
Ob Cowboy, Wikinger oder Meerjungfrau: Alle, die zum Bunten Abend des Mühlbacher Carnevalsvereins ins Pfarrheim eintreten, halten kurz an für einen Plausch, eine Umarmung oder ein Küsschen auf die Wange von Faschingsprinzessin Patrizia Hammerbeck. Dabei ist die 35-Jährige noch gar nicht lange Mühlbacherin. Trotzdem hat sie es geschafft, schnell Zugang zur Dorfgemeinschaft zu finden. Was der Faschingsverein damit zu tun hatte, erzählt die Prinzessin, während sie sich für den Abend fertig macht.
Immer mehr Menschen ziehen von der Stadt aufs Land, das zeigen Studien wie die des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung und der Wüstenrot Stiftung. Und Bundesbauministerin Geywitz rief vor wenigen Monaten sogar zu solchen Umzügen auf, um dem Wohnungsmangel zu begegnen. Doch: Wie kann so ein Umzug und ein Ankommen im Dorfleben aussehen?
Patrizia Hammerbeck sitzt am Küchentisch ihres Einfamilienhauses im Karlstadter Stadtteil und zieht sich Lippen und Lidstrich nach. Rund 460 Einwohner hat das Örtchen, das Fenster hinter Hammerbecks Rücken zeigt in einen großen Garten hinaus. Auf der Fensterbank kauert eine weiß-orange gemusterte Katze. "Die Katzen sind durch die letzte Wahl gekommen", erklärt Hammerbeck.
Wie die Wahl Patrizia Hammerbeck zu Kätzchen verhalf
Eine Wahlhelferin aus dem Ort hatte zwei "süße neue" Kätzchen und schon sind die Tiere bei Familie Hammerbeck gelandet. "Das ist das Schöne am Dorf", sagt Valerie Hübner. Die Wiesenfelderin ist für die Prinzessinnen-Frisur zuständig. Die beiden lernten sich durch die Arbeit kennen, wurden Freundinnen, und nun ist Hübner sogar als Tanztrainerin im Mühlbacher Carnevalsverein eingespannt.

Mit ihren beiden Kindern und ihrem Ex-Mann ist Hammerbeck vor sieben Jahren in den kleinen Ortsteil gezogen. Zunächst hatte die Familie in Würzburg und eine Weile auch in Güntersleben gewohnt. Für die Arbeit pendelt die OP-Schwester weiterhin ins Uniklinikum Würzburg. Nun sollen es viele weitere Jahre in Mühlbach werden, "hoffentlich", sagt Hammerbeck zumindest. "Wenn das Haus mich nicht zu sehr ärgert."
"Es ist auch ein riesiges Grundstück", sagt sie. "Das ist schon ein Stück weit viel Arbeit." In Güntersleben hatte das Haus, in dem die Familie zur Miete gewohnt hat, nur einen Innenhof. "Wenn wir hochgelaufen sind, in den Wald, gab es ein Haus im Waldrand. Wir haben immer gesagt, so ein Haus möchten wir haben", erzählt Hammerbeck von ihrem Wohntraum, den sie sich in Mühlbach erfüllen konnte. Allerdings doppelt so weit, noch einmal 15 Kilometer mehr als in Güntersleben, von ihrer Arbeitsstätte in Würzburg entfernt.
Was Patrizia Hammerbeck an Mühlbach schätzt
Die Vorteile überwiegen für Hammerbeck an Mühlbach allerdings: "Es ist ruhig, die Nachbarn sind alle total nett, es gibt einen großen Zusammenhalt, Straßenfeste, die Kinder können auf die Straße raus", zählt sie auf. Für sie ist dabei wichtig, dass der Stadtteil nicht weit von Karlstadt und damit vom nächsten Bahnhof entfernt liegt. "Sie sind jetzt nicht direkt im Karschter Mega-Trubel, können aber trotzdem irgendwann selbstständig mit dem Zug nach Würzburg fahren." Kino, Café, Freibad – all das sei im Vergleich zu Würzburg ohne große Parkplatzsuche oder lange Anfahrtswege möglich.
Der Einstieg in die Dorfgemeinschaft brauchte allerdings etwas Zeit und war auch mit Hürden verbunden. Anfang 2018 ist die Familie in das Haus eingezogen, die Kinder waren zu dem Zeitpunkt noch sehr klein. Daher lernte Hammerbeck zunächst einmal nur die nächsten Nachbarn kennen oder die Eltern anderer Kinder. "Du bist zum Straßenfest gegangen, aber trotzdem warst du nicht so integriert. Das merkst du auch bei Leuten, die hier wohnen, aber nicht im Verein tätig sind", sagt sie. Kurz darauf kam der nächste Einschnitt durch die Corona-Pandemie und die Lockdowns.
Die Faschingsprinzessin ist Mitglied in zwei Vereinen
Mittlerweile ist die 35-Jährige Mitglied in zwei Vereinen, im Obst- und Gartenbauverein und im Faschingsverein. Von Beginn an sei sie direkt aktiv geworden und habe bei "den ganzen Helfersachen" mitgemacht. "Es ist Dorfgefühl. Du bist automatisch bei vielen Veranstaltungen dabei und im ganzen Dorfgeschehen", sagt Hammerbeck.

"Patrizia ist da ein Paradebeispiel", sagt Florian Haun, Gesellschaftspräsident des Mühlbacher Carnevals Vereins. Sie sei engagiert und organisiere Dinge selbst, habe sich etwa proaktiv für das Deko-Team gemeldet. "Wir sind angewiesen auf solche Leute", sagt Haun. Nach der Pandemie musste sich das Vereinsleben auch beim MCV wieder erholen, in den letzten Jahren kamen zudem wie Hammerback einige neue Leute dazu. So war der Verein bei Veranstaltungen in der aktuellen Session immer mit rund 20 Leuten vertreten, wie Haun stolz berichtet.
"Es ist nicht immer leicht, ein Prinzenpaar zu finden", sagt der Präsident. Patrizia und ihr Partner Christoph Kraft seien jedoch "sofort dabei" gewesen. Er verrät: Die beiden haben sich quasi über den Faschingsverein kennengelernt. Das sei die beste Möglichkeit, um in eine Dorfgemeinschaft hineinzukommen, preist Haun den Beitritt zu einem Verein an.
Die Faschingsprinzessin hat Lampenfieber
Beim Anstecken der Ohrringe zittern die Hände merklich. Schon bei der Inthronisierung sei Hammerbeck aufgeregt gewesen: "Ich habe die Nacht vorher gar nicht geschlafen. Da habe ich erst wieder gemerkt, was ich eigentlich für ein Lampenfieber-Mensch bin." Es sind die Momente, in denen die Aufmerksamkeit viel auf ihr liegt. Dass sie mittlerweile fast alle kennt, die bei den Veranstaltungen in Mühlbach im Publikum sitzen, macht es etwas besser und sie sagt: "Hinterher ist man doch ein bisschen stolz, weil ich mich das vor zehn Jahren nicht getraut hätte."

"Ich habe mich hier im Dorf aufgefangen gefühlt", erinnert sich Hammerbeck an die Zeit der Trennung von ihrem Ex-Mann, die weitere Familie mehrere hundert Kilometer entfernt, da sie selbst in Thüringen aufgewachsen ist. Da wurde nachgefragt, ob alles passt oder sie Unterstützung braucht, und eingeladen, ob sie vorbeikommen möchte.
Auch die Kinderbetreuung kann Hammerbeck im Ort gut organisieren: "Die Tochter der Nachbarn hat letztes Wochenende zum Beispiel bei einer Sitzung auf unsere aufgepasst", erzählt sie. "Meine Tochter sagt immer wieder, wie froh sie ist, dass sie hier wohnt und nicht in Würzburg, weil ihr das zu viel ist alles", auch ihr Sohn sei "happy".
"Manchmal beneide ich die Leute, die hier direkt mit dem Fahrrad runter in die Stadt fahren und auf der Arbeit sind", träumt Hammerbeck weiter. Doch sie brennt für ihren Job und das spannende Spektrum der Arbeit in der Uniklinik. Ganz lösen von der Stadt kann sie sich also nicht, der etwas längere Arbeitsweg wird bleiben. Ein letztes fehlendes Puzzlestück für die sprichwörtliche Dorf-Idylle.