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Karlburg
Von Frankenaposteln, Bischöfen und seligen Frauen
Aus der Geschichte Main-Spessarts (12): Der Legende nach soll Kilian, ein irischer Missionsbischof, das Christentum nach Franken gebracht haben. Doch auch Frauen missionierten.
Alte Mainbrücke in Würzburg und ihre Brückenheiligen. Der Heilige Kilian gilt als der Patron der Franken. 
Foto: Johannes Kiefer | Alte Mainbrücke in Würzburg und ihre Brückenheiligen. Der Heilige Kilian gilt als der Patron der Franken. 
Günter Roth
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:00 Uhr

Seit fast 1400 Jahren bestimmt das Christentum das religiöse und kulturelle Leben der fränkischen Mainlande und der Region Main-Spessart. Doch bis zur völligen Durchdringung war es ein weiter, schwerer Gang mit vielen Rückschlägen und Umwegen. Am Anfang war wohl die Eroberung unserer Region durch die Franken, die etwa um 500 n. Chr. begann. Was sich heute „Franken“ nennt und erst im späteren Verlauf zur „franconia orientalis“ (Ostfranken) wurde, war zu dieser Zeit ein „Land ohne Namen“. Es zählte vielmehr zu dem großen Gebiet Thoringia (Thüringen).

Im Zuge der nicht planmäßigen Kolonisierung der Mainlande durch die Westfranken kamen wohl auch verstärkte Einflüsse des christlichen Gedankenguts hierher, besonders nach den fränkischen Siegen über Alemannen (497) und  Thüringer (531). Nach erfolgreicher Schlacht konvertierte Merowingerkönig Chlodwig zum römischen Christentum. Auffällig sind hier die Parallelen zur Bekehrung des römischen Kaisers Konstantin, der nach der Schlacht an der Milvischen Brücke (312) an die Hilfe des Christengottes glaubte.

Seitdem gilt das Christentum als Staatsreligion und zumindest der Adel musste den neuen Glauben annehmen. Langsam – mit vielen Rückschlägen und zahlreichen Mischformen – setzte er sich letztendlich von oben nach unten durch. Im Volk werden noch für lange Zeit christliche und heidnische Riten nebeneinander gepflegt. Dies verdeutlichte das nachgebaute Doppelgrab in der Pfarrkirche Karlburg. Das Paar wurde mit Grabbeigaben aus beiden Religionen bestattet. Die Diözesan-Ausstellung, die die Entwicklung des Christentums im frühen Mittelalter dokumentiert,  wurde vom Bistum wieder geschlossen.

Ein nachgebautes Doppelgrab aus der Zeit der Christianisierung in unserem Landkreis gab es in der Kirchenausstellung von Karlburg. Die Verstorbenen wurden mit christlichen und heidnischen Grabbeigaben bestattet.
Foto: Günter Roth | Ein nachgebautes Doppelgrab aus der Zeit der Christianisierung in unserem Landkreis gab es in der Kirchenausstellung von Karlburg. Die Verstorbenen wurden mit christlichen und heidnischen Grabbeigaben bestattet.

Thüringen sollte für unsere Region von besonderer Bedeutung werden. Wegen ständiger Bedrohungen durch slawische und sächsische Stämme sahen sich die westfränkischen Könige genötigt, die östliche Reichsgrenze dauerhaft abzusichern. Deshalb schuf König Dagobert um 640 den „ducatus Thoringiae“, das Herzogtum Thüringen, mit dem Franken Radulf an der Spitze. Dieser jedoch erfüllte zwar seine Aufgabe bestens, verfolgte aber schnell eine eigene Politik, die sich insbesondere gegen die aufstrebenden fränkischen Karolinger richtete. Diese Konflikte bestanden noch ein halbes Jahrhundert später unter Radulfs Nachfolger Gozbert und machten dann dem „Frankenapostel“ Kilian zu schaffen.

Kilian, der Patron Frankens 

Eines der zahlreichen Kilians-Patrozinien ist die Pfarrkirche in Thüngen.
Foto: Günter Roth | Eines der zahlreichen Kilians-Patrozinien ist die Pfarrkirche in Thüngen.

Der christliche Glaube im Frankenland ist seit mehr als 1300 Jahren engstens mit dem Namen Kilians verknüpft. Nur wenige Heilige und Missionare in Deutschland gelten als so wirkmächtig wie der „Patron der Franken“ und seine beiden Begleiter Kolonat und Totnan. Daran gemessen sind aber die verlässlichen Informationen bei keinem anderen so dürftig und unklar. „Kein zeitgenössisches Dokument nennt die Namen Kilians und seiner Gefährten, gibt Auskunft über sein Wirken im Mittelpunkt fränkischer Herrschaft am Main“, schreibt Johannes Erichsen in seinen „Mutmaßungen über Kilian“. Im Gegensatz zu anderen Missionaren aus dem irischen oder angelsächsischen Raum wie Bonifatius, Kolumban oder Gallus ist so gut wie nichts Verlässliches über ihn bekannt.

Unklar ist die Quellenlage sogar bezüglich der beiden Viten des Heiligen Kilian. Die wohl ältere und kürzere – die Passio minor – muss zwischen 752 und 788 entstanden sein. Die umfangreichere Passio major ist wohl gut 100 Jahre später anzusetzen und damit schon recht weit von den historischen Ereignissen entfernt.

Die beiden Passiones berichten von einem irischen Bischof Killena oder Kilian, der mit seinen Begleitern am Herzoghof des Gozbert im „Kastell Wirziburg“ eintrifft, um dort das Evangelium zu predigen. Ein Hinweis auf die Begegnung mit dem Papst Konon in Rom deutet auf das Jahr 686 hin. 

Geilana ließ Kilian ermorden

Spektakulärer hingegen ist Kilians Konflikt mit dem Herzoghaus. Laut der Überlieferung war der Herzog Gozbert mit Geilana, der Frau seines verstorbenen Bruders, verheiratet. Die heute völlig unproblematische Ehe - für eine damalige Witwe überlebenswichtig -, war jedoch zu dieser Zeit streng verboten. Gemäß dem Kirchengesetz forderte Kilian Gozbert auf, Geilana zu verstoßen. Diese wollte sich damit jedoch nicht abfinden, sondern nutzte die Abwesenheit ihres Gatten, den unliebsamen Mahner und seine Begleiter ermorden zu lassen. Die Leichen wurden nach der Legende im Pferdestall verscharrt.

Keine Hinweise liefern die Kiliansviten auf die damaligen politischen Verhältnisse. Die Forschung ist sich bis heute nicht einig, ob das thüringische und das Würzburger Herzogtum identisch waren oder ob es zwei Herzogtümer gab. Gozbert war wie sein Vorfahre Radulf mit den aufstrebenden Karolingern verfeindet, er musste allein deshalb schon die Anwesenheit eines „fremden Aufpassers“ ablehnen. Im Jahr des Martyriums 689 musste Gozbert dem ungeliebten neuen König Pippin Heeresdienst gegen die heidnischen Friesen leisten. Ein Unternehmen, das für den König hätte übel ausgehen können. Damit hätte sich für den Herzog die Frage nach der problematischen Ehe rasch aufgelöst. Dass es anders kam, sollte  den Untergang des Herzoghauses beschleunigen.

Immina und das Kloster Karlburg

Die Selige Immina und Burkard der erste Bischof von Würzburg. (ehemalige Ausstellung in der Pfarrkirche Karlburg)
Foto: Günter Roth | Die Selige Immina und Burkard der erste Bischof von Würzburg. (ehemalige Ausstellung in der Pfarrkirche Karlburg)

Die Seelige Immina war die Enkelin des Herzog Gozbert. Mehr als 40 Jahre lebte sie auf dem Würzburger Marienberg in einem Eigenkloster. Als der Burkard 741 zum ersten Bischof des neu gegründeten Bistums Würzburg eingesetzt wurde, fehlte dem Oberhirten ein geeigneter Wohn- und Amtssitz. Imminas Kloster bot sich hier als Kristallisierungspunkt an. Inwieweit die fromme Frau bereitwillig zustimmte oder ob königlicher Nachdruck wirkte, ist nicht bekannt. Jedenfalls tauschte sie ihr Kloster gegen das Kloster und Königsgut in Karlburg.

Das ist einer der frühesten Hinweise auf klösterliches, beziehungsweise christliches Wirken im heutigen Landkreis Main-Spessart. Immina lebte dort bis zu ihrem Tod. Die Auswirkungen ihres neuen Wohnortes werden noch im gut zehn Kilometer entfernten Himmelstadt erkennbar, dessen Name „Imminastatt“ sich auf sie bezieht.

Der zweite Würzburger Bischof Megingoz hinterließ im Landkreis seine Spuren mit der Gründung des Klosters Neustadt am Main um das Jahr 741. Seine Mönche waren eine Zeitlang intensiv in die Missionierung der Sachsen einbezogen. Ab 768 zog sich der Bischof hierher als seinen Altersruhesitz zurück. Aus dieser Zeit stammt auch das Kloster in Homburg am Main.

Die Bedeutung der Religion und des Glaubens wird auch in einer großen Reihe von Schenkungen an kirchliche Einrichtung ersichtlich. Hier haben sich die Mitglieder der gräflichen Familie der Mattonen besonders hervorgetan. Im Kloster Fulda ist die Abschrift einer Urkunde erhalten, die auf umfangreiche Schenkungen der Mattonen im Jahr 788 verweist. Demnach haben die Grafen Manto und Mengingoz „zu ihrem Seelenheil“ Liegenschaften in zahlreichen Gemeinden dem Kloster von Fulda übereignet. Im Landkreis Main-Spessart waren dies Heßlar, Thüngen, Binsfeld, Halsheim, Müdesheim, Stetten und Büchold. Bei dem Ortsnamen Stetten könnte es sich aber auch um die Wüstung „Steti minor“ zwischen Heugrumbach und Büchold handeln.

Erste Erwähnung von Karlburg

Die erste Erwähnung von Karlburg 742 steht im direkten Zusammenhang mit der Gründung des Bistums Würzburg. Der karolingische Hausmeier Karlmann schenkte dem Bistum neben 25 königlichen Eigenkirchen auch ein Marienkloster mit zugehörenden Gütern und Rechten in der villa Karloburgo. In einer zweiten Schenkung im selben Kontext übergab König Pippin der Jüngere 751/53 dem ersten Würzburger Bischof Burkard Burg und Königshof mit zugehörigem Fiskalbezirk und allen daraus zu beziehenden Einkünften. Spätestens in der Mitte des 8. Jahrhunderts bestand damit auch schriftlich nachgewiesen ein Zentralort mit Befestigung, Königshof und einem Kloster. Die historischen Nachrichten kennzeichnen Karlburg als einen wichtigen Zentralort in der frühmittelalterlichen Landesgeschichte Mainfrankens.

Immer wieder in Zusammenhang mit Karlburg und Neustadt am Main wird die Heilige Gertrud von Nivelles (626 bis 659) gebracht. Um ihren angeblichen Aufenthalt am Main ranken sich manche Legenden, so auch die von der Quelle bei Waldzell, an der heute die Gertraudenkapelle steht.  In der Passio sancti Kiliani major wird die Geschichte von der Flucht Gertruds vor einem ungeliebten Freier nach Karlburg erzählt. Hier habe sie das Kloster gegründet. Ein Fünkchen Wahrheit steckt in mancher Legende, doch ob sich Gertraud jemals als Klostergründerin bestätigen lässt, muss angezweifelt werden.    

Literatur: Peter Kolb und Ernst-Günter Krenig (Hrsg): "Unterfränkische Geschichte 1"  und Claus Grimm (Hrsg.): "Kilian - aller Franken Patron".

Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter www.mainpost.de/geschichte_mspL.

Merowinger und Karolinger

Die Merowinger waren das älteste Königsgeschlecht der Franken vom 5. Jahrhundert bis 751. Sie wurden vom Geschlecht der Karolinger abgelöst. Nach ihnen wird die historische Epoche des Übergangs von der Spätantike zum Frühmittelalter im gallisch-germanischen Raum Merowingerzeit genannt.
Die Karolinger ist der auf Karl Martell zurückgehende Hausname des Herrschergeschlechts der Franken, das ab 751 im Frankenreich die Königswürde innehatte. Sein berühmtester Vertreter ist Karl der Große, von dem die späteren karolingischen Herrscher abstammten. Nach der Teilung des Karolingerreichs im Jahr 843 regierten die Karolinger im Ostfrankenreich bis zu ihrem Aussterben im Jahr 911.
Quelle: Wikipedia
 
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Kommentare
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  • S. C.
    Daß es Kilian, Colonat und Totnan nie gegeben hat (vermutlich eine Erfindung des ersten Bischofs Burkard), war doch auch schon in der MP ausführlich dargelegt.
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