1890 in Toulouse in Frankreich geborenen Altmeisters Carlos Gardel, der 1935 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Carbo hat eine klassische Gesangsausbildung absolviert und arbeitete bereits mit herausragenden Jazzmusikern wie Kirk Lightsey aus Detroit oder dem Jazz-Kontrabassisten Jimmy Woode aus Philadelphia.
Kontakt über Schulleiter
Der Kontakt zwischen Claudia Carbo und dem veranstaltenden Kulturamt der Stadt war über Christian Conradi, Schulleiter des Lohrer Gymnasiums, zustande gekommen. Er und die Sängerin hatten in Lima dieselbe Schule und Klasse besucht und stehen noch heute in regelmäßigem Kontakt.
Im Rathaus tritt Claudia Carbo immer wieder zur Seite, gibt Raum und Bühne frei für Felix Heydemann. Beifall brandet auf für das brillante Spiel des diplomierten 40-jährigen Jazz-Gitarristen. Er differenziert voller Ästhetik und Harmonie, seine Linien strömen, packen zu in atemberaubendem Tempo. Im nunmehr zehnten Jahr treten Carbo und er zusammen auf. „Wir stellten schnell fest, dass das mit uns menschlich wie musikalisch sehr gut klappt“, sagen beide.
Heydemann studierte in Amsterdam und Köln. 2003 erhielt er am „Purchase College, State University of New York“ Unterricht von John Abercrombie, einem der bedeutendsten US-Jazzer. Geprägt haben sein Spiel auch Pat Martino und Randy Johnston. Immer wieder mal trete er als Solist auf, sagt Heydemann. „Doch überwiegend bringe ich mit dem Kölner Jazz Lounge Trio ,Feliz' und meiner Band ,Felix Heydemann Groove Connection' zeitgenössischem Jazz auf der Bühne.“
„Cuando Vulva a tu Lado“ in spanischer Originalversion aus 1936 und die englische Entsprechung „What a Difference a Day Makes“ sollten den Schlusspunkt hinter das bejubelte Konzert setzen. Mit letzterem Swing hatte unter anderem die amerikanische Sängerin Dinah Washington (1924 bis 1963) Welterfolg gefeiert. Die Gäste im Rathaussaal wollten mehr. Zugabe: Der Boléro „Sway“ und das Versprechen beider Künstler, wiederzukommen.
