
"Von Verbrechern und Ratsherrn" heißt die neu ins Leben gerufene Stadtführung der Lohrer Touristeninformation. Am Sonntag führte erstmalig Helga Harth Interessierte ins Alte Rathaus.
1598 bekam Michael Imkeller vom Stadtmagistrat den Bauauftrag für ein neues Rathaus. Das vorherige Rathaus wurde abgerissen. Es existieren keine Bilder, wie das ursprüngliche Gebäude ausgesehen hat. Laut Harth wird vermutet, dass es ähnlich, wie dem in unmittelbarer Nachbarschaft befindlichen Gebäude, in dem aktuell die Reisewelle Lohr ihre Geschäftsräume hat, aussah.
Alle zwei Wochen Zentgericht
Baumeister Imkeller erbaute jedoch zuerst das Rothenfelser Rathaus. Erst danach wurde das Lohrer Rathaus, ebenfalls im Stil der Renaissance, errichtet. Der Giebel wurde im 19. Jahrhundert wegen Baufälligkeit abgerissen und durch die heutige Dachkonstruktion ersetzt.
Die goldene Justitia auf dem Turm zeugt heute noch vom Zentgericht, welches einst 14-tägig im Rathaus abgehalten wurde. Unter dem Dach lagerte Korn für Notzeiten, welches per Hand hinauf getragen wurde, erklärte Harth bei der Führung. Das Erdgeschoss diente als Markthalle.
Kerker ohne Toilette
Der Zugang zum Kerker befindet sich in der ehemaligen Markthalle. Durch eine kleine Tür gelangt man in das Verlies. Es besteht aus drei Kerkerräumen. Der größere ist kaum 11 Quadratmeter groß. Mitten im Raum, im Boden fest verankert, ist die eiserne Fessel noch vorhanden. Toilette gab es keine. Aber immerhin einen Luftschacht. Nur in der Mitte des Gewölbes kann man, ohne den Kopf einzuziehen, aufrecht stehen.
Eingesperrt wurden Verbrecher sowie angebliche Hexen und Hexenmeister bis zu ihrem Gerichtstermin. Doch das alles ist nur eine Annahme, denn Dokumente, die dies belegen, fehlen, erklärt Harth. Um 1600 lebten etwa 1200 Menschen in Lohr. Bürger, die sich nicht an die Gesellschaftsordnung hielten, wurden vornehmlich an den Pranger gestellt. Entlang der Hauptstraße erinnert nur ein sandsteinfarbiger Fassadenbogen an die mittelalterliche Praktik.
Gebucht werden kann die etwa 45-minütige Führung bei der Touristeninformation Lohr. Die Angst, in dem Verlies vergessen zu werden, ist unbegründet. Und wenn doch, dringen Schreie durch den Luftschacht nach außen. Außerdem gibt es Handyempfang.