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LOHR
Von der Akzeptanz des Fremden
Lesung und Gespräch mit Nevfel Cumart im Schulzentrum Nägelsee.
Foto: Kai Büch | Lesung und Gespräch mit Nevfel Cumart im Schulzentrum Nägelsee.
Bearbeitet von Andreas Köster
 |  aktualisiert: 10.03.2018 02:48 Uhr

Im Rahmen des Projekts „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ fand in der Bibliothek des Nägelsee-Schulzentrums ein Werkstattgespräch mit Nevfel Cumart aus Bamberg statt. Beteiligt waren verschiedene Altersklassen des Gymnasiums sowie der Mittelschule. Im Mittelpunkt der Lesung standen laut Pressemitteilung der Schule Werke, die die Lebenserfahrung des Dichters Nevfel Cumart in Worte fassen.

Geboren 1964 in Rheinland-Pfalz als Sohn türkischer Eltern, aufgewachsen in Stade (Niedersachsen), fing dieser mit 17 Jahren an, Gedichte zu schreiben. Nach seinem Abitur im Jahre 1984 absolvierte er eine Lehre zum Zimmermann und studierte später die Fächer Turkologie, Arabistik, Islamwissenschaft und Iranistik. 1993 wagte er schließlich den Sprung zum freiberuflichen Schriftsteller. Bisher veröffentlichte Cumart fast 20 Gedichtbände sowie eine Sammlung von Erzählungen und übersetzte zahlreiche türkische Bücher ins Deutsche. Neben seinen Veranstaltungen für Schüler hält er regelmäßig Vorträge und führt Seminare sowie Schreibwerkstätten zu unterschiedlichen Themen für Jugendliche und Erwachsene durch. Für sein literarisches Werk erhielt er mehrere Preise, darunter die Literatur-Förderpreise der Länder Rheinland-Pfalz und Bayern. 2010 drehte der Bayerische Rundfunk über ihn einen Filmbeitrag in der Reihe „Lebenslinien“.

Seit mehreren Jahren besucht Cumart in regelmäßigen Abständen die beiden Lohrer Schulen, sodass sich eine enge Bindung zu Lehrkräften und Schülern ergeben hat; Susanne Rinno, Leiterin der Mittelschule, hat ihn daher als Paten für die Aktion „Schule gegen Rassismus - Schule mit Courage“ gewonnen.

Cumart geht es im Gespräch mit den Schülern darum, Vorurteile und Klischees aus der Welt zu schaffen und ein differenzierteres Bild auf die islamische Welt und Ausländer zu werfen, damit Integration gelingen kann und Menschen unterschiedlicher Herkunft aufeinander zugehen können. In seinen Werken spiegeln sich seine Erfahrungen wider: So gibt es zum Beispiel Gedichte über die unglücklich verlaufene erste Liebe, die aufgrund des Unverständnisses beider Eltern zerbricht. Seinen ersten literarischen Versuch „Trotz alledem“ bezeichnet der Schriftsteller denn auch als „Eltern-Trotz-Gedicht“. Die Identitätskrise, in der sich der Autor als junger Mann nicht sicher war, ob er sich als Türke oder Deutscher fühlen sollte, berührte die Schüler.

In einigen Texten wie „Dazwischen“ oder „Zwei Welten“, die Cumart auf Deutsch und Türkisch liest, thematisiert er diesen Zwiespalt, der auch heute wieder junge Menschen aus Syrien, Afghanistan und anderen Fluchtländern trifft. Seiner Tochter Amelia, für die er in einem kompletten Gedichtband einen liebevollen Blick bewahrt hat, ist diese Erfahrung zum Glück erspart geblieben.

Wenn der Autor hier über seine Eltern berichtet, deren Nöte als Analphabeten in Deutschland beschreibt, oder auch ganz persönliche Erfahrungen preis gibt, so geschieht dies immer auch mit viel Humor, was für eine lockere und offene Gesprächsatmosphäre sorgt.

Gerade weil er nicht mit der „moralischen Keule“ argumentiert, sondern sein Herz offenlegt, erreicht er, dass Werte wie Toleranz und Akzeptanz des Fremden als nötig und sinnvoll anerkannt werden.

zwei welten

zwischen

zwei

welten

inmitten

unendlicher

einsamkeit

möchte

ich eine brücke sein

doch kann ich

kaum fuß fassen

an dem einen ufer

vom anderen

löse ich mich

immer mehr

die brücke bricht

droht mich

zu zerreißen

in der mitte

Nevfel Cumart

(aus: Das Lachen bewahren, Grupello Verlag, 1993)

 
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